1. Mai Mit und ohne Politik

Wenngleich „Tag der Arbeit“ war, hatten die meisten Schönebecker arbeitsfrei. Sie genossen das Wetter bei Radtouren und Festen.

Von Olaf Koch 02.05.2016, 03:09

Schönebeck l Petrus muss ein radfahrender, linker, in der Gewerkschaft organisierter Sozialdemokrat sein. Denn was der Wettergott am Sonntag zeigte, war seine sonnige Seite, mit annehmbaren Temperaturen für Groß und Klein. Die Schönebecker genossen den arbeitsfreien Tag.

„Das gibt‘s doch gar nicht!“ Wilfried Kiske vom Plötzkyer Heimatverein war wirklich überrascht. Er hatte gemeinsam mit dem Ferienpark des Dorfes eine Radtour entlang des Urstromtales der Elbe organisiert. Als er mit 32 „Pedalrittern“ an der Haberlandbrücke auf die Schönebecker Gruppe wartete, traute er plötzlich seinen Augen nicht: Über den Deich kam ein Strom Radfahrer, der einfach nicht endete. 76 kleine und große Radler stießen zu der ostelbischen Gruppe dazu. „Diese Resonanz zeigt mir, dass wir alles richtig gemacht haben. Solche Radtouren werden angenommen, das machen wir im Spätsommer vielleicht mal wieder“, verkündete der engagierte Vereinsvorsitzende im Gespräch mit der Volksstimme. Einfach nur mit dem Rad durch die schöne Elblandschaft fahren, reichte den Organisatoren nicht aus. Sie machten an bestimmten Stationen Stopp und gaben den Fahrradfreunden interessantes Wissen mit auf dem Weg. Denn wer weiß beispielsweise schon, warum die Haberlandbrücke Haberlandbrücke heißt?

„Nein, das hat nichts mit meinem Opa zu tun, der Haberland hieß“, merkte Kiske süffisant an. Viel mehr kommt der Name aus dem alten Sprachgebrauch der Plötzkyer. Hinter dem Deich in Richtung Elbenau wurde früher Hafer angebaut. Bei den Einwohnern wurde das schnell zu „Habber“. So kam die Brücke zu ihrem Namen.

Als im Kurpark Bad Salzelmen Nachtwächter Jeff Lammel seine Schatzsuche mit Kindern und Erwachsenen beginnen wollte, verblüffte ihn ein Steppke: „Bist du die Hexe?“, fragte der Kleine. Die war er nicht, auch nicht der Hexer. Viel mehr ist Jeff Lammel der Nachtwächter von Groß Salze, der gestern im Übrigen ein Jubiläum beging: Seit nunmehr zehn Jahren ist der Künstler und Gästeführer in der Elbestadt und darüber hinaus unterwegs und verkörpert historische Figuren.

Derzeit bereitet Lammel das große Nachtwächtertreffen im Herbst in Schönebeck vor. Mindestens 15 bundesweit agierende Figuren werden an die Elbe kommen.

Sehr gemütlich ging es beim Familienfest bei den Schönebecker Sozialdemokraten auf dem Bad Salzelmener Tränkeplatz zu. „Nicht weinen, wählen!“ stand in großen Buchstaben auf den Packungen Papiertaschentücher, die als Werbegeschenk auf einem Tisch lagen. Wer sie nach dem Wahldebakel mehr brauchte – die Genossen oder die Bürger – blieb offen. „Nein, wir wollen heute keine großen politischen Reden halten“, diktierte Ortsvereinsvorsitzende und Landessozialministerin Petra Grimme-Benne dem Reporter in den Block. Der Spaß für die Kinder, grillen, essen und trinken standen im Vordergrund. Zum zwölften Mal lud die SPD zu ihrem Familienfest ein.

Seit 18 Jahren ist der Bierer Berg das Ziel der Partei Die Linke, von Gewerkschaften und anderen Organisationen. Dort oben zwischen den 180 Tieren steppte der Bär – sozusagen. „Ich gebe zu, dass wir nicht ganz sicher waren, ob die Menschen in diesem Jahr zu uns hierherkommen, weil es sehr viele Leute gibt, die eine andere Politik gewählt haben“, sagte Sabine Dirlich, die die Veranstaltung erneut moderierte. Sie bezog diese Aussage auf das zurückliegende Wahlergebnis. Doch die Linken wurden eines Besseren belehrt. „Wir machen weiterhin ein Familienfest, und die Besucher wissen, dass wir sie nicht mit Politik verschonen“, beschreibt Dirlich das übliche Konzept.

Wichtig dabei ist immer, dass auch der natürlich engste Partner der Partei – die Gewerkschaften – mit dabei sind. So nutzte unter anderem Gewerkschaftssekretär Thomas Waldheim (Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt) die Plattform, um über den aktuellen Stand der Tarifverhandlungen zu berichten und warum die derzeit von der Arbeitgeberseite vorgeschlagenen 2,0 beziehungsweise 2,5 Prozent viel zu wenig sind. Seine Prognose war dem Wetter an diesem Tag entgegengesetzt düster: „Wenn wir uns bei der vierten Verhandlungsrunde Mitte Mai nicht einigen, stehen alle Zeichen auf Sturm“, kündigte Waldheim an. Ein bisschen mehr Petrus wäre jetzt wünschenswert.