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DRK Klage vor Gericht?

Das DRK Schölnebeck soll ab Januar nicht mehr im Rettungsdienst in Schönebeck fahren. Jetzt wird eine Klage erwägt.

Von Olaf Koch 15.10.2015, 10:14

Schönebeck l Jetzt nach 20 Jahren wird es unschön. Zwei Dekaden waren der Salzlandkreis auf der einen Seite und der DRK-Kreisverband Schönebeck auf der anderen Seite gute Partner, die sich gegenseitig akzeptierten. Die Kameraden des Roten Kreuzes sind nicht nur Rettungsdienst gefahren und haben einen wesentlichen Teil des Katastrophenschutzes im Landkreis abgesichert, sondern nehmen auch andere Aufgaben für die Menschen der Region wahr. Der Kreis war ebenfalls ein verlässlicher Partner. Nun aber kommt sowohl im Hinblick auf den Rettungsdienst als auch den Katastrophenschutz feiner Sand ins Rettungs-Getriebe.

Im Juli dieses Jahres wurde es angekündigt und Anfang August folgte der Bescheid, dass das DRK bei der Neuausschreibung des Rettungsdienstes für den Zeitraum 2016 bis 2023 nicht berücksichtigt werden wird. Stattdessen bekam die Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH) den Zuschlag, die ebenfalls schon im Salzlandkreis fährt.

Soweit stimmen DRK und Landkreis noch überein, doch im weiteren Verfahrensweg gibt es unterschiedliche Auffassungen und Interpretationen. Während das Landrats-amt deutlich sagt, dass dem Kreisverband sehrwohl eine hinreichende Begründung der Entscheidung zugestellt wurde, sieht das DRK dies anders. „Wir haben etwas vom Landkreis bekommen. Damit lässt sich die Entscheidung des Landkreises aber nicht nachvollziehen“, so DRK-Geschäftsführer Guido Jurczyk. Der DRK-Kreisverband hat nun seinerseits Klage beim Verwaltungsgericht eingereicht und verlangt vom Landkreis Akteneinsicht.

Das Fatale: Die Klage des DRK hat aufschiebende Wirkung, was bedeutet, dass die Bescheide des Landkreises nicht vollziehbar sind. Der Landkreis hat nunmehr reagiert und am Mittwoch, also einen Monat nach Klageerhebung, den sogenannten Sofortvollzug angeordnet. Diese Anordnung wird nun das DRK seinerseits durch seine Anwälte prüfen lassen. Bereits jetzt ist davon auszugehen, dass auch hier die Verwaltungsgerichte das letzte Wort haben werden. Es ist daher aus jetziger Sicht vollkommen unklar, wer ab 1. Januar 2016 den Rettungsdienst fahren wird.

Der Landkreis antwortet zwar auf eine Anfrage der Volksstimme sehr ausführlich zum Vergabeverfahren im allgemeinen, weist aber deutlich darauf hin, dass sich das nicht auf den speziellen Fall bezieht. In einer zweiten E-Mail schreibt die Pressesprecherin des Salzlandkreises, Alexandra Koch, dass keine weiteren Angaben gemacht werden können. „Während des laufenden Verfahrens wird nicht weiter zum Sachverhalt Stellung genommen werden.“

Sowohl für das Rote Kreuz als auch für die Johanniter entstand so eine ungewisse Situation. Beim DRK wissen der Kreisverband und seine 32 Rettungsdienstmitarbeiter nicht, wie es nach dem 31. Dezember weitergeht. Und die JUH weiß ebenfalls nicht, ob sie zum 1. Januar die Arbeitsverträge mit den neuen Beschäftigten unterschreiben kann.

In den Startlöchern für einen reibungslosen Dienstbeginn in Felgeleben stehen Die Johanniter mit Sitz in Magdeburg dennoch. „Wir freuen uns, dass wir hoffentlich ab Januar 2016 neben den Bereichen Egeln und Calbe auch für Schönebeck zuständig sind“, machte Dr. Martina von Witten, Mitglied im Regionalvorstand der Johanniter-Unfall-Hilfe (JUH), Regionalverband Magdeburg/Börde/Harz, im Gespräch mit der Volksstimme deutlich. Ihrer Aussage nach war das Vergabeverfahren mit hohen Leistungsansprüchen an die Leistungserbringer verbunden – weshalb auch die Johanniter den Zuschlag erhielten.

Die Kameraden der JUH sind in der Region keine Unbekannten und seit rund 25 Jahren Leistungserbringer im Rettungsdienst des Salzlandkreises. Außerdem fahren Die Johanniter in der Stadt Magdeburg sowie im Landkreis Bördekreis. Jährlich werden etwa 21 000 Einsätze absolviert. Seit vergangenem Jahr werden zudem die Fahrdienste für den ärztlichen Bereitschaftsdienst im Jerichower Land übernommen.

