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Stolpersteine Rundgang gegen das Vergessen

In Salzwedel haben etwa 60 Menschen der Opfer der Reichspogromnacht gedacht. Das Verwaltungsgericht kippte Verbot des Altmarkkreises.

Von Tobias Hofbauer 10.11.2020, 17:00

Salzwedel l Die Dämmerung setzt bereits ein, als sich das Aktionsbündnis am Montag, 9. November, auf dem Salzwedeler Rathausturmplatz trifft, um am Stolpersteinrundgang teilzunehmen. Nun fehlen nur noch wenige Vorbereitungen, bis die Veranstaltung planmäßig stattfindet. Auf dem Platz versammeln sich bereits Menschen jeden Alters und skandieren gegen Faschismus und Antisemitismus und halten dabei Transparente in die Höhe.

„Wir sind heilfroh, dass das Verwaltungsgericht Magdeburg doch noch entschieden hat, dass die Versammlung stattfinden darf“, sagt Alf Brandt, eines der Mitglieder des Bündnisses. Hintergrund: Der Altmarkkreis als Versammlungsbehörde hatte am Freitag mit Verweis auf die Corona-Richtlinien ein Verbot erwirkt. „Und das, obwohl wir die notwendigen Schutzmaßnahmen und Auflagen bereits geplant haben. Dazu gehören Abstandsregelungen, Mundnasenschutz und eine begrenzte Teilnehmerzahl, damit der Rundgang stattfinden kann“, erklärt das Aktionsbündnis. Es sei daher die unverzichtbare gesellschaftliche Aufgabe und historische Pflicht gewesen, dagegen vorzugehen.

Dann tritt eine Sprecherin der Gruppe an das Mikrofon und erzählt von den Ungerechtigkeiten, die Juden damals, aber auch heute noch erfahren. Der rechte Mob lege immer wieder kleine Feuerchen, die aber als Einzelfälle abgetan würden. „Es wird nicht einen lauten Knall geben und wir wachen im Faschismus auf“, mahnt sie. Damit das nicht passiere, müsse man jeden Tag gedenken und erinnern. „Gegen die Wiederholung der Geschichte“, sagt die Aktivistin.

Der Rundgang beginnt, und die Gruppe läuft die Neuperverstraße in Richtung des Neuperver Tores entlang – immer begleitet von der Polizei und Ordnern sowie einer Frau der Versammlungsbehörde. Zusammen achten sie darauf, dass die Auflagen wirklich eingehalten werden. Die Eskorte sorgt auch dafür, dass in der Zeit des Rundgangs keine Autos die Strecke passieren, sodass die Gruppe ungestört bleibt.

Am Stolperstein angekommen, legen Mitglieder des Aktionsbündnisses Blumen und Kerzen ab und erleuchten die Stolpersteine, die Namen verfolgter jüdischer Familien tragen. Andächtig folgt ein Moment der Stille, an dem die Gruppe in einem Halbkreis um die Stolpersteine innehält und der Opfer gedenkt. Auf dem Weg zum zweiten Stolperstein ist es bereits stockfinster geworden, nur noch die Straßenbeleuchtung und Kerzen vor mehreren Geschäften erhellen den Weg. „Die Stimmung war angenehm und würdig“, sagt Alf Brandt. Auch wenn es immer umstritten sei, Geschichte mahnend zu erwähnen. So habe sich gezeigt, dass die Veranstaltung gut angenommen werde.

Rund 60 Menschen haben sich der Versammlung angeschlossen. „Ich war doch etwas überrascht, dass so viele gekommen sind bei einem Vorlauf von nur eineinhalb Stunden.“ Erst dann war bekannt geworden, dass der Rundgang stattfinden dürfe, berichtet Brandt.