Friedensfahrt Witzige Anekdoten

Einstige Friedensfahrtteilnehmer erinnern sich im Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen.

Von Jürgen A. Schulz 26.05.2016, 23:01

Kleinmühlingen l Es war einfach nur schön im Friedensfahrtmuseum „Course de la Paix“ in Kleinmühlingen. Den vielen Gästen hatten der immer rührige Horst Schäfer und seine Vereinsmitglieder vom Radsport- und Friedensfahrtverein einen Nachmittag vorbereitet, den so mancher Gast sicher nicht vergessen wird.

Unter dem Motto „Friedensfahrtteilnehmer erinnern sich“ waren liebe Gäste und Freunde der Einladung zu diesem Treffen nach Kleinmühlingen gefolgt. Neben dem unverwüstlichen 85-jährigen Gustav Adolf (Täve) Schur aus Heyrothsberge hatten der 77-jährige Friedensfahrtteilnehmer Tarek Aboul Zahab aus Beirut (Libanon) und der langjährige Masseur der niederländischen Friedensfahrtmannschaft Be Huizing aus Bedum bei Groningen (Niederlande) Platz genommen. In lockerer und vor allem lustiger Wortwahl wurden Episoden aus der Vergangenheit der Friedensfahrt dem sehr aufmerksamen Publikum präsentiert. Was gab es da nicht alles zu erlauschen.

Huizing war immer noch voll des Lobes über die gute Organisation bei der Friedensfahrt. Wenn er am Etappenort seine Schützlinge nach Rennende weichkneten musste, dann waren Massagebank, Gepäck und Medizinkoffer in seinem Zimmer - sie waren sogar schon aufgebaut. Hatten die fleißigen Helfer alles schon gemacht. Das gab es noch nicht einmal bei der „Tour de France“ oder beim „Giro de Italia.“

Übrigens: Be Huizing hat auf dieser Massagebank 50 Radsportweltmeister massiert und diese Bank dann dem Friedensfahrtmuseum in Kleinmühlingen übergeben. Der letzte „Kunde“ auf dieser Bank war allerdings eine Weltmeisterin. Anlässlich der Übergabe vor Ort erhielt die anwesende Elisabeth Eichholz aus Schönebeck von Be Huizing eine kurze Nackenmassage. Somit ist Elisabeth Eichholz die ewige Nummer 50 im Weltmeisterreigen. Elisabeth Eichholz war Radrennfahrerin und Weltmeisterin/Straße. Sie errang diesen Titel 1965 in San Sebastian in Spanien.

Tarek Aboul Zahab, der seinen älteren Bruder als Übersetzer an seiner Seite hatte, erzählter über seine ersten Schritte auf dem Fahrrad. Das erstaunliche dabei war, dass er und sein Bruder, das Radfahren in der Wohnstube gelernt haben. Das Zimmer war so groß, dass man ganz bequem seine Runden drehen konnte. Beide Jungen der Zahabfamilie aus Beirut wurden dann im Laufe ihres Sportlerlebens sehr bekannte internationale Radsportler. Die 58 Minuten für 40 Kilometer Zeitfahren, aufgestellt von Tarek A. Zahab vor vielen Jahren, hat immer noch kein libanesischer Radsportler im Libanon geknackt.

Doch Schäfer wäre nicht Schäfer, wenn er mit seinen Mannen und Frauen eine Veranstaltung auf die Beine stellt.

Leicht schmunzelnd, fragte er Täve Schur, wie viele Male er DDR-Meister gewesen ist. Täve musste kurz überlegen und dann kam er auf fünf DDR-Meistertitel. Daraufhin rief Horst Schäfer das Kleinmühlinger Urgestein Udo Richter in den Ring. Udo Richter, heute etwas vollschlanker als zu seinen aktiven Wettkampfzeiten, konnte dem staunenden Publikum dann berichten, dass er mit seinen Sportfreunden im Kunstradfahren 42-facher DDR-Meister im Laufe der Jahre gewesen ist. Ein Beifall auf offener Szene aus dem Publikum war da mehr als angebracht und machte den großen, starken Mann ein ganz klein wenig verlegen. Doch Ehre, wem Ehre gebührt. Richter trug mit seinen Geschichten dazu bei, dass die anwesenden Radsportfreunde auch einmal tiefer in die Welt der Kunstradfahrer eintauchen konnten. Und das waren Geschichten. Da wurde von Reifen geredet, die die Verwandten aus dem Westen geschickt haben, damit die Kleinmühlinger an großen Wettkämpfen teilnehmen konnten.

Ein wenig Wehmut kam allerdings auf, als Richter erzählte, dass er und seine Sportfreunde nie zu internationalen Veranstaltungen in westliche Länder reisen durften, obwohl sie große Chancen auf Spitzenplätze gehabt hätten. Erst nach der Grenzöffnung im November 1989 sind sie dann zu einem internationalen Wettkampf in die damalige BRD nach Worms gefahren. Als dann zur Eröffnung die DDR-Hymne gespielt und die Flagge mit Hammer und Zirkel aufgezogen wurde, da flossen Tränen.

Schade, dass die Kunstradfahrer um Richter erst sehr spät diese für sie schönen Augenblicke erleben durften. Richter übergab dem Friedensfahrtmuseum dann sein Kunstfahrrad und ein Trikot, welches DDR-Meister nach Erhalt des Titels immer tragen durften.

Nach über zwei Stunden ging dann an diesem sonnigen Nachmittag im Friedensfahrtmuseum eine sehr schöne Veranstaltung zu Ende. Schön auch für Familie Schäfer, denn der Initiator des Museums und der Veranstaltung Horst Schäfer hatte ja an diesem Sonntag auch noch Geburtstag. Aber was kann es auch für einen „Friedensfahrtverrückten" Schöneres geben, als im Kreise von Gleichgesinnten über die Friedensfahrt zu reden.