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Nach dem Orkan Wo Friederikes rohe Kräfte walten

Abgerissene Dächer, umgekippte Bäume und umgewehte Mauern: Sturm "Friederike" hat in der Region Schönebeck Spuren hinterlassen.

Von Emily Engels 20.01.2018, 02:25

Schönebeck/Bördeland/Calbe/Barby l Die Zieglers räumen die Ziegelsteine vor ihrem Grundstück in der Breiten Straße in Welsleben in einen Container. Hinter ihnen deutet sich etwas an, was einst eine Mauer war. „Seit fast zwei Stunden sind wir damit beschäftigt, den Schutt aufzuräumen, den ‚Friederike‘ hinterlassen hat“, sagt Gisela Ziegler. Die Mauer, die um ihr Grundstück stand, habe 50 Jahre gehalten, den Sturm am Donnerstag hat sie jedoch nicht ausgehalten. Ihr Mann Elmar zeigt mit dem Finger auf die andere Straßenseite. „Bis hier gingen die Ziegel“, sagt er.

Doch die Familie aus Welsleben nimmt es gelassen. „Jetzt kommt da erstmal ein Bauzaun hin, dann sehen wir weiter“, so Elmar Ziegler.

Beschäftigt mit den Folgen von „Friederike“ sind auch die Wohnungsbaugenossenschaft (WBG) und die von ihnen beauftragten Firmen. Denn als der Sturm durch Schönebeck fegte, hat er einen Baum Am Stadtfeld zum Sturz gebracht. Der ist auf der Wohnhaus-Fassade der Hausnummer 21 gelandet. „Zum Glück sind die Fenster heile geblieben, für die Bewohner muss es dennoch ein ganz schöner Schock gewesen sein“, sagt WBG-Mitarbeiter Johannes Höber. Die zwei Firmen, die gestern vor Ort waren, wurden nicht nur von der WBG beauftragt, den umgeknickten Stamm zu beseitigen, auch sollen sie die anderen umliegenden Bäume gleich mitfällen. Höber: „Der Sturm hat die Wurzeln gelockert, einen weiteren würden sie nicht aushalten.“

Ansonsten habe Schönebeck am Donnerstag verhältnismäßig gesehen Glück gehabt, berichtet Bauhof-Chef Heinz-Werner Herrler. „Das meiste hat die Feuerwehr erledigt“, sagt er. Insgesamt 39 Einsätze für die Schönebecker Kameraden bilanzierte Stadtwehrleiter Uwe Tandler am Donnerstag.

Eine Stromleitung durchtrennte auch ein umkippender Baum in Welsleben in der Fabrikstraße. „Viele Bürger waren noch am Freitagmorgen ohne Strom“, sagt Mitarbeiter des Bauhofs der Gemeinde Bördeland, Michel Wiechert.

Noch schlimmer hat es jedoch die Grundschule „Juri Gagarin“ getroffen. Der Schulhof war gesperrt, da es neben einigen Bäumen auch zahlreiche Ziegel vom Dach gehauen hat. „Der genaue Schaden kann noch nicht beziffert werden“, so Wiechert weiter.

Während die Sturmschäden in der Einheitsgemeinde Barby auf den ersten Blick relativ überschaubar blieben, kam es am Barbyer Bootshaus dann doch noch zu einem spektakulären Ereignis. Eine Sturmböe hatte das Dach eines Bootshausanbaus aus der Verankerung gerissen und in Richtung Elbe fortgeweht. Dabei legte die 165 Quadratmeter große Zinkblechkonstruktion geschlossen einen Luftweg von rund 70 Metern zurück, flog über mehrere Gebäude. Ein Anwohner, der aus dem Fenster die Wellenkämme auf der Elbe beobachtete, traute seinen Augen kaum. Im ersten Moment habe er geglaubt, da fliege eine mächtige Plane durch die Luft. Dass es sich um eine mehrere Zentner schwere Blechscharre - wie der Fachmann zu dieser Art Konstruktion sagt - handelte, kriegte er erst später mit. Die metallische Dachhaut wurde nach ihrer Landung zum Klumpen verformt, den Handwerker gestern mit Trennschleifern in Stücke schnitten. Auf dem Bootshausdach war gestern Mittag eine Barbyer Dach- und Zimmermannsfirma dabei, eine Notsicherung vorzunehmen.

