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Nachgefragt Wer malte Mühlinger Madonna?

Beim Durchstöbern des Pfarrhauses in Großmühlingen fiel drei Frauen 2006 ein Schatz in die Hände: ein Raffael-Bild, wenngleich eine Kopie.

Von Ulrich Meinhard 15.02.2016, 18:29

Großmühlingen l Von einer - ohne Übertreibung - kleinen Sensation hat die Volksstimme mehrfach in den Jahren 2006 und 2007 berichtet. Auf dem Dach des Pfarrhauses hatten drei Frauen vom Kirchbauverein ein Gemälde gefunden. Es war damals in einem sehr schlechten Zustand. Dicke Kratzer gingen quer über die Leinwand, die wiederum von Feuchtigkeit durchdrungen war. Das Bild zeigt die Jesusmutter Maria, mit ihrem Kind auf dem Schoß. Den drei Frauen war trotz des schlechten Zustands des Bildes sofort klar: Das ist etwas Besonderes.

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Sofort benachrichtigten sie die in Plötzky lebende Restauratorin Anna-Maria Meussling. Nach einigen Recherchen ihrerseits war klar: Es handelt sich um eine Kopie des Raffael-Gemäldes „Madonna Terranuova“. Raffael, eigentlich Raffaello Sanzio da Urbino - lebte von 1483 bis 1520. Er machte sich einen Namen unter anderem durch seine lieblichen Madonnenbilder. Die Schönheit in der Kunst auszudrücken, war sein Credo. Er galt lange Zeit als der größte, talentierteste Maler der Welt, lebte in Florenz und Rom, wo er, erst 37 Jahre alt, starb.

Und ein Raffael-Bild, wenngleich von einem anderen Künstler wahrscheinlich um 1830 kopiert, stand einfach so auf dem Dachboden des Pfarrhauses von Großmühlingen herum.

Nachforschungen ergaben, dass das Bild irgendwann aussortiert worden war, weil es „nicht gefiel“. Welcher seltsame Geschmack zu einer solchen Handlung verleitet haben mag, sei dahingestellt. Jetzt war es wiedergefunden. Die Volksbank sponserte die Restaurierung, um die sich Anna-Maria Meussling kümmerte.

Die originale „Madonna Terranuova“ (benannt nach dem späteren Besitzer des Gemäldes) entstand irgendwann zwischen 1504 und 1508. Neben dem Jesuskind und seiner Mutter sind der junge Johannes (Johannes der Täufer) und ein anderer heiliger Knabe dargestellt, dessen Identität nicht zuzuordnen ist. Das Orginal ist im Besitz der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz. Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. erwarb das Bild 1854. Kurz nach der Wiederentdeckung der Kopie gab es ein Gespräch mit einem Berliner Kunsthistoriker. Die Kopie war ihm unbekannt. Es gibt allerdings noch eine zweite Kopie, die der Maler Bolte 1851 während eines Aufenthaltes in Florenz anfertigte. Diese Kopie ist im Potsdamer Schloss Sanssouci ausgestellt. Die Großmühlinger Variante gilt als deutlich besser gelungen. Interessant ist auch, dass der Bildrahmen eine florentinische Arbeit und höchstwahrscheinlich der Originalrahmen des Bildes ist.

Nach der Restaurierung sind weitere Recherchen angestellt worden, um den Kopisten zu ermitteln und das Entstehungsjahr herauszufinden. Was ist daraus geworden?

„Wir haben bis heute keine neuen Erkenntnisse“, gesteht der stellvertretende Vorsitzende des Kirchbauvereins Großmühlingen, Claus Fritze. Er hebt bedauernd die Schultern.Anna-Maria Meussling erklärt auf Nachfrage der Volksstimme, dass trotz aller Bemühungen die Spur des Künstlers nicht zu finden war. „Es kann nur im Auftrag des preußischen Königs gemalt worden sein“, verweist sie auf die Gesetzeslage. Nur der König, in dem Fall der preußische, durfte eine Kopie in Auftrag geben. So finden sich auch in den Anlagen von Wörlitz einige Kopien von Bildern großer Meister. Anna-Maria Meussling ist sich sicher, dass es in Großmühlingen einst noch mehr Kopien gegeben haben muss. Wohin sie gelangten - niemand weiß es.

Apropos: Am 7. Februar ist in der St.-Stephanie-Kirche Calbe eine ebenfalls von Anna-Maria Meussling restaurierte Kopie der Kirchengemeinde übergeben worden. Sie zeigt nichts Geringeres als die berühmte Sixtinische Madonna von Raffael (das Original befindet sich in der Dresdener Gemäldegalerie). „Der Calbenser Ludwig Goll hat das Bild 1881 gemalt. Es ist nicht ganz so groß wie das Original, hat nicht ganz dessen Farben, ist aber ohne Frage ganz hervorragend“, hält die Restauratorin fest. Der Gemeinde zur Verfügung gestellt hat das Bild, das sich lange in Familienbestz befand, Monika Weber, die Enkelin des Kopisten.

 

Die Mühlinger „Madonna Terranuova“ kann in der Kirche des Bördelandortes bestaunt werden. Direkt an der Sakristei hat sie ihren Platz gefunden und wertet das Gotteshaus wunderbar künstlerisch auf.

Ist denn damit zu rechnen, dass sich weitere Überraschungen dieser Art auftun? Eine Kopie der Mona Lisa vielleicht? Anna-Maria Meussling muss über diese Frage lachen: „Im Moment ist jedenfalls nichts bekannt“, sagt sie.