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Schließung In Salzwedel hilft nur noch Galgenhumor

Mitte des nächsten Jahres schließt die Kerzenfabrik in Salzwedel. Die Mitarbeiter stehen vor einer ungewissen Zukunft.

Von Antonius Wollmann 23.12.2017, 02:00

Salzwedel l Es mag zwar etwas zynisch klingen, aber wenigstens der Termin der Schließung steht jetzt fest. Am 31. Mai 2018 wird die Salzwedeler Kerzenfabrik Geschichte sein. Das ist momentan die einzige Gewissheit für die 38 Mitarbeiter. Ihre berufliche Zukunft hingegen steht in den Sternen. Ob sie schon bald eine andere Stelle finden, ist nicht abzusehen.

„Das Durchschnittsalter der Belegschaft liegt bei weit über 50 Jahren. Besonders für jene, die kurz vor der Rente stehen, wird es sehr schwer“, fasst Betriebsratsmitglied Peter Schade die Situation zusammen. Zumal in der Region Arbeitgeber mit einem ähnlichen Profil rar gesät seien.

Entsprechend gedrückt sei derzeit die Stimmung im Werk an der Fuchsberger Straße 1. „Mittlerweile flüchten sich die meisten in Galgenhumor“, beschreibt Schade die Strategie der Angestellten, um mit der Situation umzugehen. „Wir haben uns irgendwie damit abgefunden, dass es nicht mehr weitergeht“, ergänzt Enrico Wickert, der ebenfalls Mitglied im Betriebsrat ist.

Zum 31. Dezember werden die ersten beiden Kollegen das Unternehmen verlassen. Zum 28. Februar 2018 endet für viele weitere die Zeit in der Fabrik, ehe Ende Mai auch für den Rest der Belegschaft endgültig Schluss ist.

Dabei blicken die Mitarbeiter auf ein Wechselbad der Gefühle zurück. Nachdem im Frühjahr erste Gerüchte aufkamen, dass das Werk keine Zukunft mehr habe, hatte sich Wickert zur Geschäftsführung zum Stammsitz der Vollmar Produktions GmbH nach Frechen in Nordrhein-Westfalen begeben. „Von einer Schließung war zu diesem Zeitpunkt noch keine Rede. Damals hieß es, dass die Fabrik bleibt, aber die Belegschaft um 50 Prozent reduziert wird.“

Doch davon wollte die Geschäftsführung nur wenige Monate später nichts mehr wissen. Am 14. September wur-de dem Betriebsrat das Ende der Kerzenfabrik eröffnet. Die Begründung: Kunden seien abgesprungen und die Rohstoffpreise gestiegen. „Die Geschäftsführung hat uns abgesprochen, rentabel zu arbeiten“, erzählt Enrico Wickert nicht ohne Verbitterung in der Stimme.

Denn er vermutet, dass vor allem ein Motiv hinter der Entscheidung steckt: Die Produktion soll nach Polen verlagert werden, um Lohnkosten einzusparen. Dort hat das Unternehmen ebenfalls ein Werk. Nur liegt der Mindestlohn dort bei 2,65 Euro. „Dagegen können wir natürlich nicht konkurrieren“, sagt Enrico Wickert resignierend.

Um die Folgen für die Mitarbeiter so gut wie möglich zu mildern, verhandelte der Betriebsrat mit der Geschäftsführung über einen Sozialplan. Die Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE), der viele der Kerzenfabrik-Leute angehören und die mit in die Verhandlungen eingebunden war, schätzt die Abmachung als für die Region angemessen an. Beide Seiten konnten sich über eine Abfindung für die Angestellten einigen.

Wer mit den Mitgliedern der Arbeitnehmervetretung spricht, die mit am Verhandlungstisch saßen, erfährt, dass die Abmachung eine Menge Kraft kostete. Es seien zähe Verhandlungen gewesen, berichtet Peter Schade. „Die Geschäftsführung hat nicht besonders viel Entgegenkommen gezeigt“, ergänzt Enrico Wickert. Nach drei Monaten habe man schließlich doch eine Übereinkunft erzielt.

Allzu viel Interesse am Salzwedeler Standort haben die Verantwortlichen des Unternehmens offenbar nicht mehr. Die Kantine wurde bereits geschlossen und der Kaffeeautomat abgebaut. Soll ja bloß keiner vergessen, dass es bald vorbei ist.