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Kochkurs Ausflug in die Welt des Orients

In die orientalische Welt der Kochkunst führte ein Kurs, den die Kreisvolkshochschule angeboten hat.

Von Ulrich Meinhard 08.04.2016, 18:12

Schönebeck l „Typisch orientalisch“. So war ein Kurs überschrieben, den die Volkshochschule anbot. Und im Gegensatz zu manch anderem Kochkurs war er im Vorfeld schnell ausgebucht. 15 Teilnehmer, allesamt Frauen (nein, stimmt nicht, der zehnjährige Jannes Arlt aus Calbe vertrat das männliche Geschlecht), waren in die Schönebecker Tischlerstraße gekommen. Und die kulinarische Reise ging, wie von den meisten auch erwartet, in Richtung Exotik - jedenfalls aus mitteleuropäischer Sicht. Das zeigte schon der Blick auf die Liste der Speisen, die zubereitet werden sollten. „Tabula“ etwa oder „Baklawa“.

Chefkoch an diesem Vormittag ist Samer Al-Saiegh. Ein gebürtiger Iraker. Kein gelernter Koch. Der 75-Jährige hat vor seiner Emigration aus politischen Gründen als Filmregisseur gearbeitet. Aber das Kochen liegt ihm am Herzen. So hat er für den Kurs ein „Drehbuch“ geschrieben, das mit Auberginen mit Joghurt beginnt, bei Hähnchen mit getrockneter Zitrone seinen dramaturgischen Höhepunkt und mit einem Beduinen-Mokka seinen magenwärmenden Ausklang findet.

Da er wusste um die große Frauenschar, entschied er sich für eine im Libanon typische Vorspeise, die Frauen lieben: im kalten Wasser angesetzter Bulgur mit Salat. Davon bleibt jedenfalls nichts übrig. Gut kommt auch die zweite Vorspeise an: Auberginen mit Joghurt. Das Besondere daran ist die Würzzutat Pfefferminze, hier als Pulver verwendet. Zusammen mit Fladenbrot ein erfrischender Genuss. Zu den Hauptspeisen gehören Reis mit Rosinen und Mandeln, Auberginen mit Hackfleisch und die bereits erwähnten Hähnchenkeulen mit getrockneter Zitrone. Die kleinen, verschrumpelten Zitrusfrüchte würden in Deutschland wahrscheinlich als nicht mehr genießbar in den Biomüll entsorgt. In dem Fall aber werden die Früchte nach dem Entkernen (wichtig, da sich sonst ein bitterer Geschmack einstellt) gemahlen. Für die Nachspeise, die Baklawa, ist hauchdünner Blätterteig nötig, wie es ihn wohl nur in orientalischen Geschäften gibt. Und Blumenwasser. Gibt es auch nur dort. Dafür müssten Salzländer allerdings nach Magdeburg fahren, dort bieten mindestens vier solcher Geschäfte ihre Produkte an.

Alles in allem schnippeln, rühren und kochen Samer Al-Saiegh, die Frauen und Jannes Arlt gut drei Stunden. Das Verkosten, besser gesagt das vollständige Aufessen der Speisen dauert dann nur gut eine dreiviertel Stunde.

Danach fragt die Volksstimme nach Spaßfaktor, Informationsfaktor und Genussfaktor. Die übereinstimmende Antwort jeweils. „Hoch“. Einige Gerichte will Jeanette Ladebeck aus Schönebeck gerne nachkochen. „Auf jeden Fall. Etwa, wenn mein Mann von der Arbeit kommt, könnte ich ihn so überraschen.“ Ihre Mutter Barbara Nakajew hatte sie gefragt, ob sie mitkomme zum Kochkurs. Die Tochter sagte ja und ließ dafür den eigentlich geplanten Besuch der Leipziger Buchmesse sausen.

Die vier Freudinnen Lisa, Julia, Laura und noch einmal Julia schenkten den Kochkurs Lisa zum Geburtstag. Zum 23. Was den jungen Frauen auffällt, ist das üppige Verwenden von Öl (diesbezüglich muss im nahegelegenen Supermarkt schnell noch nachgeordert werden) sowie die interessanten Gewürzmischungen mit Kardamom, Muskat, Nelken, Piment, Zimt und schwarzem Pfeffer.

Noch einen orientalischen Tipp hat Samer Al-Saiegh, um Kopfschmerzen den Garaus zu machen: Getrocknete Zitronen zwei Minuten in Wasser kochen und als Tee trinken. „Und weg sind sie“, versichert er.

Sibylle Fritzsche, die als Mitarbeiterin der Kreisvolkshochschule den Kurs organisiert hat, freut sich über die große Resonanz. Sie meint zusammenfassend: „Die meisten Zutaten kennen wir. Aber die meisten Gerichte kennen wir nicht.“ Sie kann sich vorstellen, einen solchen Kochkurs noch einmal anzubieten, vielleicht im Herbst.

Abschließend möchte die Volksstimme vom Dozenten wissen, was er an Deutschland schätzt. Erst einmal bei den Speisen. Er zählt auf: „Spargel, Eisbein, Linsensuppe, Grillwürstchen.“ Aber Schweinefleisch als Araber? Es stellt sich heraus, dass Samer Al-Saiegh Christ ist. Er zählt über das Essen hinaus weiter auf: „Frieden, Verfassung, Menschlichkeit.“ Aber die Heimat bleibe immer die Heimat.

Bedauert er es nicht, nicht mehr als Regisseur arbeiten zu können? Ja, Ideen hätte er schon für Filme, etwa die Flut 2013 oder Kaiser Otto I. Aber so, wie es ist, ist es eben. „Das ist mein Schicksal. Ich habe dafür andere Erlebnisse.“