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Zukunft ungewiss Wenn der Fotograf zum Lächeln einlädt

In Salzwedel gibt es noch zwei Fotostudios. Die Inhaber bemühen sich um besondere Angebote, um weiter existieren zu können.

Von Alexander Rekow 08.02.2020, 03:00

Salzwedel l Handwerk: Ein Begriff, den viele in erster Linie mit Tischler, Bäcker oder Maurer assoziieren. Doch auch die Zunft der Fotografen reicht weit zurück. War es früher, vor allem in der Bildentwicklung, noch ein vorwiegend chemischer Prozess, der allerhand Kenntnisse erforderte, hat sich das Handwerk längst der Digitalisierung unterworfen. Die moderne Technik macht es auch dem Laien leicht. Und so sind Fotografen mit eigenem Studio mittlerweile rar geworden. Gab es früher noch in jeder Stadt mehrere Fotografengeschäfte mit allerhand Technik vor Ort, grasen heute längst viele Hobbyfotografen ohne Ausbildung auf dem Feld. Hinzu kommen Smartphones, jederzeit für einen Schnappschuss griffbereit. Ist es der Niedergang der Branche?

„Früher wollte ich Kameramann werden“, sagt Detlef Wunberger. Das zumindest nahm sich der Salzwedeler Fotografenmeister in seiner Schulzeit vor. Ihm wurde geraten, erst einmal eine Ausbildung zum Fotografen zu machen. Das tat er schließlich in den 1970ern in Quedlinburg. In Bitterfeld-Wolfen bei Orwo lernte er den Rest, den er in der Branche wissen muss. Logische Konsequenz: 1985 machte er seinen Meister, ehe er 1990 zurück nach Salzwedel kam. Seit Dezember 1990 ist der heute 63-Jährige vielen Salzwedelern ein vertrautes Gesicht. Hochzeiten, Einschulung, Passbild, Jugendweihe. Nichts, was er nicht schon vor seiner Linse hatte. Trotzdem: Ohne Hindernisse ist sein Beruf längst nicht mehr.

„Früher mussten die Leute zum Fotografen, um sich Fotos machen zu lassen“, erzählt der Fotografenmeister: „Wer hatte schon eine eigene Dunkelkammer?“ Auch ein Atelier hat kaum jemand. Hinzu kam der Service bei Reparaturen. „Das hat sich alles geändert.“ Auch für ihn. Eine Dunkelkammer braucht er nicht mehr. Kameras zum Verkauf ebenso wenig. „Die kaufen die Leute im Internet.“ Spätestens mit dem Aufkommen von Smartphones wurde die Auftragslage immer dünner. Das Internet erschwerte die Arbeit weiter. Abzüge gibt es gegen kleines Geld im Drogeriemarkt, Bilderrahmen im Baumarkt und bei Amazon den Rest. Die gesamte Branche kränkelt.

Das war um 1850 noch anders. Seinerzeit zogen noch Wander-Fotografen durchs Land und boten ihre Dienste an, berichtet Stadtarchivar Steffen Langusch. 1868 gab es mit Friedrich Frohse schon einen ansässigen Fotografen in Salzwedel. Es folgten die Geschäfte für Fotografie von Rudolph Oberst um 1880, Richard Steinbacker 1884 – er übernahm das Geschäft von Frohse – und 1893 Carl Fettback, wie Steffen Langusch erzählt.

Heute gibt es (noch) die Studios von Detlef Wunberger in der Holzmarktstraße und Karsten Wiedemann in der Breiten Straße. Wie lange das noch so bleiben wird, ist schwer absehbar. Detlef Wunberger zumindest weiß nicht, wie und ob es in den kommenden Jahren weiter geht. „Ich bin ja schon 63. Ein Nachfolger, der das Geschäft übernimmt, ist nicht in Sicht.“ Damit könnte auf absehbare Zeit eine 30-jährige Tradition in der Holzmarktstraße enden.

„Ich hoffe, dass es unser Geschäft noch 2030 gibt“, sagt Fotograf Karsten Wiedemann. Auch der 57-Jährige weiß nicht, ob seine Dienste in zehn Jahren noch gebraucht werden. Wie Wunberger schlägt auch er sich mit den Herausforderungen der Zeit herum. Ein Beispiel: Wenn Karsten Wiedemann und seine Kollegin Grundschüler bei der Einschulung aufstellen, Hintergrund und Licht herrichten und mit dem Fotografieren beginnen wollen, stehen bereits Eltern mit ihren Smartphones in der Nähe. „Da kommt es schon zu Konflikten“, sagt Karsten Wiedemann. „Die Leute sollten nicht vergessen, dass wir damit unser Brot verdienen.“ Miete, Nebenkosten, Steuern. „Doch als Selbstständiger hat man es generell immer schwerer“, so der 57-Jährige.

Das sieht auch Detlef Wunberger so. Auch er muss auf Einschulungen oder Jugendweihen mit Eltern sprechen, die nach seiner mühsamen Vorbereitung ihre Smartphones zücken. „Ich ziehe auch extra Anhänger für Gruppenbilder hin, mache mir wie Karsten auch Gedanken um mein Bild.“

„Die Leute klauen dann unsere Ideen, womit wir Geld verdienen“, ergänzt Wiedemann. Also müssen sich beide den Diskussionen stellen, ohne die Kundschaft zu verprellen. Ein schwieriger Spagat.

Um auf dem Markt weiterhin zu existieren, haben sich beide Fotografen breiter aufgestellt. Karsten Wiedemann hat sich beispielsweise eine Drohne zugelegt und macht Luftaufnahmen. Oder eine Fotobox, die er auf Veranstaltungen aufstellt. Detlef Wunberger hat sich die Technik Lightbrush angeeignet. „Das ist Malen mit Licht“, sagt er. Heraus kommen farbenintensive Werke.

Unterm Strich stellen sich beide auf ihre eigene Art und Weise den Herausforderungen der Zeit. Doch sie sind sich einig: Ein Fotostudio zu betreiben ist auf Dauer ein Auslaufmodell. Für beide Männer schwer zu ertragen, denn sie lieben ihren Beruf, die Kreativität, auch im digitalen Zeitalter, denn mit Bildbearbeitung und weiteren technischen Errungenschaften wurde ihr Arbeitsleben einfacher. Es scheint Fluch und Segen zugleich.

„Heute wird millionenfach geknipst. Doch echte Fotos werden weniger“, sagt Detlef Wunberger mit Blick auf die Schnappschüsse.