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Prozess Tödlicher Unfall in Salzwedel vor Gericht

Wegen fahrlässiger Tötung stand am Freitag ein 26-Jähriger aus dem Raum Tangerhütte vor dem Salzwedeler Amtsgericht.

Von Antje Mewes 29.08.2020, 02:00

Salzwedel l Es geht um ein tragisches Ereignis, bei dem ein 50-Jähriger Salzwedeler sein Leben verlor und es geht darum, wie das geschehen konnte. Dies zu ergründen, war am Freitagvormittag die Aufgabe des Salzwedeler Amtsgerichtes unter Vorsitz von Richter Klaus Hüttermann. Angeklagt ist ein Familienvater, der am 21. Dezember 2018 aus der Ausfahrt eines Autohauses vor dem Lüchower Tor auf die Straße fahren wollte und dabei mit seinem Transporter einen Mann erfasste, der dort mit dem Rad unterwegs war. Sichtlich mitgenommen und mit gesenktem Kopf verfolgte der 26-Jährige das Verlesen der Anklageschrift, in der die Staatsanwältin ihm vorwarf, dass er, bei Beachtung der Sorgfaltspflicht, die tödliche Kollision hätte vermeiden können.

Als der Richter ihn fragte, ob er aussagen wolle, brachen die Dämme. Unter Tränen und von Schluchzern unterbrochen erzählte er, wie er den Unfall erlebt hat. Demnach hatte er bei der Firma eine Lieferung ausgeladen. Langsam sei er vorwärts aus der Ausfahrt in Richtung Straße gefahren. „Ich bin Stück für Stück vorgerollt“, sagte er. Dann habe er plötzlich ein Poltern gehört und sofort gebremst. Als er ausgestiegen sei, habe er den verletzten Radfahrer unter dem Auto vorgefunden.

Die Frage des Richters, ob er in Eile gewesen sei, verneinte er. „Es war meine letzte Fahrt bis zum Jahresende“, erzählte der junge Mann. Er habe seinen kleinen Hund mitgehabt, der im Fußraum auf der Beifahrerseite angebunden gewesen sei. „Der hat keinen Blödsinn gemacht“, antwortete er auf eine Frage des Richters. Er sei nicht abgelenkt gewesen und habe den Radfahrer trotzdem nicht gesehen, auch keinen Aufprall auf das Fahrzeug bemerkt.

Ersthelfer waren hinzugeeilt, von der gegenüberliegenden Apotheke wurden die Rettungskräfte gerufen. Als sie und Polizei vor Ort waren, wurde der Radfahrer unter dem Auto hervorgezogen, nachdem es mit Hilfe eines Wagenhebers angehoben worden war. Doch die Hilfe kam zu spät, er erlag später seinen schweren Verletzungen im Krankenhaus. Für seine Mutter, die im Prozess als Nebenklägerin auftritt, waren die Schilderungen nur schwer zu ertragen. Tapfer verfolgte sie an der Seite ihres Rechtsbeistandes die Verhandlung.

Bei der Vernehmung der Zeugen wurde deutlich, dass keiner den Unfallhergang gesehen hat. Da die Ausfahrt mit zwei Torpfeilern versehen sei, und aufgrund von parkenden Autos, sei der Bereich schlecht einzusehen, schätzte der Richter ein. Die entscheidende Frage war: Wie konnte es passieren, dass der Getötete unter das Auto geriet? Dabei spielte das Fahrrad eine große Rolle. Wie zwei Zeugen übereinstimmend aussagten, habe es auf der rechten Seite des Transporters gelegen. Um besser an den Verletzten zu gelangen, hatten es Ersthelfer an einen Zaun gestellt, so dass die Polizisten seine Lage bei der Unfallaufnahme nicht mehr dokumentieren konnten.

Für den im Prozess gehörten Gutachter, der bislang davon ausgegangen war, dass das Rad direkt vor dem Auto gelegen hat, erschloss sich daraus, dass der Radler auf dem Gehweg von rechts gekommen sein muss – also auf der linken Seite der Straße. Vermutlich habe er scharf gebremst, als er den Transporter gesehen habe, sei vor die Front geschleudert und überrollt worden. Das ergebe sich auch aus dem Schmutz am Fahrrad, das nahezu unbeschädigt sei, genau wie das Auto, an dem sich nur wenige Wischspuren auf der rechten vorderen Seite befunden hätten. Der Anwalt der Nebenklage wies darauf hin, dass das vordere Nummernschild beschädigt war. Dies sei wahrscheinlich beim Überfahren des Mannes geschehen, erklärte der Gutachter.

Ein weiterer Knackpunkt war die Geschwindigkeit, mit der der Fahrer die Auffahrt verlassen hatte. Fotoaufnahmen der Polizei zeigen, dass das Auto mit der Motorhaube über die Bordsteinkante auf die Fahrbahn ragte. Maximal elf Stundenkilometer waren errechnet worden. Dies kann eindeutig allerdings nicht mehr nachvollzogen werden. Er könnte auch langsamer gewesen sein.

Aufgrund der Faktenlage regte der Richter eine Einstellung des Verfahrens an. Darüber soll in der nächsten Verhandlung entschieden werden. Zuvor kam die Nebenklägerin zu Wort. Als sie schilderte, dass sie krank und körperlich hinfällig sei, rollten erneut auf beiden Seiten die Tränen, der Angeklagte verbarg sein Gesicht in den Händen. „Mein Sohn hat alles für mich gemacht und mich versorgt, ich vermisse ihn jeden Tag“, sagte sie.