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Tierschutz Vernachlässigt, verhungert, gequält

Amtstierärzte des Altmarkkreises Salzwedel mussten 2018 52 Tiere ihren Besitzern fortnehmen und anderweitig unterbringen.

Von Antje Mewes 02.02.2019, 00:01

Salzwedel l Bis auf die Knochen abgemagerte Pferde oder Rinder, schwerkranke Welpen aus illegalem Handel, erwachsene Hunde, die ihr Leben an einer kurzen Kette fristen: Was den Mitarbeitern des Kreis-Veterinäramtes bei ihren Kontrollen begegnet, ist nichts für empfindsame Gemüter. 86 Mal klopften sie 2018 an die Türen privater Tierhalter. Finden sie Tiere vor, die nicht artgerecht gehalten werden, gibt es Auflagen, deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert wird. Verbessern sich die Haltungsbedingungen nicht, bleibt im schlimmsten Fall nur die Fortnahme der Tiere. Zum Wohl der Vierbeiner oder Vögel. Dabei kommt es vor, dass einige nicht mehr zu retten sind und eingeschläfert werden müssen, wie Amtstierärztin Dr. Susanne Lehner im Volksstimme-Gespräch erzählt.
Sie kann von Haltungen berichten, bei denen auch erfahrene Veterinäre an ihre Grenzen kommen. So beispielsweise von einem Hundezüchter, der außerhalb auf Montage gearbeitet hat und seine Tiere eine ganze Woche oder länger allein ließ. Ein Nachbar brachte gelegentlich Futter und Wasser vorbei, ansonsten waren die Hunde verschiedenen Alters sich selbst überlassen, lebten auf engstem Raum, der von Exkrementen verschmutzt war. Bilder belegen die Zustände. So auch von Ponys, die in so einem schlechten Ernährungszustand waren, dass sie von ihrem Leid erlöst werden mussten.
Zu wenig Futter sei es nicht allein. Ungepflegte Hufe, Parasitenbefall aufgrund fehlender medikamentöser Entwurmung, zu wenig Platz, um stabile soziale Herdenstrukturen aufzubauen, daraus folgende Rangkämpfe mit Verletzungen: Schlechte Haltung hat viele Gesichter. Besonders häufig waren in der zurückliegenden Zeit Pferde betroffen. Meist handelt es sich um Fälle, die als Tierquälerei eingestuft werden und damit strafbar sind.
Aber wie kommt es dazu, dass Leute ihre Tiere derart vernachlässigen? Dabei haben die Amtstierärzte und ihr Chef, Dezernent Hans Thiele, verschiedene Kategorien von Tierhaltern ausgemacht. Solche, die es gut meinen, ein Helfer-Syndrom haben und zu viele Tiere bei sich aufnehmen, dann aber nicht mehr in Lage sind, sie ausreichend zu versorgen. Auch das sogenannte Animalhoarding (die Sucht, Tiere zu sammeln) haben Mitarbeiter des Veterinäramtes im Altmarkkreis schon erlebt. Das Phänomen sei aber in erster Linie in Städten verbreitet.
Andere schlechte Haltungsbedingungen seien auf Zeitgenossen zurückzuführen, die denken, dass sie beispielsweise mit einer Hundezucht schnell und einfach Geld verdienen können. Dabei sei ihnen das Tierwohl nicht so wichtig. Wieder andere seien einfach überfordert und würden irgendwann gleichgültig. Und dann kommt es zu solchen Situationen, dass die Tierhalter nicht verstehen, was die Tierärzte von ihnen wollen. „Die sehen gar nicht mehr, dass ihre Tiere in einem schlechten Zustand sind“, berichtet Susanne Lehner. Das Elend werde verdrängt. Manchmal auch, weil es schon lange besteht und für normal gehalten wird.
In den Weiten des Kreises gibt es viele Resthöfe, die oft genug noch abseits von Dörfern liegen. Die Besitzer stammten vielfach nicht aus der Region, seien von weither gekommen, um sich hier niederzulassen. Auch, weil derartige Grundstücke oft billig zu haben sind, weiß Hans Thiele. „Manche kommen schon mit einem Betreuungs- und Haltungsverbot hier an“, ergänzt er. Da diese Bürger ihre Vierbeiner natürlich nicht freiwillig im Veterinäramt anmelden, wünsche er sich ein deutschlandweites Netzwerk unter den Landkreisen, wie es bei anderen Straftaten bereits üblich ist.
Um derartige Fälle aufzuspüren, sind die Amtsveterinäre auf Hilfe aus der Bevölkerung angewiesen. Hinweise seien enorm wichtig, um Tierquälern auf die Spur zu kommen. Und das bedeute nicht, seinen Nachbarn zu denunzieren. Es gehe um Lebewesen, die leiden. „Wir sind dabei auf Unterstützung angewiesen“, appelliert die Amtstierärztin an die Westaltmärker, nicht wegzuschauen, wenn Tiere in Not sind.
Auf die meisten Tiere aus schlechten Haltungen warte ein besseres Leben, wenn die Behörden eingreifen. So pflegt der Kreis eine Kooperation mit dem Tierheim in Ahlum, das in der Lage ist, auch größere Tiere, wie Pferde und Ponys aufzunehmen.
Eins ist der Tierärztin noch wichtig: „Keine billigen Hundewelpen kaufen.“ Sie stammten fast ausnahmslos aus der illegalen Welpenmafia. Obwohl schon vielfach darauf hingewiesen worden sei und es sogar einen öffentlichkeitswirksam begleiteten Fall im Altmarkkreis gab, fielen immer wieder Leute darauf herein. „Einen Rassehundwelpen, der nur 200 Euro kostet, gibt es von einem seriösen Züchter nicht“, betont Thiele.
Die Folgen solcher Anschaffung könnten verheerend sein. In der Regel würden die Welpen zum Verkaufstermin mit illegalen Substanzen aufgeputscht, seien aber eigentlich krank, weil sie aus unwürdigen Haltungsbedingungen stammen, keine medizinische Versorgung erhalten und voll mit Parasiten sind. Zudem würden sie meist zu früh von ihren Müttern getrennt.
Die Käufer der Welpen müssten nicht nur mit hohen Tierarztkosten rechnen, sondern damit, dass die jungen Hunde sterben, was eine emotionale Belastung oft für die ganze Familie bedeute, wie die Mitarbeiter des Veterinäramtes aus Erfahrung wissen. Denn einige Westaltmärker, die solche Tiere erworben haben, melden sich bei den Behörden. Doch dann ist es meist zu spät, um den illegalen Händlern das Handwerk zu legen. Der Kreis versucht auch über andere Kanäle, die Täter dingfest zu machen, beispielsweise über Werbeanzeigen im Internet.