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Schlafstörungen Hellwach durch die Nacht

Ein stressiger Arbeitstag, ein kurzer Schichtwechsel: Es gibt vielfältige Faktoren, die zu Schlafproblemen führen - auch im Altmarkkreis.

Von Alexander Rekow 23.12.2019, 03:00

Salzwedel l Die Nacht zu kurz, die Laune im Keller: Schlafprobleme gehören nicht gerade zu den Themen, die am Mittagstisch unter Kollegen besprochen werden – und doch sind sie existent. Denn wie aus dem Gesundheitsreport einer Krankenkasse hervorgeht, leiden im Altmarkkreis Salzwedel 22 von 100 Erwerbstätigen unter ärztlich attestierten Ein- und Durchschlafstörungen. Das sind unterm Strich mehr als 700 Frauen und Männer.

„Die Dunkelziffer dürfte beträchtlich höher liegen“, sagt Dirk Danckert, Regionalgeschäftsführer der Barmer in Salzwedel. Nicht einmal jeder Zweite würde damit überhaupt einen Arzt konsultieren. Dabei handelt es sich um ein ernsthaftes Problem. „Anhaltender Schlafmangel macht krank. Das kann das Familienleben erheblich beeinträchtigen und genauso die Berufswelt“, weiß Christopher Kissmann von der Landespressestelle Sachsen-Anhalt der Barmer. Wer nicht ausgeruht sei, könne sich schlechter konzentrieren. Dies wirke sich auch auf die Fehlerquote am Arbeitsplatz aus, so Kissmann. Im schlimmsten Fall werde der Schlafmangel zu einem ernsthaften Sicherheitsrisiko. Beispielsweise im Transportgewerbe. Auch anderswo könne ein falscher Handgriff ernsthafte Konsequenzen nach sich ziehen.

Betrachtet man die nackten Zahlen, schlafen die Westaltmärker besser als die Menschen in den Nachbarregionen. Denn im Landkreis Stendal leiden 27,1 von 100 Erwerbstätigen unter Schlafstörungen, in der Börde sogar 30,4. Besser durch die Nacht kommt man offensichtlich in Mansfeld-Südharz mit 20,2. Im Endeffekt steht der Altmarkkreis bei der Problematik relativ gut da. Denn in Sachsen-Anhalt finden durchschnittlich 27,3 von 100 schlecht in den Schlaf.

Doch wie wirkt sich Schlafmangel auf die Krankheitstage aus? „Beschäftigte mit Diagnosen von Ein- und Durchschlafproblemen waren im Jahr 2017 durchschnittlich 56 Tage arbeitsunfähig“, weiß Kissmann. Das seien 36 Tage mehr als bei den ausgeschlafenen Kollegen. „Dabei führt insbesondere die Kombination von Schlafstörungen und einer psychologischen Grunderkrankung zu einer signifikanten Erhöhung der Fehltage“, ergänzt Danckert. Frauen seien übrigens häufiger davon betroffen.

Doch woran liegt das? Warum diese Schlafstörungen? Der Schlafmediziner Steffen Schädlich, Leitender Oberarzt im Martha-Maria-Krankenhaus in Halle, hat eine Erklärung: „Unsere Gesellschaft ist auf Optimierung und Maximierung ausgelegt.“ Alles müsse schneller, besser und billiger werden, der Leistungsdruck wachse. Doch eben dies führe zu fatalen Fehlentwicklungen, so der Mediziner: „Wir schlafen immer kürzer. Wir gehen immer später ins Bett. Wir ignorieren immer mehr die Taktgeber der Natur.“ Stattdessen würden sich die Menschen immer mehr akustischen und visuellen Reizen aussetzen. „Das ist daran zu beobachten, dass die Menschen vor dem Schlaf noch immer auf ihr Smartphone schauen“, so Dirk Danckert. Noch schnell eine Mail beantworten, die Urlaubsfotos auf Facebook posten, eine Nachricht bei Twitter teilen. Und genau dies führe zu Schlafdefiziten, erklärt Steffen Schädlich. Müdigkeit und Schläfrigkeit am Tag seien die Folgen.

Natürlich, jeder habe schon einmal die Nacht wach gelegen und sei nicht in den Schlaf gekommen. Das sei aber noch keine Krankheit. „Wenn aber diesen Beschwerden keine Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann es zu chronischen und dann auch schwer behandelbaren Erkrankungen führen“, wird der Schlafmediziner deutlich. Sein Rat: Die Hausärzte sollten diesen Klagen mehr Beachtung schenken, anstatt Schlaftabletten zu verschreiben.

Praktische Tipps hat Dirk Danckert. Ganz wichtig sei, am Abend vom Alltag abzuschalten. Ein Buch lesen, eine Tasse Tee trinken, beruhigende Musik hören. „Der Schlafprozess sollte acht Stunden dauern“, so Danckert. Von den acht Stunden sollten sieben geschlafen werden, die verbleibende Stunde diene dem Herunterkommen vor dem eigentlichen Schlaf. Daher eine Stunde mehr einplanen und entspannt in die Nacht. „Wir müssen endlich begreifen, dass der Schlaf genauso wichtig ist wie Essen und Trinken“, mahnt der Schlafmediziner.

Besonders von Schlafstörungen betroffen sind Menschen im Schichtdienst. Denn dann gerät häufig der natürliche Schlaf-Wach-Rhythmus außer Kontrolle. Davon sind gerade Bus- und Straßenbahnfahrer betroffen. Wenn andere schlafen, schlägt die Stunde der Schichtarbeiter. Dafür müssen sie ins Bett, wenn andere den Sommerabend genießen. Ein Problem für den Körper. Und genau damit geht das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen einher. „Umso wichtiger ist es, dass Arbeitgeber rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen, um die Gesundheit der Beschäftigten zu fördern“, rät Dirk Danckert.