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Politiker Menschen nicht nach dem Mund reden

Das 72. Männerfrühstück in Salzwedel hatte diesmal einen politischen Hintergrund.

Von Arno Zähringer 09.04.2018, 12:00

Salzwedel l Wenn Jörg Bieber zum Männerfrühstück – diesmal bereits zum 72. – einlädt, erwartet die Besucher ein interessantes Programm. Doch immer wieder gelingt es ihm, bei der Auswahl der Gäste ein besonderes Händchen zu haben. Denn Gastredner Rolf Wernstedt plauderte mehr als eine Stunde aus dem Nähkästchen eines Profipolitikers.

Wenngleich sich der 1940 geborene und in Tangeln aufgewachsene Wernstedt aus dem aktiven Geschehen zurückgezogen hat, so hatte der ehemalige Kultusminister und Landtagspräsident in Hannover einiges aus der Rubrik „Die da oben ..., oder: „Bericht aus einem politischen Leben“ zu erzählen.

Normalerweise beginne er seinen Vortrag mit „Meine Damen und Herren, aber das geht ja heute nicht“, sagt Wernstedt zum Auftakt. In Beetzendorf legte der SPD-Politiker sein Abitur ab, doch ein Studium wurde ihm nicht erlaubt, vielmehr sollte er eine Karriere in der Nationalen Volksarmee absolvieren. Deshalb verließ er im selben Jahr die DDR und legte 1959 in Korntal bei Stuttgart die Sonderreifeprüfung für DDR-Flüchtlinge ab. Dies sei nicht aus ideologischen, sondern vielmehr aus Freiheitsgründen geschehen, weil er sein Leben selbst bestimmen wollte. Die Politik war nicht „unbedingt mein Ziel“, doch zu der Entscheidung, der SPD beizutreten, habe zu einem großen Teil Willy Brandt beigetragen. Denn Wernstedt war ein „glühender Verehrer“ dessen Ostpolitik.

Mit Blick auf die da oben, sagte Wernstedt, Politiker sollten vor allem dann, wenn Macht ins Spiel komme, „bescheiden und nicht überheblich sein“. Besonders wichtig sei, dass man wissen muss, warum Entscheidungen so und nicht anders getroffen werden. „Ehrlichkeit, auch sich selbst gegenüber, ist notwendig.“ Auch sollten Ämter nicht dazu benutzt werden, um anderen einen Gefallen zu tun. Beispielsweise bei der Besetzung von Stellen. Zudem sei es Unsinn, den Menschen nach dem Mund zu reden oder schnell zu urteilen. Vielmehr sei die Demokratie so angelegt, dass Politiker zuerst einmal allen zuhören müssen, um nicht alles gleich als Kritik zu empfinden. Wernstedt machte aber auch deutlich, dass die Anforderungen an Politiker sehr breit seien und das Familienleben darunter leide. Trotzdem trat seine Tochter Thela 2013 zur Wahl in den niedersächsischen Landtag an und gewann den Wahlkreis, der zuvor von ihrem Vater betreut wurde.

Beim Männerfrühstück berichtete Holger Lingstädt von seiner Wanderung auf dem Jakobsweg und schilderte die Erfahrungen die er damit gemacht hatte. „Man lernt Leute kennen, sieht tolle Landschaften, kommt dabei aber auch dem Glauben näher“, sagte er.

Das nächste Männerfrühstück finden am 9. Juni in Rohrberg statt.