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Musikschulen Jugend musiziert: Malen nach Noten

Gesang, Klavier, Streicher, Bläser, Schlagzeug oder Gitarre: Bei der 57. Auflage von Jugend musiziert in Salzwedel, waren sie alle zu hören.

03.02.2020, 12:47

Salzwedel l Die Haptik ihres Instrumentes ist vertraut, das Notenbuch der Schlüssel in eine andere Welt. Sie malen mit Musik ein Bild in den Gehörgang. Jeder für sich und doch ein gerahmtes Gesamtwerk. Die Rede ist von jenen Musikschülern, die sich am Wochenende dem Regionalwettbewerb Altmark von Jugend musiziert in Salzwedels Kreismusikschule stellten. Es war der 57. Wettbewerb seiner Art. Mal lauter, mal leiser aber stets harmonisch.

Die Kreismusikschule in Salzwedel präsentierte sich am Wochenende vom 31. Januar bis 2. Februar ihren Besuchern als Talenteschmiede. Denn was die rund 70 Schüler in ihren altmärkischen Musikschulen teils über Jahre vermittelt bekamen, sollte nun vor einer Fachjury abgerufen werden. Kein einfaches Unterfangen, aber ein lohnenswertes. Denn wer den Regionalwettbewerb in Salzwedel übersteht, kann sich im März in Magdeburg mit anderen Sängern und Instrumentalisten des Landes messen. Es könnte die Eintrittskarte auf eine große Bühne werden.

„Wir haben am Freitag mit klassischem Gesang begonnen“, erzählt Falk Kindermann. Der Leiter der Kreismusikschule in Salzwedel gehört zum Regionalausschuss und hat mit Ausschuss-Vorsitzender Maike Schymalla aus Stendal gewissermaßen das Noten-Zepter in der Hand. Wie Kindermann weiter erklärt, müssen die Schüler Stücke aus mehreren Epochen singen. Von Barock über Renaissance bis neuzeitlich klassisch. „Gleiches gilt für die Instrumentalisten.“ Deren große Stunde begann am Sonnabend.

Ob am Klavier, Streich- oder Blasinstrument: Jeder stellt sich den Ohren der Jury. „Dafür haben wir im Vorfeld rund 20 Räume in der Musikschule bereitgestellt“, sagt Falk Kindermann. Schließlich sollen die kleinen und großen Musiker auch die Chance auf Proben bekommen, bis es in die Wertungsräume geht. Es ist daher auch eine logistische Herausforderung für alle Beteiligten.

Noch während der Salzwedeler Musikschulchef erklärt, breiten das Quartett um Maria Dossin, Charlotte Stachow und die Brüder Marvin und Carlos Elfert ihren harmonsichen Klangteppich im Konzertsaal aus. Das Streicher-Ensemble (Bild oben) probt mit ihrem Lehrer Peter Dossin, bevor die Jury einzig ihnen ihr professionelles Gehör leiht. „Nochmal den Anfang“, sagt Peter Dossin, er will das Violoncello von Carlos auf dem Punkt hören. „Das haben wir geübt – im Bogen“, ruft er seinem Schüler zu. Nun sitzt schließlich jeder Ton.

Dann wird es ernst. Die Jury für die Streichinstrumente kommt in den Konzertsaal. Monika Herrmann aus Hannover, Raimo Gaarts aus Halle und Julian Gorus aus Hillersleben hören nun ganz genau zu. Anspannung macht sich breit, es ist mucksmäuschenstill. Die Schüler fokussieren ihre Notenblätter, ihre Hände greifen die Instrumente, als hätten sie nie etwas anderes getan. Im Hintergrund scheint es, als schaue die Statue von Jenny-Marx aufmerksam durch das Fenster ihres Geburtshauses hinein, den Kopf leicht geneigt, als würde sie genau zuhören. Die Bäume wiegen sich unterdessen zu den Noten der Komponisten Johann Georg Lang oder auch Kurt Schwaen anmutig im Takt. Und höre da: Ihr Auftritt ist geglückt. Besucher und Fachjury applaudieren. Nun heißt es für das Quartett Warten, wie die Jury wertet.

„Durch diesen Wettbewerb können die Schüler die Atmosphäre bei Prüfungen kennenlernen“, erzählt Falk Kindermann. Und damit dieses Gefühl auch wirklich aufkommt, sind insgesamt 18 Jurymitglieder nach Salzwedel gekommen. Darunter auch die Sopranistin Professor Barbara Christina Steude aus Dresden. Und eben jene Jury kann pro Wertung 25 Punkte vergeben. Stolze 24 Punkte kann das Streicher-Quartett abgreifen, ein sensationeller Wert. Damit sichern sich die Jugendlichen einen Startplatz beim Landesausscheid in Magdeburg.