Derweil hatten alle Dachdeckerbetriebe der Elbestadt „volles Programm“. Unter einem Dutzend Aufträgen kam kaum ein Betrieb davon. So riefen die Geschädigten bereits während des Orkans am Donnerstagnachmittag bei den Handwerkern an, um Schäden beseitigen zu lassen. Was diese aber auch Sicherheitsgründen ablehnten. Zumeist wurden Notsicherungen vorgenommen, also die Dächer abgedichtet.

Sein „Ich muss weiter“ verheißt beim Calbenser Stadtwehrleiter Jan Roschkowski, dass es zu insgesamt 25 Einsätzen in der Saalestadt mit seinen zwei Ortsteilen noch viel beiseite zu räumen, zu fällen, aufzulesen und abzusichern. Insgesamt 45 Feuerwehrkräfte haben vorgestern und gestern potenzielle Gefahrenstellen für die Öffentlichkeit entschärft. So zum Beispiel in der Calbenser Lessing- oder der Magdeburger Straße. In letzterer wurden nicht nur Ziegeln, sondern auch Dachpappe heruntergeweht. Bäume, die in Schieflage gerieten und umzustürzen drohten, wurden gefällt, teilte Roschkowski mit. So gehörte auch der Rosenburger Weg in Trabitz und die Straße „Am Damm“ in Schwarz zu Einsatzstellen.

In Schwarz stürzte ein nadeliger Baumriese von öffentlicher Fläche auf den Privatweg von Ortsbürgermeister Manfred Grimm. Auf der parkähnlichen Fläche sind zwei Nadelbäume wie Streichhölzer umgeknickt. Einer lag quer über der Straße. Ihn wollten die Grimms schon mit eigener Kraft wegräumen, riefen letztlich aber die Feuerwehrkameraden. Die Tanne auf dem Privatweg der Grimms hat auch in leichten Teilen das dort parkende Auto beschädigt, verweist der Ortsbürgermeister. Den entwurzelten Baum hat das ältere Ehepaar nun zusammen mit ihrem Sohn, der mit Kettensäge anrückte, zerkleinert. Was selbst zu lösen sei, könne man auch selbst machen, sagt Grimm.

Die Kreiseinsatzleitstelle des Salzlandkreises ist am Donnerstag personell verstärkt worden, teilt Kreissprecherin Alexandra Koch der Volksstimme mit. Alle sechs Arbeitsplätze seien mit je zwei Mitarbeitern besetzt gewesen. Ein zusätzlicher Arbeitsplatz wurde für die Weitergabe der Einsätze an die Einsatzleitungen eingerichtet. Weiteres Verwaltungspersonal des Fachdienstes Brand-, Katastrophenschutz und Rettungsdienst unterstützte bei der Weitergabe von Informationen an Energieversorger, die Deutsche Bahn, Straßenbaulastträgern und weitere. „Alle 14 örtliche Einsatzleitungen waren außerdem eingerichtet und haben die Einsätze in ihrem jeweiligen Einsatzgebiet abgearbeitet“, so Alexandra Koch weiter.

Im Einsatz seien insgesamt 63 Ortsfeuerwehren im gesamten Kreisgebiet gewesen. Von der Leitstelle wurden in der Zeit von 12 bis 19 Uhr zirka 300 Unwettereinsätze an die örtlichen Einsatzleitungen weitergegeben. „Insgesamt sind in diesem Zeitraum rund 500 Notrufe eingegangen“, berichtet Alexandra Koch weiter. Darunter aber auch Rettungsdiensteinsätze, Anforderungen vom kassenärztlichen Bereitschaftsdienst und sonstige Mitteilungen.

Hauptaufgaben der Feuerwehren seien die Sicherung von Dächern, Beseitigung von Bäumen aus Stromleitungen und Leitungen der Deutschen Bahn gewesen. Die meisten eingehenden Meldungen betrafen jedoch die Störung der Stromversorgung durch gerissen Leitungen und umgestürzte Masten.

Neben den Feuerwehren waren in Schönebeck die Katastrophenschutzeinheit Betreuungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes zur Versorgung der eingesetzten Kameraden und in Staßfurt das Technische Hilfswerk im Einsatz.

