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Politik-Diskussion Waffen und die neue Arbeitswelt

"Auf ein Wort mit Sigmar Gabriel" - die Gelegenheit nutzten mehr als 160 Altmärker in Winterfeld.

Von Uta Elste 22.11.2018, 11:36

Winterfeld l „Wir müssen die Partei von unten nach oben aufbauen“: Das forderte Sigmar Gabriel noch als Bundesaußenminister beim SPD-Landesparteitag im Januar in Wernigerode. Inzwischen ist der Goslarer Ex-Bundesaußenminister und in Sachsen-Anhalt an der Basis unterwegs. Aufbauarbeit in Sachsen-Anhalt auch deshalb, weil das Bundesland auf dem Weg nach Berlin liege und Ehefrau Anke aus Sandersleben im Landkreis Mansfeld-Südharz kommt, so der bekennende „Beute-Ossi“ Gabriel.

Gast und Gastgeber vom SPD-Ortsverein Beetzendorf hielten sich nicht lange bei der Vorrede auf. Kurze Begrüßung und die Ankündigung, dass Gabriel in einigen Monaten erneut in die Altmark kommen wird. Dann war Zeit für Fragen, die der Polit-Profi umfassend, druckreif und volkstümlich zugleich beantwortete.

Er erachte die damalige Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe für völlig richtig, so Gabriel. Allerdings gebe es Fehler im System. Erhöhungen des Kindergeldes etwa würden bei Hartz-IV-Empfängern nicht wirksam. Sogenannte Aufstocker sollen mehr Geld behalten dürfen. Es müsse auch weiter Sanktionsmöglichkeiten geben, wenn angebotene Stellen abgelehnt werden. Gabriel plädierte für eine Reform des System, jedoch nicht für seine Abschaffung.

 Warum sollte man einem Diktator Waffen liefern? Weil andere Länder ein Interesse daran haben, mit eben diesen Waffen vor terroristischen Aktivitäten geschützt zu werden. Gabriel warnte vor dem Glauben, dass keine Waffenlieferungen automatisch Sicherheit bedeuten und machte den Gewissenskonflikt deutlich: „Man kann sich immer schuldig machen, wenn man Waffen liefert oder auch nicht.“ Die Welt bestehe aus vielen Fleischfressern, man müsse aufpassen, nicht der letzte Vegetarier zu sein.

Die Arbeitslosenquote liege unter fünf Prozent, und nicht alle Jobs seien schlecht bezahlt. Gabriel sprach sich jedoch für eine Mindestrente, eine Erhöhung des Mindestlohns sowie für Freibeträge für Familien mit Kindern in der Sozialversicherung aus. Der Staat müsse die Allgemeinverträglichkeit von Tarifverträgen erleichtern.

Sind 709 Bundestagsabgeordnete zu viel für eine Bevölkerung von 80 Millionen? Halb so viele Politiker würden die Arbeit im Bundestag vielleicht effizienter machen, dachte Gabriel laut nach. Aber die Menschen sollten sich dann auch nicht beklagen, wenn die Wahlkreise so groß werden, dass die Abgeordneten aufgrund der Distanzen nicht mehr vor Ort sein können. „Weniger als 600 sollten es nicht sein.“

Deutschland - Land der Regeln: Für wie viele Menschen gibt es ein Finanzamt oder ein Amtsgericht? Wie viele Babys müssen geboren werden, um die Existenz des Krankenhauses zu rechtfertigen? Man könne nicht 20 Prozent der Gemeinden ohne die entsprechende Infrastruktur lassen, so Gabriel. Die Menschen fühlen sich vergessen. Sie hinterfragen sehr wohl, wenn kein Geld für Schulen und Renten, wohl aber für Bankenrettung vorhanden ist. Gabriel mahnte, die Sorgen der Menschen im Zusammenhang mit der Zuwanderung ernst zu nehmen. Er erinnerte jedoch auch daran, dass hierzulande viele Dienstleistungen durch Zuwanderer aus Osteuropa erbracht werden.

Gabriel forderte Gigabit-Netze vor allem für Gewerbegebiete, Schulen und Universitäten, nicht nur in Städten, sondern auch in ländlichen Gebieten. Doch Netze als solches sind aus Sicht des SPD-Politikers lösbare Probleme. Viel mehr bewegen ihn die Änderungen der Arbeitswelt, weg von einem System, das sich von Erwerbsarbeit in Betrieben hin zu Tätigkeiten auf Plattformen verlagert. „Wie organisieren wir dann Dinge wie Rente und Arbeitsschutz?“

Ist es gerecht, wenn ein Empfänger einer 5000-Euro-Rente die gleiche Steigerung erhält wie jemand, der 700 Euro Rente bezieht? Sigmar Gabriel entgegnete, dass jemand, der 5000 Euro Rente bezieht, meist nicht gesetzlich rentenversichert war. Grundsätzlich seien die Renten an die Lohnentwicklung gekoppelt, seien aber in der Finanzkrise im Gegensatz zu den Löhnen nicht gesunken. Es helfe auch nicht, die Zahl der Einzahler zu erhöhen, denn dann steige automatisch auch die Zahl der Anspruchsberechtigten.

Für ein gesetzlich verankertes Pflichtjahr sieht Sigmar Gabriel keine Mehrheiten. Vielmehr plädierte er dafür, Absolventen freiwilliger sozialer Jahre besser zu bezahlen. Dann könnten auch die Interessenten ein solches Jahr in Erwägung ziehen, deren Eltern sie in dieser Zeit nicht zusätzlich finanziell unterstützen müssen.