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Gerichtsprozess Nicht ausländerfeindlich?

Drei Männer und zwei Frauen müssen sich vor dem Amtsgericht Schönebeck verantworten. Vorwurf: Versuchte gefährliche Körperverletzung.

Von Bernd Kaufholz 21.06.2016, 23:01

Schönebeck l Das fing ja gut an: Bereits nach drei Minuten musste der Prozess gegen das (eigentlich) Sextett von der Vorsitzenden Richterin, Sigrun Lehmann, unterbrochen werden. Zwei der Angeklagten waren nicht erschienen. Robert S. (27 / „Ich habe den Termin vergessen“) schaffte es zwar noch 50 Minuten später und in orangefarbener Arbeitskleidung in den großen Gerichtssaal, Gordon K., hingegen, der sich aufgrund einer Operation im Krankenhaus befinden sollte, blieb verschwunden. Eine Nachfrage im Ameos Klinikum Schönebeck ergab: Gordon K. gibt‘s hier nicht. Sein Verfahren wurde abgetrennt.

Andy B. (19), René B. (25) und Robert Schuhmacher wird versuchte gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mandy B. (31) und Genevieve S. (26), alle aus Schönebeck ,sollen dabei geholfen haben.

Staatsanwalt Arnold Murra schilderte in der Anklage das Geschehen am 20. August 2014 in Schönebeck. Die männlichen Angeklagten seien gegen 21.45 Uhr in das Asylbewerberheim (ehemalige Schifferschule) eingedrungen, um Asylbewerber aufzumischen. Einer der Angeklagten habe eine Machete, ein zweiter ein langes Messer dabei gehabt. Zuvor hätten sich die Frauen als Lockvögel betätigt, um drei bestimmte Ausländer aus dem Gebäude zu bekommen. Dafür sollen sie eine Notsituation vorgegaugelt und um ein Handy gebeten haben.

Hintergrund für den Überfall auf das Heim soll der Facebook-Eintrag einer heute 20-Jährigen gewesen sein. Stefanie K. hatte am 19. August 2014 öffentlich gepostet, dass sie und ihre Freundin auf dem Nachhauseweg von Magdeburg nach Frohse von drei Männern (Türken/Kurden) „Kussgeräuschen und Hinterherpfeifen“ belästigt worden sei. Sie hätten große Angst gehabt und als ihnen die Männer hinterher gekommen seien, seien sie davongerannt .“ Das soll der Startschuss für die „Strafaktion“ am nächsten Tag gewesen sein.

Gibt es zur Internet-Mitteilung keine unterschiedlichen Meinungen, gehen sie zum Danach allerdings weit auseinander. Die Angeklagten (Andy B. und seine Mutter Mandy äußern sich nicht zur Sache) sagten aus, dass Stefanie K. sie aufgefordert habe, den Fall im Asylbewerberheim zu klären. „Wir wollten die Leute zur Rede stellen, weil es Stefanie abgelehnt hatte, der Polizei den Vorfall vom Bahnhof zu melden“, sagte René B., der aus der Jugendanstalt Raßnitz (sechs Monate unter anderem wegen gefährlicher Körperverletzung) ins Gericht gebracht worden war. An Gewalt habe man niemals gedacht. Einen ausländerfeindlichen Hintergrund habe die Sache ebenfalls nicht gehabt. Dass er ins Gebäude rein sei, sei nur seinem „Herdentrieb“ geschuldet. Die Machete habe der nicht anwesende Gordon K. in der Hand gehalten. Eine ähnliche Waffe, die bei ihm anlässlich einer Haussuchung gefunden worden sei, sei erst nach der Sache im Asylbewerberheim von seiner Verlobten Jennifer gekauft worden.

Die Strafverteidiger Thorsten Bornholdt und Thomas Ferwerda, die Robert S. beziehungsweise Genivieve S. vertreten, verlasen Aussagen ihrer Mandanten. Darin wiesen sie die Vorwürfe von sich - „unzutreffend“. „Züchtigungen und Schläge“ seien nie geplant gewesen. Weitere Nachfragen zum Vorwurf würden nicht beantwortet.

Jennifer, die Verlobte von René B. versuchte im Zeugenstand so gut es ging, den Angeklagten rein zu waschen. Allerdings verstrickte sie sich mehrfach in Widersprüche, so dass der Staatsanwalt sie deutlich darauf hinweisen musste, dass sie „unter Wahrheitspflicht“ und unter „Bewährung“ stehe. Trotzdem blieben nach ihrer Aussage viele Fragen offen.

Ebenfalls aussagen, musste die völlig verängstigte Auslöserin des Unheils. Sie habe niemals andere gebeten, den Fall in irgend einer Weise zu klären, wie jetzt behauptet werde. Ihren Facebook-Eintrag bedauere sie heute.

Übrigens die 20-jährige ist seit Ende Mai dieses Jahres verheiratet - mit einem Asylbewerber. Kontakt zu den Angeklagten habe sie nicht mehr.

Fortsetzung am 28. Juni.