Da sich ab 17.30 Uhr das Notrufaufkommen merklich verringerte und die Unwetterwarnung um 18.30 Uhr herabgestuft wurde, wurde ab 19 Uhr durch die Leitstelle die zentrale Einsatzweitergabe eingestellt. Ab diesem Zeitpunkt erfolgte die Alarmierung und Einsatzweitergabe wie im Tagesgeschäft üblich.

Am Nachmittag musste jedoch die Bahnstrecke Magdeburg-Halle gesperrt werden, da am Haltepunkt Felgeleben mehrere Bäume in die Freileitung gefallen war, einer brannte bereits.

In der Leitstelle war auch gestern ein Arbeitsplatz mehr als mindestens erforderlich besetzt, da erfahrungsgemäß am Folgetag weitere Schäden sichtbar werden.

Alexandra Koch weist Eigentümer von Grundstücken an dieser Stelle jedoch noch einmal ausdrücklich darauf hin, dass sie für die Beseitigung von Sturmschäden auf ihrem Eigentum, die keine akute Gefahr darstellen, selbst zuständig sind. Koch: „Dies ist keine Aufgabe der ehrenamtlich tätigen Kameraden der freiwilligen Feuerwehren oder des Technischen Hilfswerkes.“

Einen Hinweis an die Bürger hat auch der Schönebecker Stadtsprecher Hans-Peter Wannewitz. Er rät Bürgern der Stadt dazu, öffentliche Grünanlagen noch immer mit Vorsicht zu betreten. „Nach wie vor werden Schäden infolge des Sturms im Stadtgebiet beseitigt“, sagt er. Öffentlich zugängliche Anlagen und Plätze wie der Kurpark, das Tannenwäldchen, der Heimattiergarten auf dem Bierer Berg sowie der Ost- und Westfriedhof seien zwar nicht geschlossen, aber das Betreten dieser Park- und Grünanlagen sollte nach Möglichkeit dennoch vermieden werden oder mit großer Vorsicht geschehen, so der Stadtsprecher.

Vom Sturm betroffen sind auch noch die Forstreviere im Kreis. Zirka 2500 Festmeter waren im Waldstück Plötzky/Pretzien (Revier Elbaue) beschädigt worden, es handele sich um „schon durch vergangene Stürme vorgeschädigte Kiefernbestände“, wie Revierleiter Jens Dedow mitteilt.

Aus dem Revier Mittlere Elbe beschreibt Revierleiter Peter Fritzsching: „Im Salzlandkreis, im Bereich Lödderitzer Forst, sind die Schäden vergleichsweise am geringsten. Sie betreffen nur die Kiefern im Nadelwald. Und davon haben wir zum Glück sehr wenig auf Salzlandkreis-Gebiet. Schlimmer sehe es im Anhalt-Bitterfelder Gebiet aus.

Im Hakel seien ungefähr 1000 Festmeter betroffen, wie Revierleiter Falko Friedel mitteilt. „Viele Bäume waren komplett mit Wurzel umgekippt. Das zog sich durch alle Baum-arten, die im Hakel zu finden sind“, so Friedel. Allerdings habe es nur wenige Flächenbrüche gegeben. Bei viele Bäumen seien außerdem die Kronen abgebrochen. „Der Wald ist an den Hauptwegen schon wieder begehbar“, so Friedel. Im Egelner Wald seien lediglich einige Wege zugebrochen gewesen, berichtet Falko Friedel.

Sturmtief „Friederike“ beschäftigte auch die Beamten des Polizeireviers des Kreises mit einer Vielzahl von Einsätzen, „welche aber zumeist nur unterstützender Natur waren“, so Polizeisprecher Marco Kopitz. Erste Einsätze seien ab 14.35 Uhr gemeldet worden, zumeist mussten Sperrungen vorgenommen werden. „Aber auch Ampelanlagen, welche durch den starken Wind verdreht wurden, standen auf der Einsatzliste“, so Kopitz weiter.

Am schlimmsten traf es im Kreis einen 53-jährigen Bernburger, welcher um 15.43 Uhr im Bereich der Waisenhausstraße von einer umstürzenden Mauer erfasst und dabei verletzt wurde. Er schwebt nicht in Lebensgefahr.