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Hobby Die große Fantasy-Welt in kleinen Zinnfiguren

Die Fantasy-Welt ist seine Welt. Manfred Sebon aus Kleinmühlingen ist von ihr fasziniert: Bücher, Figuren, Spiele.

Von Heike Liensdorf 20.01.2016, 00:01

Kleinmühlingen l Die „Schuldfrage“ ist schnell geklärt: Das Computerspiel „Das Schwarze Auge“ ist dafür verantwortlich, dass Manfred Sebon seit 1992 nicht mehr von dem gleichnamigen Pen-&-Paper-Rollenspiel (ein Rollenspiel mit Stift und Papier, ganz ohne Computer, siehe Infokasten) lassen kann. Und mit dieser Begeisterung zu seiner Zeit als Lehrer auch zahlreiche Schüler angesteckt hat. Einige tauchen noch heute regelmäßig mit ihm in die Fantasy-Welt Aventurien ein.

Doch der Reihe nach. Manfred Sebon lässt sich schon als Kind auf die utopische Welt ein. Der 1945 im thüringischen Heiligenstadt Geborene liest als Kind das Buch „Plutonien“ (1954 erschienen). „Forscher stoßen auf Saurier ...“, kann er sich noch heute gut erinnern und sagt: „Damit war mein Interesse an Science-Fiction-Romanen geweckt.“ Und er gesteht, dass das dann „exzessive“ Ausmaße angenommen habe. „Wenn ich nur gelesen hätte“, sagt er augenzwinkernd. „Ich habe gelesen und gesammelt. Science-Fiction-Literatur aus der DDR, aus Deutschland.“ Eine Quelle sei für ihn die Pirckheimer-Gesellschaft (Vereinigung von Bibliophilen, Graphik- und Exlibris-Sammlern) gewesen.

Manfred Sebon muss nicht lange überlegen, warum es ihm die Science-Fiction-Romane angetan haben. „Vielleicht ist es ein bisschen das Fernweh, das ich immer hatte. Ich finde es faszinierend, wie man sich eine andere Welt vorstellen kann.“ Ihn habe interessiert, wie sich zu DDR-Zeiten die Sicht auf die Zukunft veränderte. In den 1960er Jahren sei alles noch rosarot gewesen, in den 1970/80er Jahren sei die Literatur aufgrund kritischer Äußerungen stark zensiert worden, weiß der Kleinmühlinger zu erzählen. „Der Autor Wolfgang Schreier hatte zum Beispiel mit seinen Science-Fiction-Ansätzen enorme Schwierigkeiten. Vieles durfte gar nicht erscheinen. An seine Bücher ranzukommen, war schwierig.“ Geld allein habe da nichts genützt, man musste Leute kennen. Und diese kannte er. Unter anderem durch Annoncen in der „Wochenpost“. „Wenn man sich traf, stellte man fest: Bei allen sieht es gleich aus. Macht man die Tür auf, stolperte man über Bücher“, erzählt Manfred Sebon und muss schmunzeln. Die Tauschwährung: westdeutsche Bücher.

Irgendwann habe er angefangen, mit westdeutschen Sammlern Literatur zu tauschen. „Kurd Laßwitz hat um 1880 angefangen, utopische Romane zu schreiben. Einer spielt auf zwei Planeten. Der Roman besteht aus zwei Bänden und hat 1000 Seiten“, erzählt der 70-Jährige ganz begeistert und fügt an: „Über die Jahre habe ich zehn verschiedene Ausgaben davon gesammelt. Die kürzeste hat 100 Seiten im Groschenheft-Format.“ Von seinem Hobby hat der Lehrer - einst in Großmühlingen, Calbe und Staßfurt tätig gewesen - gern berichtet und Vorträge in verschiedenen Schulen und der Bibliothek Calbe gehalten.

Mit der Wende kam die Science-Fiction-Flut. Da habe es davon viel zu viel Literatur gegeben, man hätte sich spezialisieren müssen, erklärt er.

Und dann war da das Jahr 1992. „Mein Sohn, damals 12, und ich haben uns einen Computer und ein Spiel dazu gekauft. Im Laden gab es aber nur eines - ,Das Schwarze Auge‘.“ Und dann sagt Manfred Sebon: „Das Spiel ist an all dem Ganzen hier schuld“, und zeigt eine Runde durchs Zimmer. Bücher und Fantasy-Zinnfiguren, wohin das Auge blickt. „Das Computerspiel hat uns von der ersten Minute an fasziniert. Und in der Verpackung lag Werbung über das gleichnamige Pen-&-Paper-Rollenspiel.“ Sie haben sich schlau gemacht, was das ist und wie man es spielt, haben alle Utensilien gekauft. Und dann hat Manfred Sebon es mit seinem Sohn und seiner Tochter gespielt. „Am Wochenende stundenlang ...“, erinnert er sich. Was daran so faszinierend ist? „Das Fantastische, das Loslösen von allen Zwängen der Welt. Wer darin eintaucht, vergisst alles“, schwärmt der Kleinmühlinger.

„Das Schwarze Auge“ nimmt die Spieler mit in die Welt Aventurien. Und begeistert damit Zehntausende alleine in Deutschland, weiß Manfred Sebon. Gerade Anfang der 1990er sei es gefragt gewesen. Es habe Zeitschriften und Treffen gegeben. „Ich war mal bei einem Treffen in Hannover. Unmengen von Leuten, Diskussionen, Workshops“, erinnert er sich.

Er und seine Kinder sind beim Spiel geblieben, weg vom Computer, hin zu Figuren. Und zwar zu Zinnfiguren, die er selbst bemalen konnte. „Meine ersten Figuren kamen mit vier Farben aus“, erzählt er schmunzelnd. „Aber meine Fähigkeiten sind immer besser geworden. Und so war ich angestachelt und habe mir Figuren gekauft, auch wenn ich sie im Moment gar nicht gebraucht habe. Das wussten auch die Spieler zu schätzen, denn ich hatte für jede Szene die richtige Figur.“

Mittlerweile zählt Manfred Sebon etwa 2000 Vollfiguren aus Zinn für 49 sogenannte Dioramen (Szenen). Alles Miniaturen aus einer Fantasy-Welt, die aus der Phantasie ihrer Schöpfer entstanden ist und durch tausende Spieler vervollständigt wurde. Die Modelle sind im 30-Millimeter-Maßstab. Das heißt, eine Menschenfigur durchschnittlicher Größe hat im Modell diese Höhe, das entspricht etwa dem Größenverhältnis 1:60. Dazu kommen Geländeteile wie Flüsse, Hügel und Bäume - allesamt handelsübliche Modelle. Die Häuser sind sowohl Eigenbau als auch Fertigmodelle. Teils bemalt er die Zinnfiguren nach Vorlagen, teils nach seinen eigenen Wünschen. „Das ist ja das Gute an Fantasy: Alles ist erlaubt“, sagt Manfred Sebon.