Schülersprecher Tagen wie die Großen

Den Klassenraum mit dem großen Sitzungssaal im Rathaus haben gestern die Schülersprecher der Förderschule „Pestalozzi“ getauscht. .

Von Ulrich Meinhard 23.11.2015, 16:12

Schönebeck l Stimmengewirr dringt aus dem großen Sitzungssaal. Die schwere Tür steht offen und der Rathaus-Besucher mag sich fragen, weshalb die vermeintlichen Stadträte, die hier tagen, so kindlich klingen. Die Antwort ist einfach: Schülersprecher der Förderschule „J. H. Pestalozzi“ sind an diesem Vormittag zu Gast im Rathaus der Stadt. Auf die Frage nach dem Warum sagt Schulsozialarbeiterin Kerstin Kleier-Uhlig gegenüber der Volksstimme: „Wir sind mit unseren Schülersprechern ins Rathaus gekommen, um zu sehen, um zu erleben, wie Willensbildung geschieht, wie Entscheidungen fallen, wie unsere Interessen vertreten werden. Kurz gesagt, wie die Politik real in dieser Stadt funktioniert.“ Deshalb sei die Gruppe aus der Schule raus- und in das Rathaus reingegangen.

 

Doch der Blick auf die reale Lokalpolitik soll nicht alles sein. Die Schüler wollen für sich auch klären, welche Eigenschaften ein Schülersprecher eigentlich mitbringen sollte und ob diese Eigenschaften auf die Schüler zutreffen. „Wir beschäftigen uns mit der Frage, wo die Grenzen für einen Schülersprecher liegen, was nicht zu seinen Aufgaben gehört. Dass er zum Beispiel nicht die Schulpolizei spielen sollte“, erläutert Kerstin Kleier-Uhlig.

Für diese Klärungsphase steht den Kindern und Jugendlichen - natürlich nach einer vorherigen Anmeldung - der große Sitzungssaal zur Verfügung. Oberbürgermeister Bert Knoblauch nimmt sich eine knappe Stunde Zeit, um die Struktur und die Arbeit der von ihm geleiteten Stadtverwaltung zu erklären. Die Schüler haben zudem Gelegenheit, eigene Fragen zu stellen - und diese Chance nutzen sie rege.

So will Erdoan Arifi wissen, ob das Freibad in der Barbarastraße im nächsten Sommer wieder öffnen wird und die nächsten Sommer ebenfalls. Diesbezüglich sagt Knoblauch zu, dass die Stadt alles Machbare unternehmen werde, um das Bad betriebsfähig zu halten. Mehr noch: Vielleicht kann es sogar länger als die bislang festgesetzten sechs Wochen in den Sommerferien geöffnet sein. Freilich hänge das von bestimmten Faktoren ab, wie etwa der Haushaltssituation.

Auf den Bolzplatz an der Tolberg-Grundschule machen Marvin Cuno und Justin Knopf aufmerksam. Der Platz weise Unebenheiten auf. „Es wäre auch schön, wenn hier eine Bank aufgestellt werden könnte“, schlägt der Schüler vor.

Melanie (sie will ihren Nachnamen nicht verraten) bringt die Terroranschläge in Paris und die sich daraus entwickelnde Gefährdungslage auch in Deutschland zur Sprache. „Die Anschläge haben mich sehr berührt und betrübt“, sagt sie und will vom Oberbürgermeister wissen, wie er für Sicherheit sorgen könne. In diesem Punkt muss Bert Knoblauch freilich eingestehen, dass diese Aufgabe nicht in seiner Hand liegt.

Gedanken um den weiteren Betrieb der Volksschwimmhalle in der Johannes-R.-Becher Straße macht sich Justin Deichmann. Bekanntlich läuft die Betriebserlaubnis 2020 aus. Ob die in die Jahre gekommene Einrichtung dann weiter betrieben werden kann, steht zu bezweifeln. Den heutigen Anforderungen an eine Schwimmhalle entspricht das Objekt nicht mehr vollständig. Aber was dann? Der Oberbürgermeister betont, dass erst jüngst in Sanierungsarbeiten investiert worden ist und die Schwimmhalle so lange wie nur möglich Badegästen zur Verfügung stehen werde. Angedacht sei dann ein Neubau.

Justin sorgt sich auch um die Ranieser Kita, die wohl schließen muss, weil im nächsten Jahr wahrscheinlich nur noch sechs Kinder die Einrichtung besuchen werden. Und dann will er wissen, ob die Jugendclubs in Plötzky, Pretzien und Ranies wieder geöffnet werden können. Knoblauch informiert, darüber mit Vertretern des Vereins Rückenwind gesprochen zu haben. Es sehe gut aus.

Bert Knoblauch sieht in dieser Begegnung eine gute Gelegenheit, das Rathaus auch für Schulklassen zu öffnen und würde weiterhin gerne als Ansprech- und Interviewpartner zur Verfügung stehen. „Es hilft auch, eventuelle Hemmschwellen abzubauen“, sagt er. Und dann kann es gut sein, dass die Schülersprecher von heute die Stadträte von morgen sind.