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Nachruf „Danke für alles, Thomas“

Thomas Lütgert ist tot. Der Pfarrer im Ruhestand ist in der vergangenen Woche am Mittwoch gestorben. Das teilte seine Familie mit.

Von Olaf Koch 07.10.2015, 18:00

Großmühlingen l Der letzte Weg ist immer der schwierigste. Fast bist auf den letzten Tag seines Lebens hat der Pfarrer im Ruhestand Thomas Lütgert gearbeitet. Ende Juni wurde er in seiner Kirche in Großmühlingen entpflichtet, nur drei Monate später ist er nun plötzlich gestorben. „Und jetzt sind wir dran“, forderte noch zur Verabschiedung aus dem kirchlichen Dienst seine Familie – seine Frau, die Kinder und die Enkel. Viel Zeit blieben ihm und seiner Familie leider nicht mehr.

Mit Thomas Lütgert verliert die Familie nicht nur den Ehemann, den Vater und den Opa. Die Menschen des Dorfes und der Region, in denen der Pfarrer in den vergangenen Jahren tätig war, trauern um ihren ehemaligen Pastor, der mit so vielen passenden Adjektiven beschrieben werden könnte. Lütgert war vor allem begeisterungsfähig und ausdauernd, hilfsbereit, offen für alles und jeden sowie direkt und ehrlich im Umgang mit den Menschen. Er war zwar der Pfarrer, ein Mann Gottes, vor dem man Respekt haben muss, doch er war vor allem der Freund, der Nachbar, der Feuerwehrkamerad, der Seelsorger, jemand, der sich die Zeit nahm zuzuhören.

„Hochwürden“ war schon ein freundlich gemeinter Spitzname, als er im Dieselmotorenwerk Schönebeck arbeitete, aber seiner Leidenschaft, der ehrenamtlichen Arbeit in der evangelischen Kirche, nachkam. Lütgert wollte Pfarrer werden, sein Traumberuf. Ausdauernd verfolgte er dieses Ziel, im Jahr 1998 war die Ordination.

Die Begeisterungsfähigkeit für neue Aufgaben bis ins Alter, Thomas Lütgert wurde 66 Jahre, zeigte sich auch an anderen Beispielen. Pfarrer zu sein, war in den Jahren nach der Wende auch mit der Aufgabe verbunden, die Kirchenbauten zu retten. In Felgeleben, seiner erste Stelle, konnte zumindest der Turm des Gotteshauses erhalten werden. In Großmühlingen rettete er gemeinsam mit den Mitgliedern des engagierten Kirchbauvereines die St-Petri-Kirche.

Was Lütgert anpackte, machte er mit Leidenschaft. Eine, die viele Jahre mit ihm auf einem gemeinsamen Weg ging, war Ellen Kralisch vom Kirchbauverein Großmühlingen. „Thomas war ein sehr lieber und fröhlicher Mensch, der immer zu einem Scherz aufgelegt war“, erinnert sich die Vereinsvorsitzende. „Ja, manchmal war er auch ein wenig chaotisch organisiert, worüber ich mich anfangs ärgerte, später aber wieder darüber lachen musste, weil es doch immer funktionierte.“ Zusammen waren Kirchbauverein und Pfarrer ein Team, beide Partner waren auf der gleichen Seite mit den gleichen Gedanken. „Das werde ich sehr vermissen. Danke für alles, Thomas“, sagt Ellen Kralisch.

Dieses Dankeschön scheint in diesen schweren Tagen unsichtbar über dem Dorf zu liegen. Auch Ortsbürgermeisterin Ute Möbius hätte sich gern ausdrücklich bei Pfarrer i.R. Thomas Lütgert bedankt. Politische Verwaltung und christlicher Glauben – passt das? „Bei uns in Großmühlingen hat es geklappt. Wir haben Kirche und Staat gelebt“, resümiert die Ortsbürgermeisterin. Sie nennt vor allem die Achtung und den Respekt, den nicht nur der Pfarrer ihr gegenübergebracht habe, sondern auch umgekehrt. „Thomas war in der Gemeinde sehr angesehen.“

In Mühlingen und Umgebung war es kein Geheimnis, dass die Familie Lütgert nach dem Ruhestand des Pfarrers ihren Lebensmittelpunkt nach Halberstadt verlegen wollte. Darauf bezieht sich zunächst auch Bördelands Bürgermeister Bernd Nimmich. „Du hättest uns in Großmühlingen gefehlt, Thomas“, hätte Nimmich ihm noch gern gesagt. Doch im Grunde wünschte Bernd Nimmich dem ehemaligen Pfarrer, dass er in Halberstadt noch viele Jahre mit seiner Familie erlebt hätte, im Kreise seiner Lieben. Das nämlich war der Plan, der nun je zerstört wurde. „Ich hatte mit Thomas Lütgert immer eine sehr angenehme Zusammenarbeit, die auch sehr locker und manchmal spontan war. Er war in Bördeland und darüber hinaus ein geachteter Mensch“, so Nimmich.

Superintendent Matthias Porzelle verabschiedete Pfarrer Thomas Lütgert Ende Juni in den Ruhestand. „Ich habe ihm damals noch mehr Zeit und Muße für seine Familie und sein privates Umfeld gewünscht“, erinnert sich Matthias Porzelle, der Lütgert als einen sehr zugewandten Kollegen in Erinnerung hat. Er war sehr nahe am Menschen und ein sehr kollegialer Verkündigungsmitarbeiter im Kirchenkreis.

An seinem 65. Geburtstag wurde Pfarrer Lütgert gefragt, ob er nicht ans Aufhören denkt. Damals sagte er: „Ach nö, das möchte ich eigentlich nicht.“ Viel lieber machte er weiter, blieb Pfarrer und Ansprechpartner für junge und alte Menschen mit ihren kleinen und großen Sorgen in Mühlingen, Zens, Eickendorf, Förderstedt, Atzendorf, Borne und Löderburg. Gut ein Jahr später zu seiner Entpflichtung kam er dem Wunsch der Familie nach mehr Zeit und Aufmerksamkeit nach. Im Hinblick auf seine Gemeinde sagte er damals: „Ich muss lernen, einmal nein zu sagen, wenn ich etwas nicht schaffe und nicht will.“ Doch dieses Fenster für Frau, Kinder und Enkel öffnete sich nur kurz. Zu kurz.

Die Trauerfeier findet am Freitag, 9. Oktober, ab 13 Uhr in der St.-Petri-Kirche in Großmühlingen statt. Die Beerdigung erfolgt in aller Stille im engsten Familienkreis.