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Landrat Bauer Wir schaffen es nur mit der Bevölkerung

Zum Jahresbeginn sprach die Volksstimme mit Landrat Markus Bauer. Das Thema Flüchtlinge wird den Salzlandkreis weiter beschäftigen.

Von Ulrich Meinhard 07.01.2016, 19:00

Schönebeck/Staßfurt l Dass der Salzlandkreis in der Lage ist, pro Woche 250 Flüchtlinge aufzunehmen, hätte im Januar 2015 selbst Landrat Markus Bauer (SPD) nicht für möglich gehalten. Ein Jahr später zeigt sich: Es ist zu schaffen. Ein Ergebnis, an dem viele Menschen Anteil haben, wie Markus Bauer im Gespräch mit der Volksstimme hervorhebt. Mit dem Blick auf 2015 sieht er insgesamt eine gesellschaftliche Weiterentwicklung, die anhalte. Jetzt gelte es, das Erreichte zu stabilisieren und zu verfeinern. Die Aufnahme und Inte-gration von Flüchtlingen möchte Bauer nicht losgelöst betrachten, sondern als eine von weiteren gesellschaftlichen Aufgaben. „Wir sollten natürlich wertschätzen, was wir bei der Flüchtlingsaufnahme geschafft und geschaffen haben. So können wir die Menschen mitnehmen und dazu motivieren, Neues zu schaffen“, schätzt er ein.

Mit Blick auf die Pegida-Kundgebungen in Dresden hält Bauer fest: „Es zeigt sich, dass das deutsche Volk in Summe ganz anders denkt, als man es in Dresden inszenieren wollte.“ Was die Gesellschaft aber stets brauche, sei Raum zum Diskutieren: eine wichtige Basis für die Demokratie. Demokratie zu leben und mit Leben zu erfüllen, könne kein Bundestag alleine, keine Bundesregierung, keine Kreisverwaltung. Hier sei jede Schule gefragt, jeder Verein, jeder einzelne Bürger.

Die Flüchtlingswelle indes hält an. Wahrscheinlich kommen in diesem Jahr noch einmal so viele Asylsuchende wie 2015. Ist auch das für den Salzlandkreis zu schaffen? „Die Frage, die sich da stellt, ist: Wie können wir es infrastrukturell schaffen? Inwieweit bekommen wir Werkzeuge an die Hand, also Grundlagen wie die finanzielle Ausstattung. Und dann ist es eine Frage der politischen Bildung: Wie bekommen, wie erhalten wir die Unterstützung der Bevölkerung?“

Auf jeden Fall sei es gelungen, in den vergangenen Monaten mit dieser Situation umzugehen. „Also der Punkt ist, wie können wir unsere Man- und Womanpower effektiv einsetzen, wie etwa die soziale Betreuung. Wenn wir da Ruhe haben, können wir weiter an den Strukturen arbeiten und informieren.“ Informieren? „Zum Beispiel darüber, wie ein Syrer denkt, was er glaubt. Warum das Essen, das er kocht, anders riecht, als meine Nase es gewöhnt ist. Und wenn manche sagen, sie haben Angst vor Überfremdung, müssen wir es ernst nehmen, nicht einfach sagen: ‚Beschäftige dich mal mit dir selbst‘, sondern uns überlegen, wie gehen wir damit um.“

Hinsichtlich der Ankömmlinge habe der Salzlandkreis frühzeitig reagiert und Soziallotsen berufen. „Über sie können wir erklären, wie Deutschland funktioniert. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass in allen Flüchtlingsheimen, auch in den Bundeszentralen, kleine Informationsfilme auf Arabisch laufen, die erläutern, wie funktioniert bei uns Mülltrennung, wie wird eine Wohnung angemietet, warum muss ich zum Einwohnermeldeamt?“

Zudem kann sich der Landrat vorstellen, die Hochschule Anhalt verstärkt ins Boot zu holen, wenn es um Verständigung und Integration geht. Wie? „Indem Studenten mit Flüchtlingsfamilien reden, auch, indem sie für den Standort Salzlandkreis werben.“ Bauer ist sich sicher, dass diesbezüglich ein weites Betätigungsfeld für die Hochschule liegt, das dort auch gerne angenommen werde.

So ist der oft als Problem dargestellte Zustrom von Flüchtlingen also auch mit Positivem behaftet? „Wenn wir rein sachlich auf die Bevölkerungszahl im Salzlandkreis schauen, dann müssen wir festellen, dass die Einwohnerzahl seit der Gründung des Landkreises 2007, also innerhalb von nur acht Jahren, von 217 000 auf jetzt 200 000 gesunken ist“, macht Bauer auf einen deutlichen Rückgang aufmerksam.