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Ausgrabungen Heiratsmarkt am Pömmelter Heiligtum

Bis September graben Archäologen südlich und westlich des Ringheiligtums von Pömmelte nach Siedlungsspuren.

Von Thomas Linßner 29.07.2019, 11:00

Pömmelte l „Für uns Archäologen gibt es eigentlich kein richtiges Wetter“, streicht sich Grabungsleiter Matthias Zirm selbstironisch den Schweiß aus dem Gesicht, „entweder es ist zu kalt, zu nass oder zu heiß.“ Letzteres ist in diesem Sommer wirklich der Fall, wo neun Grabungshelfer und zehn Archäologiestudenten der frühen Bronzezeit auf der Spur sind.

Über Mangel an Besuchern braucht sich das Ringheiligtum nicht zu sorgen. Sogar am (vorerst?) heißesten Tag des Jahres sind ein Dutzend Damen und Herren zur Führung erschienen, die alle zwei Wochen donnerstags stattfindet. Die Hitze ist unerträglich, es geht kaum Wind. Matthias Zirm (Basecap, Sonnenbrille, kariertes Hemd und mächtig warme Arbeitsschutzschuhe) erklärt tapfer den Stand der Ausgrabungen.

Er beginnt seine Erklärungen mit einer Landkarte, die Höhen abbildet: blau ist niedrig, grün etwas höher, gelb und ocker am höchsten. Es wird deutlich: Unsere Altvordern siedelten auf einem leichten Höhenzug. Das Gelände liegt etwa drei Meter über der Elbaue. „Wir gehen davon aus, dass die Erosion seit der Bronzezeit diese Talbank-Insel um einen halben, bis dreiviertel Meter abgetragen hat“, zeigt Zirm mit dem Finger auf eine ockerfarbige Fläche der Karte.

Dort war man vor Hochwassern der Elbe geschützt. Weil es keine Deiche gab, die den Fluss in ein Korsett schnüren, breitete sich das Wasser damals großflächig aus, erreichte damit keine so spektakulären Höhen wie heute.

Die Archäologen gehen davon aus, dass sich bei Pömmelte zwei Handelswege kreuzten. Hier kamen viele Menschen zusammen, wenn beispielsweise Vieh- oder Heiratsmärkte abgehalten wurden. Letztere seien bitteschön nicht mit den Folklore-Spektakeln heutiger Zeit zu verwechseln. Um den Inzest in den kleinen Sippenverbänden zu vermeiden, behalf man sich auf Märkten mit „frischem Blut“.

Zirm berichtet so ganz nebenbei vom keltischen Brauch der „Probe-Ehe“. Wurde die Frau nach einem Jahr nicht schwanger, war sie wieder frei. Die Mundwinkel von ein paar Besucher-Damen geben der Erdanziehung nach ...

Der Siedlungsarchäologe äußert eine Vermutung, warum ausgerechnet hier ein Heiligtum errichtet wurde. Bei Pömmelte war „viel los“, wie man heute sagen würde. Matthias Zirm spricht deswegen augenzwinkernd vom „Kulturhaus“, wenn er das Ringheiligtum mit seinen umliegenden Siedlungen meint.

Und weil so die sinnlichen Erfahrungen gesteigert werden, dürfen die Besucher Speerspitze, Mahlstein oder die Armschutzplatte eines Bogenschützen in die Hand nehmen. Ungewöhnlich ist das unbenutzte Fragment eines Mahlsteins zur Getreideverarbeitung. Es finden sich keinerlei Gebrauchsspuren darauf.

Möglicherweise wurde er in einem Ritual zerbrochen. Klarer ist da schon das Segment der Armschutzplatte aus Stein. Sie sollte den Arm eines Bogenschützen vor der zurückschnellenden Bogensehne schützen. Das Verblüffende: Es sind zwei sauber gebohrte Löcher zu sehen, die sogar ebenso exakte Senkungsmulden aufweisen. Als würde man heute eine Senkkopfschraube verschwinden lassen wollen. Für die Steinbohrung brauchten die Ur-Pömmelter Holunderstab, Quarzsand, Fidelbogen und jede Menge Zeit.

Auch jetzt werden im Umfeld des Holzrondells immer wieder Gräber gefunden. Der Erhaltungszustand der Knochen ist schlecht, weil Kalk im Boden fehlt. Sie haben deswegen oft nur eine Dichte von einem Millimeter, erklärt der Grabungsleiter.

Die aktuelle Grabung soll Antworten geben, wie die frühbronzezeitliche Kulturlandschaft rund um Pömmelte organisiert war. Zudem erhoffen sich die an den Untersuchungen beteiligten englischen und deutschen Archäologen Erkenntnisse über das Verhältnis des Ringheiligtums von Pömmelte zu der nur 1,2 Kilometer entfernten Kreisgrabenanlage von Schönebeck.