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Alte Zeitung Düngerwerbung und „Cacaoherzen“

Beim Entrümpeln seiner Werkstatt stieß der Barbyer Ralph Gaßler auf eine alte Zeitung von 1893.

Von Thomas Linßner 02.04.2017, 10:40

Barby l „Als ich ihn schon in der Mülltonne hatte, kam auf einmal bedrucktes Papier zum Vorschein“, sagt der 63-Jährige.

Den Redakteuren war auf Seite 1 die Spazierfahrt von Kaiser Wilhelm II. und seiner Gattin einen längeren Artikel wert. Das Kaiserpaar besuchte den Bildhauer Prof. Reinhold Begas und anschließend Generaloberst von Pape, dem es zum 80. Geburtstag gratulierte.

Auf der selben Seite wird eine „entsetzliche Blutthat“ groß aufgemacht, bei der eine Frau und deren Kind in Berlin erschlagen und die Kehle durchgeschnitten wurden.

Interessant ist die Rückseite des vergilbten, brüchigen Papiers. Geschäftsleute aus Calbe und Umgebung bieten per Anzeige Waren und ihre Dienste an.

So wirbt der Deutsche Turn-Verein für den bevorstehenden Masken-Ball im Saal der „Reichs-Kapelle“. Die „Billets“ verkaufen Wilhelm Boden in der Querstraße oder O. Lorenz in der Großen Fischerei. Beim Eintrittspreis machen die Veranstalter Geschlechtsunterschiede: Herren zahlen 75 Pfennig, Damen 50 Pfennig. Was zeigt, dass man bei derartigen Veranstaltungen einem Männerüberschuss entgegenwirken wollte. Geschäftssinn zeigt „Der Vorstand“, wenn er am Abend der Veranstaltung „…elegante, sehr billige Masken-Garderobe“ anpreist.

Die linke Spalte bietet kleineren Vergnügungen viel Raum. Der „Reichs-Verein“ lädt in den „Saal-Pavillon“ ein, in Lam­brechts Gesellschaftshaus ist Bürgerkränzchen, das Deutsche Haus wirbt für sein Tanz-Kränzchen und die „Jungen Mädchen“ aus Schwarz veranstalten einen Maskenball.

Folgerichtig platzierte der Setzer darunter Werbung geistiger Getränke. Dass diese sogar in der Apotheke angeboten wurden, beweist L. Schulz, der Weiß- und Rotweine sowie einen „Medizinal-Tokayer“ wohl feil hält.

Im Ackerbürgerstädtchen Calbe versprachen aber auch immer wieder landwirtschaftliche Erzeugnisse guten Absatz. Die Guano-Werke preisen zur Frühjahrsdüngung ihre „Füllhornmarke“ an, warnen im gleichen Zuge vor „neuerdings auftauchenden geringwertigen Nachahmungen“. Unter der Dünger-Reklame macht die Firma „Stollwerck“ für „Cacaoherzen“ Werbung.

Der Spiegel, hinter dem die Zeitung versteckt war, bewahrte das Geheimnis über hundert Jahre lang. Das Wohnhaus der Familie Gaßler wurde 1847 gebaut. Damals lag es weit vor den Toren der Stadt, die sich erst Ende des 19. Jahrhunderts nach Süden und Westen ausbreitete.