Etwas lauter und vielleicht auch nicht ganz so perfekt gehen die kleinen Bläser mit ihren Trompeten und Posaunen zu Werke. Kein Wunder, sie traten an dem Tag in der jüngsten Wertungsgruppe der Kindern zwischen acht und neun Jahren an. Da darf es auch mal holpriger sein. Schlussendlich spielen aber auch die Jüngsten satt auf.

Eines der Bläser-Ensembles bilden Maximilian Liske, Willy Haag, Freya Mitsch und Niclas Gesekus mit ihren Trompeten. Auch sie probten vor dem Jury-Auftritt mit ihrem Lehrer Sebastian Socha. Damit die Nervosität nicht überhand nimmt, stellte Socha einen kleinen Glücksbringer in Form einer Elfe auf die Bühne. Übrigens: Modisch hatten die Jüngsten eigentlich schon gewonnen. Jeder der vier trägt etwas Rotes: Hemd, Schuhe, Kleid, Fliege oder Hosenträger. Jede Großmutter wäre bei dem Anblick in Verzückung geraten. Die vier spielen unter anderem Stücke von Georg Friedrich Händel.

„Der Bevölkerungsschwund macht sich bei uns nicht bemerkbar“, sagt Falk Kindermann. Er kann in seiner Musikschule steigende Schülerzahlen verzeichnen. Darunter Erwachsene, auch Senioren jenseits der 70.

Dass Musikunterricht nur von der Oberschicht wahrgenommen wird, kann Kindermann übrigens nicht bestätigen: „Das stimmt einfach nicht.“ Zum einem gebe es für Kinder finanziell schwächerer Elternhäuser besondere Angebote und zum anderen werde mit dem Musikformat „music is everywhere“ kostenfreier Unterricht angeboten. „Musik verbindet“, so Kindermann, egal aus welcher Schicht ein Kind auch kommen mag. Für den Salzwedeler Musikschulchef ist das eine gesellschaftliche Aufgabe, die es zu erfüllen gilt. „Musikunterricht dient der Persönlichkeitsentwicklung“, ist er sich sicher. Nicht jeder müsse ein Virtuose seines Instruments werden, die Freude an der Musik stehe im Vordergrund.

„Ich bitte Sie Ihre Handys auf stumm zu stellen, keine Videos oder Fotos zu machen und nicht zwischen den Liedern zu applaudieren“, sagt Jury-Mitglied Monica Herrmann und moderiert die nächste Wertung an. Nun sind die Blasinstrumente an der Reihe. Sebastian Socha wirkt nochmal beruhigend auf seine jungen Schützlinge ein. Dann ist es wieder kurzzeitig ganz still. Nun sind Henri Schmidt, Magnus Nitz, Benedikt Lawson und Jonathan David (Bild unten links)an der Reihe. Gekonnt spielen sie ihr eingeübtes Repertoire. Zur Freude aller gehört auch „Hey Pipi Langstrumpf“ von Jan Johannson dazu. Kindheitserinnerungen werden unter den Gästen wach.

Präludium C-Dur von Johann Sebastian Bach hallt aus dem Kaminzimmer der Musikschule. Dort sitzt gerade Lennard Rauberg am Klavier und probt unter den Ohren von Maike Schymalla. „Nicht zu tief“, rät seine Musiklehrerin. Auch er bereitet sich gerade auf die Wertung vor. Die Augen wenden sich vom Notenbuch nicht mehr ab, die Finger gleiten über die Tasten. Im Hintergrund blicken die Altmeister Bach, Hayden und Beethoven aus den Bilderrahmen über die Schulter des Jungen. Kein Ton wird dem Zufall überlassen. Zwei Etagen tiefer lassen sich die Besucher derweil von den seichten Tönen der Blockflöten von Finja Günther, Hanna Mathilda Bergmann und Theresa David verzaubern.

„Der Sonnabend ist für uns der stressigste Tag“, sagt Falk Kindermann. Vom morgens bis abends sind die Dozenten und Jurymitglieder hochkonzentriert. Am Sonntag ist es etwas ruhiger. Wobei, ruhig ist der falsche Begriff. „Dann spielen die Schlagzeuger und Gitarristen“, so der Musikschulchef.