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Wohnhausbrand Neustart auf Asche

Ein Feuer zerstörte in Depekolk im Altmarkkreis Salzwedel Teile eines alten Vierseitenhofes. Ohne Feuerwehr wäre das Wohnhaus verloren.

Von Alexander Rekow 06.12.2018, 10:00

Depekolk l „Seit es gebrannt hat, haben die Tage kein Datum mehr“, sagt Lutz Wedekind (39), „es ist immer was zu tun.“ Egal ob es nun Montag, Sonntag oder Feiertag ist. Denn am 19. November zerstörte ein Feuer einen Flügel des Wohnhauses auf einem alten Vierseitenhof in Depekolk im Altmarkkreis Salzwedel, auf dem er lebt. Was blieb, sind fassungslose Bewohner, verkohlte Wände, ein Loch im Dach und viel Arbeit.

Auf dem Hof des Fachwerk-Gehöftes in Depekolk stapelt sich Unrat. Ein alter Feuerlöscher, Teppiche, Möbel und verschmortes Holz. Ein Bewohner kommt mit einem Atemschutzgerät aus dem Wohnhaus, er kratzt den verkohlten Putz von den Wänden. Ein anderer sortiert Müll. „So geht das jeden Tag hier“, sagt Lutz Wedekind. Hinzu kommen Unmengen an Wäsche – die Waschmaschine steht seit dem Brand nicht mehr still.

Eigentlich müsste Lutz Wedekind verbittert sein – traurig und niedergeschlagen. Ist er aber nicht. Er ist sogar etwas glücklich. „Ohne die Feuerwehr wäre unser Wohnhaus komplett zerstört“, sagt er. „Anfangs war es schwer zu ertragen“, sagt der Altmärker. Nicht alle Bewohner hätten den Brand schon verarbeitet. Er hingegen schon. Ihm gibt es Halt, dass ein Flügel des Gutshofes durch die Wehren gerettet wurde. „Wir hatten Glück“, sagt er, „Glück im Unglück.“

Am Tag des Brandes bemerkte einer der Bewohner den Rauch aus den Fenstern. Nach einem kurzen Blick ins Innere war klar: alle sofort raus! Fassungslosigkeit und Ohnmacht gingen Hand in Hand. „Ich habe die Feuerwehr gefühlt 80 Mal angerufen“, sagt eine Bewohnerin, „jeden Kilometer, den sich die Wehr näherte.“

Und dann passierte schließlich das, wofür Lutz Wedekind „unendlich dankbar“ ist. „Als ich gesehen habe, dass die Feuerwehr mit Pickhacke und Atemschutz rein geht, wusste ich, es ist nicht alles verloren.“ Anfangs glaubte er noch, dass sich niemand ins Haus wage. Er habe auch Freunde bei der Löschtruppe und wisse, was das für eine mutige und richtige Entscheidung war. „Nur so ist ein Flügel verschont geblieben“, sagt er. Da die Wehren das Dach des alten Fachwerkhauses öffneten, hätte sich das Feuer nicht weiter im Dachstuhl ausgebreitet. „Ich hätte nicht gedacht, dass soviel erhalten bleibt“, sagt der Depekolker.

„Ich möchte einfach mal Danke sagen – deshalb gehe ich den Weg über die Zeitung“, sagt Lutz Wedekind. „Davor ziehe ich meinen Hut.“

Was er hingegen überhaupt nicht verstehen kann, ist, dass Feuerwehren zum Teil auf Fördervereine angewiesen sind. „Jedem sollte doch klar sein, wie wichtig diese ehrenamtliche Arbeit ist“, bringt er es auf den Punkt. Die geringe Wertschätzung, gerade mit finanzieller Ausstattung, kann er nicht verstehen. „Die Leute springen nachts aus ihrem Bett – sie kommen von der Arbeit oder ihrem freien Tag, um Leute zu retten“, sagt er, „das ist so wichtig!“

Lutz Wedekind geht in den verbrannten Teil des Wohnhauses. Es riecht wie in einer Räucherkammer. Die Fenster sind raus, dass Dach notdürftig geflickt. Die Wände sind zum Teil aus Lehm und Stroh, das Fachwerk komplett freigelegt. Das Haus ist noch mit Naturbaustoffen geschaffen worden. „Entstanden ist der Vierseitenhof vor etwa 170 Jahren, der Aus- und Anbau etwa vor 100 Jahren“, erklärt er. Umso glücklicher ist er, dass der historische Gutshof das Feuer durch den Einsatz der Löschtruppen aus Pretzier, Liesten, Buchwitz, Salzwedel und Mahlsdorf überlebt hat.

Nun ist es dafür im verschonten Teil des Wohhauses recht eng geworden. Denn auf dem großen Gehöft wohnt nicht nur Lutz Wedekind. „Jetzt sind wir zusammengerückt“, sagt er Auf dem Gehöft leben etwa zehn Personen. „Das ist ein soziales Wohnprojekt.“ Für alle die, die in einer Gemeinschaft günstig auf dem Land leben wollen. „Es ist doch schon skurril, dass in der Altmark so große Gehöfte teils von einem oder nur zwei ältern Herrschaften bewohnt werden“, wundert er sich. Dabei biete eine Gemeinschaft viele Vorteile. Und wie gut die Gemeinschaft funktioniert, zeigt sich derzeit bei den immensen Arbeiten. Fußböden und Verbranntes raus, Putz abklopfen, Decke abhängen, Müll zur Deponie, Asche zusammenkehren. „Das ist meine Frustbewältigung“, sagt der 39-Jährige.

Nun wartet die Gemeinschaft auf Geld von der Versicherung. Sowohl ein Vertreter der Versicherung als auch ein Bausachverständiger seien schon da gewesen. „Vor Februar wird sich da nichts tun“, sagt er. Für ihn heißt das weiter arbeiten, Löcher flicken und das Nötigste abarbeiten. „Wir können nicht bis Februar warten, sonst verrottet uns die Bude.“