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Ausstellung Historisch, ja - gewaltverherrlichend, nein

Der gebürtige Thüringer Rüdiger Frenzel zeigt eine historische Ausstellung in der Heimatstube Calbe.

Von Susann Salzmann 03.04.2018, 22:00

Calbe l Historisch, ja. Gewaltverherrlichend, nein. In diesem Jahr jährt sich das Ende des Ersten Weltkrieges zum 100. Mal. Zu diesem Anlass zeigt Rüdiger Frenzel seine gesammelten Exponate in der Calbenser Heimatstube. „Wenn ich Gewalt verherrlichen würde, hätte ich nur Waffen ausgestellt“, betont Frenzel und dreht sich im Ausstellungsraum einmal um seine eigene Achse: Auf der einen Seite die Grabendolche, in den anderen Ecken historische Ausweisdokumente von Passiergenehmigungen, Rotkreuzhelfern, Gasmaskenmodelle, Panzer oder aber auch beeindruckende Grabenkunst.

Diejenigen, die den Blick in die Vitrinen bis zum Ausstellungsende am 3. Juni nicht scheuen, finden unter anderem einen bauchigen Trinkbecher aus Eisen. Umgearbeitet von den Soldaten des Ersten Weltkrieges. Ausgangsobjekt war eine sogenannte Kugelhandgranate. Die typische reliefartige Musterung findet sich noch heute gut erhalten auf dem Becher, zeigt Frenzel. Für die nicht nur optisch aufschlussreiche, sondern auch inhaltlich überaus informative Ausstellung hat er vier Jahrzehnte passende Stücke von Dachböden, Sammler- und Tauschbörsen, Flohmärkten und aus dem Internet zusammengetragen. Zu sehen sind Exponate, die anderenorts in Deutschland wenig bis kaum gezeigt werden, schildert er seine Erfahrung. Alles - bis auf Ausnahme französischer Stahlhelme - Gegenstände, die sich bei deutschen Soldaten in Gebrauch befanden.

Übrigens: Bei der kreativen Umnutzung der Handgranate fällt zudem ein Briefbeschwerer auf, bei dem die äußere Granatenhülle aufgesetzt wurde. Frenzel, der beruflich als Fahrdienstleiter bei einem Bahnunternehmen arbeitet, könnte lange darüber sprechen. Auch über die Feuerzeuge, deren Grundlage einst eine Patronenhülse gewesen ist. Eine „Konsequenz“ des eigenen Selbststudiums. Seine Fachkenntnisse würde er gern weitergeben. An Schulen beispielsweise - entweder im Rahmen von Ausstellungsbesichtigungen oder Vorträgen, die er ausstellungsbegleitend und nach Absprache übernehmen könnte. Alles, was Frenzel in der Heimatstube präsentiere, sei denkwürdige Geschichte im Original und fast zum Anfassen. „Ich möchte den Leuten die Geschichte damit näher bringen“.

Fragt man den 62-Jährigen, welches Detail ihn besonders überrascht habe, geht er auf die französischen Stahlhelme zu. Üblicherweise war es den Soldaten verboten, Kriegsgegenstände mit nach Hause zu nehmen. So blieb vieles auf dem Schlachtfeld liegen, erzählt der gebürtige Thüringer. Das wurde schließlich eingesammelt, „aber ich hätte nicht gedacht, dass das eine Nationalstiftung aus Berlin erwirbt und für die Hinterbliebenen der Gefallenen des Ersten Weltkrieges wieder verkauft“, zeigt er sich noch immer erstaunt darüber. Sein Blick fällt dabei auf eine Urkunde. Auf ihr zu lesen ist die Nummer „7157“. Wie viele dieser Stahlhelme also für die Familien der Kriegsopfer verkauft wurden, ist unklar. Es müssen aber mindestens 7157 Exemplare gewesen sein, denn die beigelegte, historische Urkunde widmet sich genau dem 7157. Stahlhelm.

Im Schaukasten gegenüber finden sich Gasmasken. Eine sogenannte M17 aus dem Jahr 1917 aus imprägniertem Schafleder. Es war laut Frenzel das zweite Modell, das im Ersten Weltkrieg zum Einsatz kam. „Vorher haben sich die Soldaten feuchte Tücher vor das Gesicht gebunden. Das half schon ein wenig“, argumentiert er.

Nicht selten lief es auf ein Improvisationstalent hinaus. Beispielsweise bei der ebenfalls ausgestellten Feldbluse M15 aus dem Jahr 1915. „Weil man zu dieser Zeit nichts anderes hatte, wurde anstatt des Innenfutters Gardinenstoff verwendet“, zeigt Rüdiger Frenzel auf das letzte, im Krieg getragene Modell. Kleidung, die häufig von Soldaten mit Unteroffizier-Niveau getragen wurde, erklärt der Barbyer. Daneben ein sogenannter Grabenpanzer. Den trugen die Grabenbesatzungen in vorderster Linie. Unter dem Panzer in der Heimatstube könnte ein vorgeschobener Beobachter gesteckt haben. Der eiserne Korpus mit dem Helm sollte in allererster Linie schützen. Schützen vor Splittern. In dieser Montur zum Kampf antreten? Rüdiger Frenzel schüttelt verneinend den Kopf. Die Bewegungsfreiheit sei dadurch viel zu sehr eingeschränkt gewesen. Zusätzlich musste sich der Träger mit insgesamt rund 15 Kilogramm Gewicht durch die Schutzausrüstung an die Zusatzlast gewöhnen.

Das erste Fundstück? Das sei mit dem Lebel ein französisches Seitengewehr gewesen, erklärt der Sammler. Hergestellt 1886. Das sei jedoch nicht ausgestellt. Deutsche Seitengewehre allerdings schon. Einige davon sehen „simpler“ in ihrer Machart aus. „Kein Wunder“, entgegnet Frenzel. Nachdem man im Krieg mit der herkömmlichen Produktion der Seitengewehre nicht mehr nachkam, wurden diverse fachfremde metallverarbeitende Betriebe mit der Herstellung beauftragt, setzt er fort. Deshalb seien diese auch in vereinfachter Form produziert worden.

Die Ausstellung ist „durchdrungen“ vom regionalen Bezug. So auch ein historisches Dokument, das an die Goldankaufs-Hilfsstelle in der Barbyer Schulstraße 14 - der Stadtpfarre - erinnert. Das prägendste Merkmal der wirtschaftlichen Kraft der Heimat bestimme sich am Goldbestand. Daher wurden im Dezember 1916 alle Bürger aufgefordert, jegliche Goldsachen und Juwelen in der Hilfsstelle abzugeben, lautet es im Dokument.