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Alter Der 99-Jährige, der im Garten ackert

Heinz Warnecke ist Orts­chronist mit Leib und Seele. Und: Täglich wühlt der 99-Jährige (!) in seinem Garten.

Von Thomas Linßner 15.05.2020, 01:01

Pömmelte l Als ich Heinz Warneckes Sohn Thomas Anfang der Woche frage, wie es seinem Vater geht, sagt der nur: „Eigentlich wie immer. Täglich fährt er in den Garten. Er wundert sich nur, dass es nicht mehr so geht wie vor 20 Jahren ...“ Da war Heinz War- necke 79. Ein Alter, in dem andere klagen, dass sie nicht mehr so können wie ein 40-Jähriger.

Man findet Heinz Warnecke also im Garten. Täglich.

Mit 99 Jahren, quasi im hundertsten Lebensjahr stehend.

Da wird er sicherlich friedlich unter dem alten Kirschbaum sitzen und versonnen dem Lauf der Wolken folgen. Denn ein Jahrgang wie 1921 hat schon viel erlebt. Er zählt zur „betrogenen Generation“, die ihre Knochen im Krieg hinhalten und in der Nachkriegszeit darben musste.

Doch von wegen in der Sonne sitzen. Der kleine Mann kniet in einem Lavendelbeet und befreit es vom Unkraut. Neben ihm liegt seine Krücke. Heute sagt man etwas feiner „Gehhilfe“ dazu. Es gibt erfreulichere Gartenarbeiten.

Wenn man mit dem Wahl-Pömmelter erzählt, dauert es nur wenige Sätze und er ist bei der Regionalgeschichte. Das Grundstück mit seinem alten Kirschbaum sei mal der Schulleitergarten gewesen. Wie ein Pfarrer seine Pfründe hatte, wurde auch Gartenland dem Lehrer zugestanden, damit er sein nicht gerade üppiges Gehalt aufbessern konnte.

Und wie hieß der Schulleiter damals, will ich wissen. „Na, Hermann Schmidt“, antwortet Warnecke und ein bisschen Vorwurf klingt mit. Nach dem Motto: Den muss man doch kennen. Schmidt sei 1964 gestorben. Danach übernahm sein Kollege Heinz Warnecke den Garten; erst den halben, dann den ganzen. Also zupft und jätet der 99-Jährige seit 56 Jahren auf dieser Scholle, die mit ihrem fetten, dunklen Boden gute Erträge verspricht.

Um die zähen Grasbüschel zwischen dem allzeit duftenden Lavendel aus dem Boden zu bekommen, benutzt der ehemalige Lehrer ein probates Hilfsmittel. Unter die kleine Hacke schiebt er ein Stück Holz. „Das ist sozusagen mein physikalischer Hebel“, lächelt Warnecke still. Und man merkt, dass er dieses Prinzip schon vor 70 Jahren seiner Schuljugend beibrachte.

Der Weg von Heinz War-neckes Wohnhaus in der Glinder Straße bis zum Garten am Burgwall beträgt etwa 500 Meter. Der Pömmelter benutzt dafür sein Fahrrad mit drei Rädern, wie es Menschen mit Gleichgewichtsstörungen verwenden. Es stammt von seiner verstorbenen Frau. Bis vor ein paar Monaten radelte der Senior noch auf seinem „normalen“ Damenrad. „Ich bin ein paar Mal gestürzt. Da ist das hier sicherer“, sagt er. Und außerdem hat das Dreirad einen entscheidenden Vorteil: nämlich einen großen Drahtkorb als Gepäckträger. Heinz Warnecke könnte die 500 Meter auch laufen. Doch wie soll er dann Pflanzgut, Dünger & Co. transportieren?! Das wäre ja dann wohl doch ein bisschen viel für einen 99-Jährigen ...