Rettungshunde Die Suche als Spiel

Wo Menschen an ihre Grenzen kommen, können sie wichtige Aufgaben übernehmen: Die Teams der DRK-Rettungshundestaffel finden vermisste Menschen.

Von Sebastian Siebert 15.10.2015, 18:25

Schönebeck/Zerbst l Tara bahnt sich ihren Weg durch das Dickicht. Gerade ist sie von der Leine befreit, schon läuft die junge Labradorhündin los, verschwindet hinter Sträuchern, kreuzt noch einmal den Weg, um dann ganz aus den Augen von Frauchen Ulrike Feldbach zu verschwinden. Kurz darauf bellt sie. Laut und immer wieder. Ulrike Feldbach schmunzelt zufrieden.

Sie ist Mitglied der Rettungshundestaffel des Deutschen Roten Kreuzes in Schönebeck. Sie und ihre Staffelkameraden trainieren regelmäßig mit ihren Hunden das Finden von Personen. Das Bellen zeigt an, dass Tara fündig geworden ist. Mitten in einem alten, verrosteten Auto sitzt Florian Heidenreich, selbst Hundeführer, der für die junge Tara das Opfer mimt. Als die Hundeführerin das Versteck erreicht, streichelt und lobt ihr Staffelpartner ihre Hündin. Das ist was Wichtigste. Der Lohn für das Auffinden animiert die Tiere, immer besser zu werden. Für die Tiere ist es ein Spiel.

„Das war eine mittelschwere Aufgabe“, sagt Staffelleiterin Jana Eckardt. Tara ist noch dabei, ihre Ausbildung zum Flächensuchhund abzulegen. In einem halben Jahr soll sie soweit sein. Dann hat sie zwei Jahre lang geübt, Menschen ausfindig zu machen und diese ihrem Frauchen zu zeigen.

„Es ist eine sehr anspruchsvolle Aufgabe“, sagt die Leiterin weiter. Denn die Hunde suchen nicht nach der Fährte eines Menschen, sie suchen den Körpergeruch. „Sie nehmen ihn durch die Luft wahr“, erzählt die Leiterin weiter. Schweiß, Duftpartikel, winzige Hautschuppen - für die Hunde sind Menschen umgeben von einer Wolke aus Informationen. Und diese bleibt auch stundenlang für die Hunde in der Luft erkennbar. „Das machen wir uns beim Auffinden vermisster Personen zu nutze“, erklärt sie.

Zwischen 10- und 15-mal im Jahr werden die ehrenamtlichen Hundeführer angefordert, um Polizei und Feuerwehr zur Seite zu stehen. Meistens sind sie erfolgreich. „Ein Hund muss zur Prüfung ein drei Hektar großes Gebiet absuchen und nach 20 Minuten die Person gefunden haben“, erklärt Jana Eckardt weiter. „Versuchen Sie das einmal mit Menschen.“ - „Wir reden hier auch nicht über ein flaches Gelände, sondern über sowas da“, sagt Hundeführer Martin Elke, ebenfalls Mitglied der Truppe, und zeigt auf ein Dickicht aus Büschen und kleinen Bäumen - nahezu unpassierbar für einen Menschen. Die Hunde, fügt er an, schaffen das. Doch auch sie können nicht alles. „Wir wünschten uns oft, früher alarmiert zu werden“, sagt die Leiterin. Schließlich seien Spuren flüchtig. Je früher sie eingesetzt werden, umso besser können die Hunde ihre Arbeit verrichten. Meist erreichen die Tiere die vermisste Person rechtzeitig, manchmal aber auch nicht. „Wir haben auch nach Inga gesucht“, erzählt Jana Eckardt.

Die Staffel wird an einem Sonntag Anfang Mai nachalarmiert, weil andere Staffeln schon zu erschöpft sind. Es ist kalt und regnerisch. Die Suche nach dem vor einigen Wochen und ungeklärten Umständen verschwundenen Mädchen bei Stendal dauert Stunden und bleibt auch für die Schönebecker erfolglos. „Eine ergebnislose Suche ist immer schwer zu ertragen“, sagt die junge Frau. „In diesem Fall war es besonders schwer. Du weißt, dass du müde bist und dein Hund auch, weitermachen geht nicht, aber du willst nicht so aufhören“, berichtet die Mutter eines einjährigen Sohnes. „Als Mutter war das sehr hart.“

Intern werten die Staffelmitglieder die Einsätze aus, reden sich die Last von der Seele. „Wir haben da Möglichkeiten der Supervision, damit wir mit solchen Situationen umgehen können.“ Denn mit Außenstehenden dürfen sie über solche Fälle nicht reden. „Wir unterliegen den selben Schweigebestimmungen wie die Polizei auch“, sagt sie weiter.

