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Mellin Angst vor Corona kostet fast das Leben

Eine Mellinerin hatte Angst, sich mit Corona anzustecken: Doch ihr eigenes gesundheitliches Problem war größer.

Von Janine Ak 12.02.2021, 10:39

Mellin l Als Rolf Dörge an einem Sonntagabend im Januar nach Hause kam, merkte er gleich, dass etwas nicht stimmte. „Meine Mutter saß in der Stube, hat sich nicht getraut, sich zu rühren“, erinnert er sich. Schon am Morgen hatte die 83-Jährige sich nicht gut gefühlt. Es wird schon von alleine besser werden, hatte sie gehofft. Nun raste ihr Herz. „Wir rufen den Bereitschaftsarzt“, plädierte der Sohn. „Aber sie wollte bis zum nächsten Tag durchhalten und dann zum Hausarzt gehen“, erzählt er, „aus Angst, ins Krankenhaus zu kommen und sich dort mit Corona anzustecken.“

Der Sohn wählte trotzdem die 116 117. Bei der zentralen Nummer der Kassenärztlichen Vereinigung sei er aber zunächst nicht durchgekommen: „Es dauerte geschlagene fünf Minuten, bis ich jemanden erreichte und weitere zehn Minuten, bis sie verstanden haben, um was es geht: Mellin? Wo liegt das denn? Haben Sie Corona? Dann drücken sie die Eins“, ärgert er sich. Man habe ihm geraten, die Mutter selbst ins Krankenhaus zu fahren. Es stehe für die Altmark nur ein Bereitschaftsarzt zur Verfügung und es könne daher bis zu drei Stunden dauern, bis er vor Ort sei.

Die Kassenärztliche Vereinigung Sachsen-Anhalt (KV) ist für die Telefonnummer 116 117 verantwortlich. Neben der Vermittlung eines Bereitschaftsarzts hat die Nummer noch zwei weitere Funktionen. Über sie kann man sich rund um die Uhr einen Termin beim Facharzt, Psychotherapeuten oder Hausarzt vermitteln lassen. Neuerdings laufe über die Nummer auch die Vermittlung von Impfterminen gegen Corona. „Aus diesem Grund muss der Patient die Auswahl tätigen“, erklärt Heike Liensdorf, Pressesprecherin der KV. Wenn viele Menschen die Nummer gleichzeitig anrufen, könne es durchaus zu Wartezeiten kommen.

In der Zentrale arbeite nur medizinisches Personal. Der Anrufer müsse seine Adresse und Telefonnummer angeben, damit der geografisch zuständige Bereitschaftsarzt zugeordnet werden könne.

Dann erfolge eine medizinische Ersteinschätzung, um den Patienten an die richtige Stelle zu vermitteln. Das könne die Bereitschaftspraxis oder der Bereitschaftsarzt, ein fachgebietlicher Dienst oder der Rettungsdienst sein. Der Patient könne auch gebeten werden, ein Versorgungsangebot – etwa das Krankenhaus – in Anspruch zu nehmen.

Bezüglich der Wartezeit stellt Liensdorf klar, dass der Bereitschaftsarzt die Reihenfolge der Patienten entsprechend der medizinischen Dringlichkeit festlege. Im Gegensatz zum Rettungsdienst müsse er nicht in einer bestimmten Zeit beim Patienten sein. Die Region Altmark, zu der die Landkreise Salzwedel und Stendal ohne Havelberg zählen, werde durch fünf Bereitschaftsärzte versorgt – nach Mitternacht „aufgrund der geringen Anzahl an Hilfegesuchen“ durch zwei Ärzte plus einem dritten in Rufbereitschaft. Alle Kassenärzte der Region müssen im Wechsel Bereitschaftsdienst leisten. Die Anzahl der Bereitschaftsärzte, die einer Region zur Verfügung stehen, legt die KV anhand Einsatzfrequenzen vergangener Jahre und der Anzahl der vorhandenen Kassenärzte fest.

Abschließend erklärt Heike Liensdorf, dass der Bereitschaftsdienst für Patienten geeignet ist, die ihre Beschwerden bis zum Öffnen der Hausarztpraxis nicht aushalten, bei denen aber „keine schweren gesundheitlichen Gefahren oder Lebensgefahr drohen“.

Rolf Dörge handelte in jener kalten Januarnacht richtig: Er entschied sich, den Krankenwagen zu rufen. „Meine Mutter wollte immer noch nicht ins Krankenhaus. Aber der Notarzt sagte: Sie werden sonst die Nacht nicht überleben“, schildert er die dramatische Situation.

Bei der Aufnahme im Klinikum sei bei seiner Mutter zunächst ein Corona-Schnelltest, am nächsten Tag ein ausführlicher Test gemacht worden, berichtet er über die akribischen Hygienemaßnahmen. Er selbst durfte sie aus diesem Grund nicht besuchen, hat aber jeden Tag mit ihr telefoniert. „Sowohl der Notarzt als auch das Personal im Krankenhaus waren sehr freundlich“, ist er im Nachhinein dankbar. Die ältere Dame habe sich gut betreut und umsorgt gefühlt. Nach einer Woche durfte seine Mutter das Krankenhaus verlassen. „Sie ist noch ein bisschen schlapp, aber es geht ihr jeden Tag besser.“

Aus dem Erlebten hat Rolf Dörge zwei Dinge für sich mitgenommen: „Mit der Nummer 112 ist man im Notfall auf der sicheren Seite.“ Und: Menschen, die sich krank fühlen, sollten auf alle Fälle frühzeitig zum Arzt oder ins Krankenhaus fahren – trotz Corona. Bei seiner Mutter ist es gerade nochmal gut gegangen.