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Verkauf von Fluss Jeetzel als Schnäppchen

Im Niedersächsischen Hitzacker soll ein Teil der Jeetzel privatisiert werden. In Sachsen-Anhalt wäre so etwas nicht möglich.

Von Björn Vogt 01.12.2016, 23:01

Salzwedel/Hitzacker l Es klingt wie ein verspäteter Aprilscherz. Und der frisch gegründete Verein „Gemeinsam für Hitzacker“ hofft, dass es nicht wahr wird: Die Jeetzel in der wendländischen Elbestadt soll privatisiert werden. Genauer: Von der Drawehnertorbrücke bis zur Mündung in die Elbe steht der Nebenfluss zum Verkauf. „Das ist genau der für Hitzacker wesentliche Teil des Flusses, der die Altstadt zur Insel macht“, erläutert Eike Weiss vom Verein „Gemeinsam für Hitzacker“. „Die in dem Jeetzelabschnitt genutzten Anlegestellen sind für Hitzacker von großer, auch touristischer Bedeutung“.

Derzeit gehört der Abschnitt dem Bund. Wahrscheinlich ist er laut Verein zur Aufgabenübernahme des Bundes (Zolltätigkeiten, Unterhaltungsmaßnahmen) vor langer Zeit vom Land Niedersachsen an den Bund übertragen worden. „Wann und wie dies genau passiert ist, ist zurzeit für uns nicht klar“, erläutert Eike Weiss und ergänzt: „Der Verkauf wird durch die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) abgewickelt.“ Anfang 2017 könnte nach Informationen des Vereins ein Bieterverfahren initiiert werden. Nach jetzigem Kenntnisstand wurde die BImA als nachgeordnete Behörde des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) beauftragt, diesen Flussabschnitt abzustoßen. Bislang ist die BImA vor allem wegen des Verkaufs von nicht mehr benötigten militärischen Anlagen in Erscheinung getreten.

In Sachsen-Anhalt betreut der Landesbetrieb für Hochwasserschutz und Wasserwirtschaft (LHW) die Gewässer erster Ordnung. Sie sind Eigentum des Landes und unterliegen dem Wassergesetz. „Der LHW verkauft keine Flüsse“, ist sich der Leiter des Amtes für Wasserwirtschaft im Altmarkkreis, Herbert Halbe, sicher. Dass beispielsweise die Jeetze in Salzwedel privatisiert werden könnte, schließt er aus, weil Gewässer erster Ordnung eine „erhebliche Bedeutung für die Wasserwirtschaft“ haben.

„Nach unserer Recherche wäre dies auch wahrscheinlich bundesweit der erste Fall, dass ein Teil eines Gewässers erster Ordnung privatisiert werden könnte“, sagt Eike Weiss. Genau im für den Verkauf vorgesehen Abschnitt in Hitzacker liegen gleich zwei „Sofaflöße“, das Restaurantschiff Hiddos Arche, der Anleger der Reederei Heckert mit der MS Elise und der Barkasse Hecht sowie das ehemalige Zollboot, das für Trauungen eingesetzt wird.

Weiss: „Die Stadt Hitzacker will das Areal kaufen, darf es aber nur mit Genehmigung der Kommunalaufsicht. Diese Genehmigung ist aufgrund der Haushaltslage der Stadt Hitzacker mehr als ungewiss“. Was die Angst des Vereins begründet: „Gelangt der Jeetzelabschnitt in private Hände, kann der neue Eigentümer über die Nutzung der Jeetzel entlang der Hitzackeraner Altstadt allein bestimmen.“ Deshalb will der Verein bis zum Jahresende 88 600 Euro aufbringen, um den Verkauf des Jeetzelsabschnitts an einen privaten Eigentümer zu verhindern.

Die Jeetzel entwässert fast das gesamte Gebiet des Landkreises Lüchow-Dannenberg. Sie ist bei Hochwasser der Elbe ein zentrales Regulierungselement. Darüber hinaus spielt sie für den Tourismus Hitzackers und des Landkreises eine wichtige Rolle. Am Anleger in der Jeetzel machen auch regelmäßig die Ausflugsschiffe der Reederei Andreas Heckert fest. Außerdem bildet sie einen wichtigen Teil der Hitzackeraner Geschichte und damit der Identität der Stadt.

Da es sich bei der geplanten Privatisierung eines Flusses erster Ordnung um einen Präzedenzfall handelt, sind die Folgen eines Privatverkaufs nicht in Gänze absehbar, erläutert Weiss. „In jedem Fall wird der private Eigentümer jedoch voraussichtlich über die Verwendung der Anlegestellen in dem Jeetzelabschnitt allein bestimmen können. Damit kann er dann nicht nur die Pacht für die Anlegestellen deutlich erhöhen, sondern könnte eine Nutzung der Anlegestellen auch komplett unterbinden“, befürchtet sie. In jüngster Vergangenheit seien in Hitzacker viele prominente, ehemals öffentlich genutzte Flächen privatisiert worden. „Hier ist unseres Erachtens eine rote Linie erreicht. Eine Stadt ohne eigene öffentliche Flächen und Einrichtungen verliert ihre Identität“, betont Eike Weiss.