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Ohne Krankenschein Ärztliche Hilfe kostenlos

Die beteiligten Ärzte und Unterstützer der „Praxis ohne Krankenschein“ haben ihr Konzept umgestellt.

Von Björn Vogt 20.10.2015, 01:00

Salzwedel/Lüchow l Bei weitem nicht jeder Mensch in der Altmark oder im Wendland ist krankenversichert. Und wer dann noch über wenig oder kein Geld verfügt, für den wird es eng mit medizinischer Versorgung.

Aber auch diejenigen Menschen, die etwa ohne gültige Aufenthaltspapiere in der Region leben, müssen nicht leiden oder gar sterben, bloß weil sie keine Krankenversicherung haben. In der „Praxis ohne Krankenschein“ (PoK) im benachbarten Wendland können sie sich kostenlos und anonym behandeln lassen.

Seit fast zwei Jahren gibt es die Praxis ohne Krankenschein, die jeden behandelt, ohne Geld oder persönliche Daten zu verlangen. Doch das zentrale Konzept von PoK – die räumliche und zeitliche Begrenzung auf eine Sprechstunde im Lüchower Mehrgenerationenhaus „Allerlüd“ einmal pro Woche – schien nicht so recht aufzugehen. „Wir hatten viel weniger Behandlungen als im ersten Jahr unseres Bestehens“, berichtet der Initiator von PoK, der Lüchower Facharzt für Allgemeinmedizin Karl-Heinz Pralle.

Deswegen haben sich die Organisatoren entschieden, das PoK-Konzept komplett umzustellen. Ab sofort können sich in der Region Lüchow-Dannenberg und darüber hinaus Kranke ohne Krankenversicherung und zum Beispiel auch ohne gültige Aufenthaltspapiere bei bestimmten Ärzten kostenlos medizinisch behandeln lassen – während der ganz normalen Sprechzeiten. Das bedeutet, dass die unversicherten Patienten in den jeweiligen Praxisräumen – wie Patienten auch – empfangen werden. „Und wir behandeln auch weiterhin anonym und melden niemanden weiter – garantiert!“, beteuert Karl-Heinz Pralle.

Das neue Angebot wird über den gesamten Landkreis Lüchow-Dannenberg verteilt und zu den jeweils normalen Öffnungszeiten der Praxen angeboten. Vier Praxen beteiligen sich, und drei Apotheken (siehe Info-Kasten. Die Ärzte können auch zu bestimmten Facharztpraxen weitervermitteln und auch zu bestimmten Physiotherapien.

Wie die ehrenamtlichen Unterstützer der Awo Lüchow-Dannenberg berichten, gibt es eine Liste mit Dolmetschern, die die nicht deutschsprachigen Patienten auf Wunsch zu den Ärzten begleiten.

Die ehrenamtlich bei PoK mitarbeitende Krankenschwester Petra Jablonski unterstützt und begleitet die Kranken auch bei Behördengängen. Auch eine kostenlose Sozialberatung zu den regulären Sprechzeiten der AWO ist möglich.

Außerdem hat sich eine Laborgemeinschaft in Geesthacht bereit erklärt, einfache Analysen, etwa von Blut, nach Absprache zu übernehmen. Wichtig ist den Medizinern zu betonen, das immer eine anonyme und kostenlose Behandlung gewährleistet ist und das keine Daten, an wen auch immer, weitergegeben werden.

In Deutschland besitzt etwa ein Prozent der Bevölkerung keinen Krankenversicherungsschutz. Karl-Heinz Pralle: „Das heißt, dass eines der reichsten Länder der Welt es sich „leistet“, 800  000 Menschen von einer medizinischen Versorgung auszuschließen, sofern sie diese nicht selbst bezahlen können.“

Die Betroffenen sind unter anderem in Insolvenz geratene Selbständige, die sich die Kosten ihrer privaten Krankenversicherung nicht mehr leisten können oder (Arbeits)immigranten, die von ihren Arbeitgebern nicht gemeldet wurden. Allen bedürftigen Menschen unabhängig von Nationalität, Religion, Alter und Geschlecht werden in der Praxis medizinische Hilfe und auf Wunsch eine fachkundige Sozialberatung angeboten, berichten die Organisatoren.