Alle Mitglieder sind ehrenamtlich tätig, sind als Krankenschwester, in der Apotheke oder im Handel tätig. Für die Einsätze können sie – wie Feuerwehrleute – freigestellt werden, doch meistens werden sie nachts benötigt. „Eigentlich ist es immer dunkel, kalt und nass“, überspitzt die Leiterin die Bedingungen. Die anderen nicken schmunzelnd.

Warum sie das tun: „Ich wollte nicht, dass mein Hund ein Couchpotato wird“, sagt Jana Eckhardt, die mittlerweile neben dem Golden Retriever Shooter auch den Bordercollie Django anführt. Christin Vangangelt, ihre Stellvertreterin, sagt: „Ich wusste, dass ich meinen Hund fordern will, schon bevor ich mir ihn anschaffte.“ Ihr Weimaraner Mailo hat rassebedingt einen großen Bewegungsdrang und braucht Aufgaben. Als die Rodleberin von der Staffel hörte, war sie sofort überzeugt. Zweimal wöchentlich zu trainieren und dafür rund 15 Stunden aufzubringen, nimmt die junge Frau in Kauf. „Dazu kommen noch die Einsätze, Auftritte und Präsentationen“, fügt sie an. Auch sie hat mittlerweile einen zweiten Hund. Nele heißt die Mischlingsdame. „Sie ist aus dem Zerbster Tierheim“, erzählt sie. Vor einem Jahr hat sie die heute zweieinhalbjährige Hündin dort übernommen. In einem Jahr soll sie helfen, Menschen zu finden.

Auch die Menschen müssen lernen. Die Teammitglieder haben eine Sanitätsdienstausbildung, sind geschult im Umgang mit Karten sowie Kompass und haben einen Funkschein erworben.

Christin Vangangelt ist auch der Grund, warum die Staffel mehrmals im Jahr auf dem Gelände des Energieparks in Zerbst trainiert. Ihre Großeltern wohnen in Lindau.„Ich habe im Vorbeifahren immer Gedacht: Das Gelände ist perfekt für uns.“ Sie nahm Kontakt zu Vorstand Chris Döring auf. Der ließ sich ein Konzept schicken, sagte umgehend zu. „Wir haben als Getec auch eine gesellschaftliche Verantwortung. Wenn wir etwas dazu beitragen können, machen wir das gern.“

Das Gelände sei deswegen optimal, weil es als ehemalige Militäranlage viele Möglichkeiten biete, Personen zu verstecken. „Wir sind heute das vierte Mal hier und haben uns immer nur in einem Teil des Geländes aufgehalten. Allein hier gibt es schon unzählige Möglichkeiten. Das alte Auto haben wir eben erst entdeckt“, sagt Leiterin Eckardt. Die Hunde sollen nie zweimal an einem Ort suchen. „Die merken sich ganz schnell die Orte, das wollen wir ja nicht. Wir wollen, dass sie ihre Sinne - also ihre Nase - benutzen“, erklärt sie.

Die Gebäude, die abgerissen werden, sind besonders für Christin Vangangelt interessant. Sie möchte gern, dass Nele einmal Menschen unter Schutthaufen aufspüren kann. Davon gebe es nur sehr wenige, sagt sie. Denn der Duft eines verschütteten Menschen komme nur durch die Ritzen an die Oberfläche. „Das kann ganz woanders sein, als die Person liegt“, berichtet sie. Eine schwere Aufgabe, den Hund soweit zu sensibilisieren. „Ich habe aber Lust dazu“, sagt sie.

Neue Mitglieder werden gern aufgenommen. Die Hunderasse ist dabei egal, der Hund muss aber einen Eignungstest bestehen.