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Mühlentag 25 Jahre Hobby-Windmüllerei

Am Pfingstmontag ist Deutscher Mühlentag. Dann lädt auch der Sachsendorfer Mühlenverein auf sein Windmüllergelände ein.

Von Thomas Linßner 12.05.2016, 18:17

Sachsendorf l Eines steht fest: Wenn die DDR noch ein paar Jahre länger existiert hätte, würde nur noch ein Balkenskelett an Sachsendorfs Mühle erinnern. Oder ein Brennholzberg, wie in Tornitz. Heute drehen sich ihre Flügel wieder munter im Wind. Der Sachsendorfer Mühlenverein ermöglicht es. Die Aktivisten der ersten Stunde machten sich kurz nach der Wende ans Werk, um aus dem traurigen Holzskelett wieder eine Windkraft zu machen. Gustav Radespiel, der in die Windmüller-Dynastie Liebeherr eingeheiratet hatte und Kraftfahrzeug-Lehrmeister bei der Post war, initiierte die Gründung des Mühlenvereins. So kam man in den Genuss von Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM) und Fördermitteln.

Gustav Radespiel ist mittlerweile leider verstorben, Martin Häniche (64) der Vorsitzende. Im Verein aktiv ist auch Gustavs Ehefrau Eva (76), die Gründungsmitglied und heute im Vorstand ist. Eigentlich könnten die Sachsendorfer Hobby-Windmüller eine alte Volksweisheit über der Tür einschnitzen: Der frühe Vogel fängt den Wurm. Denn hätten sie ein halbes Jahr später dazu angesetzt, ihre Mühle zu sanieren, wären die Fördermöglichkeiten nicht mehr so üppig gewesen.

Wobei auch das Schicksal ein bisschen den Hebel ansetzte. Wie sich Eva Radespiel erinnert, hatte sich ihre Familie eigentlich mit dem schlechten Zustand der Mühle abgefunden. Bis Bürgermeister Heinrich Engler 1991 kam und sagte: „Wenn ihr nicht die Kraft habt - wir haben sie. Ihr müsst die Mühle aber der Gemeinde übereignen.“ Bei diesem gut gemeinten Angebot hatten die Radespiels aber ein mulmiges Gefühl im Magen. Übereignen???

An der Ehre gepackt, scharte Gustav Radespiel, der eigentlich nichts von der Windmüllerei verstand, ein paar engagierte Sachsendorfer um sich. „Zur Vereinsgründung waren wir 14 Leute“, erinnert sich Eva. Und die legten Dank einer Vergabe-ABM, Sachkosten und qualifizierten Zimmerleuten los. (Begriffe, deren Bedeutung man heutzutage googlen muss ...) Die erste große Aktion war das Holen einer Eiche aus dem Lödderitzer Forst. Sie war leicht gekrümmt und wurde als „Mühlenschwanz“ oder Sterz gebraucht.

Zur Seite standen den Sachsendorfern mehrere Mühlenenthusiasten aus der Ferne. „Besonders Thorsten Neitzel aus dem Ohrekreis hat uns angestachelt und fachlich beraten“, erzählt Eva Radespiel.

Das Kammrad (das ist jenes, welches die vertikale Drehbewegung der Flügel in eine horizontale übersetzt) hat einen Durchmesser von 3,10 Meter. Gustav Radespiel & Co. holten es aus Pabsdorf (bei Halberstadt), wo eine Mühle stand, der nicht mehr zu helfen war. Abgesehen von dem komplizierten Einbau war der Transport spannend. Das Teil jagte wegen seiner Überbreite dem Spediteur einen Schauer über den Rücken. Eine Genehmigung für die Sonderfuhre, deren Mangel die Behörden heute in Schnappatmung versetzen würde, holte man damals nicht ein.

Unvergesslich ist bis heute die Aktion vom Dezember 1995 mit einem Mobilkran. Der sollte den sanierten Mühlenkörper auf das Bockgerüst setzen. Doch der Hub ging schief, der Kran drohte infolge zu heftigen Windes samt Mühle umzukippen. „Wir waren ganz schön frustriert. Anschließend haben wir viel Glühwein getrunken und schon wieder einen neuen Plan gemacht“, erinnert sich Martin Häniche lächelnd. Eine Woche später brachten die Sachsendorfer das 30 Tonnen schwere Teil mit Hydraulikhebern, Geduld und Spucke in Position. Zum Freizeit-Windmüller qualifiziert hat sich der Tischler Reinhard Höfflin, der so etwas wie der Technische Leiter ist. Er besitzt nicht nur handwerklichen Sachverstand, sondern auch müllerischen. Mehrere Säcke selbst produzierten Schrotes beweisen es. Der 49-Jährige schrotet in Vorbereitung öffentlicher Mühlenführungen, damit die Leute auch Ergebnisse sehen und riechen können. Besonders Letzteres spricht die Sinne an. Es riecht nicht nach Holzschutzmittel oder Farbe, sondern nach Mehl. Die Mühle lebt …

So um die Jahrhundertwende ließ der Windmüller einen Walzenstuhl einbauen, der nicht mehr über hölzerne Wellen und Zahnräder, sondern per Transmission angetrieben wurde. Die Eisenmaschine mit den Stahlwalzen brachte offensichtlich eine höhere Leistung als herkömmliche Mahlsteine. Reinhard Höfflin erklärt in diesem Zusammenhang, dass „ … allerdings Mehl vom Stein besser ist“.