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Lesung Kulturnische Die Gesichter des Krieges

Aus Erinnerungen aus dem Ersten Weltkrieg las Ulrich Kalmbach beim Kulturstammtisch. Dabei wurde deutlich: Alles ist endlich.

Von Oliver Becker 07.04.2016, 23:01

Salzwedel l Der Kulturstammtisch Jour Fixe begrüßte am Mittwoch den Museumsleiter Ulrich Kalmbach als Referenten in der Kultur-Nische. Das Danneilmuseum beherbergt zurzeit die Wanderausstellung „Heimat im Krieg 1914/1918 – Spurensuche in Sachsen-Anhalt“. Eine Präsentation, die, auf ihrer Wanderschaft durch Sachsen-Anhalt noch einmal die Zeit des Ersten Weltkrieges in Erinnerung bringt.

In der Ausstellung, wie auch in seinem Vortrag, wurde der Fokus nicht auf die damaligen Geschehnisse direkt an der Front gerichtet, sondern auf die Bereiche, in denen der Kriegsbeginn zunächst euphorisch gefeiert wurde, in denen sich mit Pauken und Trompeten von den Männern und Söhnen verabschiedet wurde, in denen gelebt und überlebt werden musste und in denen, wo Männer und Söhne betrauert und begraben wurden.

Kalmbach las aus Niederschriften einfacher Menschen, von Intellektuellen und auch von Geistlichen. Ein jeder beschriebe die jeweilige Situation, die Zeit, aus seiner Sicht, erklärt Kalmbach. Also, subjektive Beobachtungen des Zeitgeschehens, die nicht der damaligen Situation gerecht werden müssen. Die Wanderausstellung behandelt 13 Themen, die an den einzelnen Standorten jeweils zusätzlich eine regionale Prägung erhalten. Sie beleuchten den Beginn des Krieges, dessen kriegswirtschaftlichen Strukturen, die Lebensversorgung, die Familie, die Kirche, das Schulwesen, die medizinische Betreuung, aber auch die Erinnerung an jene entbehrungsreiche Zeit.

So geben unter anderem die Aufzeichnungen von August Busse aus Jübar einen Einblick in die Gefühle eines Menschen jener Zeit. Ein 19-Jähriger, der ausgezogen war, um für Kaiser und Vaterland zu kämpfen und gegebenenfalls zu sterben. Mehrere Verwundungen an der Front und Aufenthalte in verschiedenen Lazaretten ließen ihn schmerzhaft erkennen, dass nichts so war, wie es zunächst erschien. Der Verlust vieler Kameraden, darunter auch der seines Freundes Hermann Müller aus Nettgau, machte ihm klar, dass alles endlich ist. Die Fahrt in den Heimaturlaub mit der Eisenbahn musste er auf seine Krücken gestützt stehend verbringen. Von der in Pelzen gehüllten feinen Gesellschaft im Waggon wurde er in seiner noch blutverschmierten Uniform wie ein Verbrecher begafft. Da wurde ihm bewusst, dass es ja die sind, für die er sich die Knochen hatte kaputt schießen lassen. Das Vaterland dankte ihm mit einer Abfindung, die gerade für den Kauf von einer Schachtel Zigaretten mit 20 Stück reichte.

Anders dagegen die Erinnerungen von Andreas Loewe, dem Besitzer der Salzwedeler Pumpenfabrik. Die beginnende Elektrifizierung der Altmark kurbelte das Geschäft des Unternehmers, dank des guten Absatzmarktes von Elektropumpen, enorm an. Auch die spätere Umstellung auf die Produktion von Munition führte dazu, dass es der Firma nicht schlecht erging.

Für Lehrer Alfred Bock aus Hanum war unverständlich, dass das Leben trotz des Kriegsausbruches zunächst recht gelassen fortgesetzt wurde. Sogenannte Engelsbriefe, die Schutz vor den Gefahren an der Front geben sollten, fanden in der Zeit reißenden Absatz. Sie hatten zwar einen einfältigen Inhalt, hielt der Hanumer fest, aber beruhigten die Menschen, die sie trugen, und deren Angehörigen. Zahlreiche Denkmäler in den Ortschaften und Tafeln in den Kirchen zeugen noch heute davon, dass auch die Altmark während des Krieges einen hohen Blutzoll gezahlt hatte und viele Männer ihre Heimat nie wiedergesehen haben. Und doch waren die Menschen in dieser Region versorgungsmäßig besser gestellt als in vielen anderen Teilen Deutschlands, sagte Kalmbach. In dem Agrarland waren die Menschen zum Teil Selbstversorger. Das führte dazu, dass Kinder aus den Industrieregionen des Landes in die Altmark verschickt wurden, um sie wieder aufzupäppeln.

Noch bis zum 14. Juni ist die Wanderausstellung in den Räumen des Danneil-museums zu sehen.