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Teilzeitjobs „Alarmsignal an die Politik“

Gewerkschafter beklagen eine Zunahme der Teilzeit- und Leiharbeit im Altmarkkreis. Die Agentur für Arbeit sieht das differenzierter.

Von Uta Elste 01.08.2017, 03:00

Salzwedel l Etwa 11.700 Menschen arbeiten im Altmarkkreis Salzwedel Teilzeit, sind Leiharbeiter oder haben einen Minijob. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) spricht von einem Anstieg der sogenannten atypischen Beschäftigungen im vergangenen Jahr auf einen Rekordwert von 38 Prozent und beruft sich dabei auf eine Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Dieser Studie zufolge lag die Quote dieser Beschäftigungsverhältnisse im Jahr 2003 noch bei 25 Prozent.
Diese Daten sind für Elke Bobles, Vorsitzende des IG BAU-Bezirkes Altmark-Börde-Harz ein „Alarmsignal an die Politik“. „Es kann nicht sein, dass wir einerseits einen wirtschaftlichen Aufschwung erleben, aber andererseits so viele Menschen in prekären Verhältnissen arbeiten“, sagt Bobles. Hier sei „grundsätzlich etwas in Schieflage geraten“. Der unbefristete Vollzeit-Job müsse dringend wieder zum Normalfall werden.
2003 arbeiteten der Böckler-Stiftung zufolge 4200 Menschen in Teilzeit-Jobs, 2016 waren es 7500. Als Ausweg aus der „Teilzeit-Falle“ fordert Elke Bobles ein verbrieftes Rückkehrrecht in Vollzeitjobs. Rückläufig ist die Zahl der Minijobs, die seit 2003 von 4100 auf 3400 sank – aus Sicht der IG BAU kein Grund für Entwarnung.
Mit Blick auf die Bundestagswahl im September fordert die Gewerkschaft, Befristungen ohne sachlichen Grund abzuschaffen und Minijobs in die Sozialversicherung einzubeziehen. Gegen die „Unwucht am Arbeitsmarkt“ müssten die Parteien klare Konzepte vorlegen.
Wichtig sei bei der Problematik eine differenzierte Betrachtungsweise, erklärt Markus Nitsch, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Stendal. Lange Zeit seien in der öffentlichen Diskussion mehr Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit gefordert worden, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Alle Beschäftigungsverhältnisse, in denen die Arbeitnehmer Teilzeit aus eigener Entscheidung in Anspruch nehmen, seien deshalb grundsätzlich zu begrüßen. Nitsch: „Sie tragen dazu bei, dass die Beschäftigung in Deutschland Rekordwerte erreicht.“ Für die Rentenhöhe sei freiwillige Teilzeit für einen begrenzten Zeitraum jedenfalls besser als unfreiwillige Erwerbslosigkeit, weil sich der Beruf in Vollzeit mit der Kinderbetreuung oder der Pflege von Angehörigen nur schwer vereinbaren lässt.
Kritisch zu betrachten ist Teilzeitarbeit aus Sicht des Agenturchefs also nur, wenn die Arbeitnehmer gern mehr Stunden arbeiten würden, dies aber nicht vom Arbeitgeber zugestanden bekommen.
Da die Arbeitslosigkeit aber weiter sinke und die Zahl der offenen Stellen wachse, würden auch die Chancen der unfreiwilligen Teilzeitarbeitarbeitnehmer steigen, mit einem Jobwechsel ihre Stundenzahl zu erhöhen.
„Ein Mini-Job ist gerade nach einer längeren Zeit der Krankheit oder Arbeitslosigkeit eine gute Möglichkeit, sich an die Anforderungen des aktuellen Arbeitsmarktes zu gewöhnen“, schätzt Nitsch ein. Auch dabei gelte, dass zwischen freiwilligen und unfreiwilligen Mini-Jobbern zu unterscheiden ist. Insgesamt habe sich die Zahl der ausschließlichen Mini-Jobber in den vergangenen Jahren verringert, nicht erhöht. „Der Arbeitsmarkt im Altmarkkreis ist deutlich aufnahmefähiger als in der Vergangenheit und bietet auch Mini-Jobbern neue Chancen“, erklärt der Agenturchef.