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Urteil Opa missbraucht Enkelkinder

Wegen siebenfachen Missbrauchs zwischen 1995 und 1998 an seinen Enkelkindern wurde ein ehemaliger Salzwedeler in Stendal verurteilt.

Von Wolfgang Biermann 18.01.2019, 09:43

Salzwedel/Stendal l Das Landgericht in Stendal hat gestern, über 20 Jahre nach den Taten, einen 82-jährigen Rentner, der als gebürtiger Quedlinburger lange Jahre in Salzwedel lebte, wegen insgesamt siebenfachen sexuellen Missbrauchs seiner beiden Enkelinnen zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt. Die Jugendschutzkammer unter Vorsitz von Richter Ulrich Galler setzte die Strafe für den bislang nicht vorbestraften Angeklagten für drei Jahre zur Bewährung aus.

Die Tatbegehung erfolgte von Sommer 1995 bis 1998. Tatort war viermal die Wohnung des Angeklagten in Salzwedel, einmal die Wohnung des Sohnes in einem Ort im Altmarkkreis und einmal ein Kinderzimmer in einem Ort im Jerichower Land.

Die 1987 und 1988 geborenen Mädchen waren im Tatzeitraum sechs oder sieben beziehungsweise acht bis zehn Jahre alt. In drei der angeklagten sieben Fälle kam es zum vollendeten Beischlaf.

Dem Urteil war eine Verständigung, auch Deal genannt, vorausgegangen. Gleich zum Prozessauftakt bot der Verteidiger Staatsanwältin und Gericht ein Rechtsgespräch an: Geständnis und kurze Verfahrensdauer gegen eine zur Bewährung auszusetzende Freiheitsstrafe von maximal zwei Jahren. Die Staatsanwaltschaft zeigte sich bereit, zumal damit den Opfern eine Aussage vor Gericht erspart werde. Und das Gericht stellte eine Bewährungsstrafe in Aussicht. Die Beweislage wäre sonst eher schwierig gewesen, sagte Richter Galler in der Urteilsbegründung. Wohl habe der Angeklagte schon im Ermittlungsverfahren zumindest ein Teilgeständnis abgelegt. Aber von einer der Enkelinnen (30) gebe es bislang überhaupt keine Aussage. Und bei der zweiten Enkelin (31), die sich im Prozess von einer Anwältin als Nebenklägerin vertreten ließ, sei das „Aussagesubstrat bei der polizeilichen Vernehmung nicht sehr ergiebig“ gewesen. Ein aufwendiges aussagepsychologisches Gutachten zur Glaubwürdigkeit der Opfer stand im Raum.

Die Urteilsfindung erfolgte nach dem im Tatzeitraum geltenden, seinerzeit milderen Sexualstrafrecht. Nach heute geltendem, modifizierten Recht wären die Fälle allesamt härter zu bestrafen gewesen, sagten sowohl die Staatsanwältin im Plädoyer als auch Richter Galler in der Urteilsbegründung. Der Angeklagte gestand verabredungsgemäß über seinen Verteidiger die Taten ein – „wie es in der Anklage steht“. Er wisse aber nicht mehr „wann, was, wie genau“ geschah.

Nach eigenen Angaben war der gelernte Tischler zu DDR-Zeiten als Zöllner an einem Grenzübergang bei Salzwedel leitend tätig und wohnte auch in der Kreisstadt. Mit Mitte 40 hätte er einen Schlaganfall erlitten und sei seitdem Rentner. Die Taten habe er begangen, wenn seine Ehefrau auf Arbeit war. Kontakt zu seinen drei Kindern und vier Enkeln hätte er heute nicht. Lediglich zu einer Tochter bestehe Kontakt.

Die 45-Jährige machte gestern als Zeugin von ihrem Recht auf Aussageverweigerung Gebrauch. Auf weitere Zeugen, vor allem auf die Opfer wurde verzichtet. Die Anwältin der heute 31-Jährigen, die 2017 Anzeige gegen ihren Opa erstattet hatte und damit das Verfahren ins Rollen brachte, sagte der Volksstimme im Nachgang, dass ihre Mandantin noch heute unter Schlafstörungen und Angstzuständen leide.

Mit dem Urteil zeigte sich die Anwältin im Namen ihrer Mandantin zufrieden. Sie habe nur gewollt, dass der Fall aufgearbeitet wird. Und „dass er die Taten zugibt und bestraft wird.“ Deshalb habe sie auch kein Schmerzensgeld beantragt. Die Kosten der Nebenklage muss der Angeklagte allerdings laut Urteil tragen.

Der Prozess war schon vor fast einem Jahr anberaumt. Wie im April 2018 berichtet, platzte er aber wegen Verhandlungsunfähigkeit des Angeklagten. Nach eigenen Angaben ist er heute ein Pflegefall. Den Prozess verfolgte er gestern im Rollstuhl sitzend. Rechtskräftig ist das Urteil trotz des Deals noch nicht. Der BGH verbiete ein Annahme unmittelbar nach dem Urteil, so Richter Galler.