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Theater Die Ängste der Zurückgelassenen

Ein Schattentheater mit dem Thema Flucht ist in Salzwedel aufgeführt worden. Die Gäste sind aus dem Wendland, Hamburg und Berlin gekommen.

Von Oliver Becker 02.01.2018, 12:53

Salzwedel l Seit dem 9. Dezember ist in dem ehemaligen Ladenlokal Burgstraße 38 die Ausstellung „Jenseits von Lampedusa – Willkommen in Kalabrien“ aufgebaut und zugänglich. Erstellt und präsentiert vom Bündnis Solidarisches Salzwedel. Es ist eine Ausstellung mit Fotos und informativen Texten zu dem Thema „Ankommen in Europa“. Begleitend zu dieser Ausstellung hatte das Bündnis bereits mehrere Veranstaltungen organisiert.

Am 29. Dezember wurde mit einer Theateraufführung zusätzlich für dieses Thema sensibilisiert. Gute Kontakte zu der Freien Bühne Wendland hatten die Veranstaltung ermöglicht. Da sich der Ausstellungsraum aufgrund der vielen Säulen weniger für eine Aufführung eignete, wurde diese kurzerhand in die Räume des Begegnungsortes „eXchange“ in die Altperverstraße 7 verlegt, begründete Organisatorin Lynne Kunz den Ortswechsel. Kaum ein Platz blieb an dem Abend unbesetzt.

Hausherr Peter Desoi machte vor der Veranstaltung eine Personeninventur, um so in Erfahrung zu bringen, woher die einzelnen Theaterbesucher denn kämen. Aus Salzwedel waren nur einige wenige Interessierte vor Ort. Der größte Teil kam aus dem Wendland, und einige Gäste waren auch aus Hamburg und Berlin angereist. Für Desoi etwas enttäuschend, dass die Bürger der altmärkischen Stadt so wenig Interesse an dieser Thematik aufbringen, empfand er.

Im Oktober dieses Jahres war die Idee zum Theaterstück entstanden. An vier Abenden wurden die Texte geschrieben, und nach sechs Proben war das Stück bühnenreif, informierte Regisseurin Uschel Pehlke. Am 16. Dezember erlebte es im interkulturellen Laden „ZuFlucht in Lüchow“ seine Premiere. In Syrien tobt seit Jahren ein Krieg. Viele Menschen sind geflohen, aber es sind auch nicht wenige geblieben. Es ist ihr Besitz, ihre Heimat. Uschel Pehlke hat den Ort der Handlung, ähnlich wie in einem Hitchkock-Krimi, auf ein Zimmer reduziert.

Der Inhalt der Aufführung ist keineswegs fiktional, sondern hat einen authentischen Hintergrund. Hunderte oder Tausende Male könnten sich die Szenen irgendwo in dem umkämpften arabischen Land abgespielt haben. Zwei Brüder, dargestellt von Wessam Ajini und Hamod Al Refai, hadern damit, ihr Elternhaus in der Stadt zu verlassen. Ihre Familie war bereits vier Wochen zuvor geflohen.

So kämpfen sie mit sich. Denn mit dem Verlassen ihres Unterschlupfes würden sie ihre Ehre, ihre Würde und auch die wenigen Quadratmeter ihrer persönlichen Freiheit verlieren.

Auf dem weißen Vorhang sind nur die Schatten der beiden Brüder zu sehen und ihre Stimmen zu hören. Mittels eines Folienprojektors wirft Uschel Pehlke Umrisse von Kriegsgeräten auf die Leinwand und verleiht dem Stück damit zusätzliche Aussagekraft. Es ist ein Schattenspiel und ein Spiel mit den Schatten der Vergangenheit. Letztendlich müssen die Brüder ihr Heim verlassen, weil es keinen Strom, kein Wasser und kein Essen mehr in ihrem Haus gibt. Damit endete die etwa 30-minütige Aufführung etwas abrupt. Es gab trotzdem einen kräftigen Beifall vom Publikum, und danach ging ein jeder seine Wege.

Auffällig war, dass nicht nur die Salzwedeler an dem Abend mit Abwesenheit glänzten, sondern auch kaum Menschen, die ähnliches wie die Brüder erlebt hatten, zu der Aufführung erschienen waren.

Anschließende Gespräche mit Betroffenen hätten dem Ganzen zusätzliche Tiefe verliehen und offene Fragen wären beantwortet worden. Lynne Kunz vom Bündnis Solidarisches Salzwedel begründete den harten Schnitt damit, dass die Veranstalter dem Publikum etwas Zeit zum Verarbeiten geben wollten.

Ein Gesprächsabend folgt aber noch.