Die personelle und technische Absicherung der neuen Rettungswache Schönebeck durch die JUH ist gewährleistet. Wie von Witten sagt, liefen bereits im September entsprechende Bewerbungsgespräche. Insgesamt werden von den neuen Leistungserbringern 24 Stellen geschaffen. Die vier neuen Fahrzeuge sind ebenfalls bestellt. „Es wurden bereits Investitionen in einstelliger Millionenhöhe getätigt“, so von Witten im Hinblick auf die Klage des Mitbewerbers.

Wo die neue Rettungswache Einzug hält, wollte Martina v. Witten zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht bekanntgeben.

Der Salzlandkreis hat in seinem Rettungsdienstbereichsplan 2015 für den Rettungswachen-Versorgungsbereich Änderungen festgelegt. Das betrifft in der Region unter anderem Schönebeck und Sachsendorf sowie Colno.

Seit dem 1. Oktober müssen demnach am neuen Standort Ortsteil Felgeleben mindestens zwei Rettungstransportwagen (RTW) täglich (ein RTW täglich 24 Stunden, ein RTW täglich 7 bis 23 Uhr) vorgehalten werden. Zur Umsetzung dieser Vorgabe hat das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband Schönebeck, mit Unterstützung der Stadt Schönebeck und der Freiwilligen Feuerwehr Felgeleben auf dem Grundstück zwischen Feuerwehr und Alter Schule eine temporäre Rettungswache in Containerbauweise, bestehend aus Aufenthaltscontainern und einen Sanitätscontainer, für die dort eingesetzten Rettungsdienstmitarbeiter errichtet.

Was es bedeutet, eine Niederlage bei der Ausschreibung des Rettungsdienstes zu erleiden, diese Erfahrung musste vor gut 20 Jahren der DRK-Kreisverband Wanzleben machen. Wie man heute weiß, wurde das Rote Kreuz wohl auch aus politischen Gründen vom Platz verdrängt. Damals wie heute war und ist Guido Fellgiebel der Geschäftsführer des Kreisverbandes. „Jedes Ende bringt auch immer einen Neuanfang“, sagt der 46-Jährige heute. Diese Gelassenheit konnte Fellgiebel im Herbst des Jahres 1994 noch nicht entwickeln. „Na klar, der Rettungsdienst war das Standbein unseres Kreisverbandes. Es bestand zu dieser Zeit durchaus die Gefahr des Konkurses“, erinnert sich Guido Fellgiebel. 15 Kameraden musste damals betriebsbe-dingt gekündigt werden, die anderen fanden hausintern neue Arbeit.

Nach diesem wirtschaftlichen Einschnitt zählte das Wanzleber DRK gerade noch 52 Mitarbeiter. Und heute? Heute sind es 162 . Die Welt des Roten Kreuzes dreht sich eben nicht nur um den Rettungsdienst. Wie haben also die Wanzleber den Schritt in die sichere Zukunft geschafft? Kann davon auch der Schönebecker DRK-Kreisverband in der jetzigen Situation lernen?

„Zunächst muss festgestellt werden, dass wir ein Mitgliederverband waren und es sind. Das Ehrenamt stellt bei uns eine sehr starke Basisstruktur dar“, macht Guido Fellgiebel deutlich. Diese Basis trug damals die Entscheidungen des Vorstand mit. So hat sich der Kreisverband unter anderem folgende Fragen gestellt: Welche Bedarfe für neue Aufgabenfelder und Hilfsangebote werden in der Region benötigt? Welche Schwerpunkte werden in Zukunft gebraucht?

Mitte der 90er Jahre, als kaum jemand über Demografie wusste, geschweige denn sprach, analysierte das Wanzleber DRK die Lebensbedingungen in den Dörfern. Schritt für Schritt wurden zu dieser Zeit Dinge umgesetzt, die heute selbstverständlich erscheinen: weiterer Aufbau der ambulanten und stationären Dienste, Bau von barrierefreien Wohnungen, Erweiterung des Netzes von Begegnungsstätten, Schaffung von Senioren-Wohngemeinschaften sowie verschiedene Betreuungsangebote unter einem Dach - zugeschnitten nach der jeweiligen Region.

Diese Erfolgsgeschichte kennen auch die Verantwortlichen beim DRK in Schönebeck. Dennoch: „Wir haben eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter und unseren Kreisverband. Nachdem wir 25 Jahre Rettungsdienst im Kreis gefahren sind, gibt es bis jetzt nicht mehr als die Behauptung des Landkreises, dass die JUH in einem fairen, transparenten und diskriminierungsfreien Auswahlverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände das wirtschaftlichste Konzept vorgelegt hat. Nachvollziehbare Informationen und Begründungen dazu verweigert uns der Landkreis ebenfalls ohne tragende Rechtfertigung. Deshalb blieb uns nichts anderes übrig, als Klage einzureichen“, macht Guido Jurczyk deutlich.

Diese Einstellung wird die Rot-Kreuz-Kameraden in Schönebeck freuen. Sie denken aber auch an sich, an die familiäre Verantwortung und an die Zukunft. Unter den Bewerbern bei den Gesprächen, so Johanniter-Chefin Martina von Witten, befand sich eine große Anzahl an erfahrenen Mitarbeitern – vom DRK Schönebeck.