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Ausstellung Wo Kaninchen einen langen Bart tragen

Der „Kleintierzuchtverein 1920 Barby“ im Gribehner Weg lud zur Sommerschau ein.

Von Thomas Linßner 18.09.2016, 15:54

Barby l „Was stellen die hier aus? Bratkaninchen?!“, bufft ein Mittfünfziger seinem Nebenmann mit dem Ellenbogen gut gelaunt in die Seite. Die beiden Herren sind vermutlich Reha-Patienten, die trotz des Wetters und der vielen Pfützen den Weg zur Kleintierschau gefunden haben.

Doch sehr bald bemerken die beiden Besucher, dass sie da etwas falsch verstanden haben: Bartkaninchen und nicht Bratkaninchen sind zu sehen. „Wobei das eine das andere nicht zwangsläufig ausschließt“, lächelt Züchterin Susanne Meyer. Die Großmühlingerin ist für die „Fraktion Kaninchen“ zuständig, von denen rund 150 Exemplare in den Käfigen mümmeln. Ihr ist es zu verdanken, dass die seltenen Hoppler in Barby zu sehen sind. Denn diese Rasse war so gut wie ausgestorben. Die Tiere unterscheiden sich von anderen Rassen durch die Mähne, die von den Schultern über die Flanken bis zum Schwanz reicht und aus längeren Haaren besteht. „Es kommt vor, dass wir die Kaninchen vor Ausstellungen kämmen, damit sie schön aussehen“, gesteht Susanne Meyer. Der namengebende Vollbart kann bei jungen Exem­plaren immerhin sieben Zentimeter lang werden. Da träumt so manch‘ Menschen-Jüngling von.

Das Bartkaninchen wurde als Rasse neu gezüchtet, weil die Urform nicht mehr existierte. Susanne Meyer vermutet als einen Grund den Pflegeaufwand. Auch das Fell lasse sich nicht wie bei anderen Rassen konventionell verwerten.

Anfang der 1990er Jahre kamen die ersten rückgezüchteten Tiere nach Deutschland. Wie die Züchterin erzählt, sei die Rückzucht des Genter Bartkaninchens erst vor einem Jahr anerkannt worden. In unseren Breiten sind die Tiere offenbar noch Exoten. In Barby sind sie „außer Konkurrenz“ ausgestellt. Die Meyerschen-Bartmümmelmänner waren sogar im Rasse-Ursprungsland Frankreich zu sehen.

Während Susanne Meyer den Tieren die Eigenschaften „lieb und ausgeglichen“ bescheinigt, ist das beim Kollegen im Nachbarkäfig nicht so. Dort sitzt ein schneeweißes Kaninchen der Rasse Hotot, das mit seinen schwarzen Augenringen an die Panzerknacker im Mickymaus-Heft erinnert. Hotot hat etwas divenhaftes, lässt sich nicht so leicht für ein Foto auf den Arm nehmen wie Herr Bart von nebenan. Aber auch seine Geschichte ist bemerkenswert: 1930 wurde die Rasse aus der Schweiz importiert, wobei sie bis nach dem Zweiten Weltkrieg nur wenig verbreitet war. Da sich die Zuchtbestände fast ausschließlich in der DDR befanden, bemühte man sich 1959 auch um Einfuhr in die BRD. 2007 war Diva Hotot dann „Kaninchenrasse des Jahres“.

Ein paar Käfigreihen weiter ist es lauter, als bei den friedlichen Mümmelmännern. Hier gackert und kräht es, dass die Weide wackelt. Besonders als Schlagregen auf das Zelt prasselt, wird das Geflügel noch unruhiger. Ein paar elegante Exoten sind davon allerdings unbeeindruckt. Es sind pechschwarze indonesische Ayam Cemani-Hühner, die nicht von dieser Welt zu sein scheinen: Nicht nur Gefieder, Kamm und Kehllappen sind schwarz, sondern auch die Augen, die Haut, das Fleisch, die Knochen, die Krallen und beinahe auch das Blut.

Dass diese geheimnisvollen Gackerer in Barby vertreten sind, da hat ebenfalls Frau Kaninchen-Meyer die Hand im Spiel. „Ich hatte einige Eier von einer Zuchtfreundin aus Berlin geschenkt bekommen, die ich an einen Bekannten weiterreichte“, erzählt die Großmühlingerin, die ihre Brötchen in der Justiz verdient. Der ließ sie erfolgreich ausbrüten und erstaunt damit das Publikumsvolk in Barby.

Die erfolgreichsten Aussteller der Schau ist die Züchtergemeinschaft Timo Schmidt, wo Vater, Mutter und Sohn ihre Tiere zeigen. Sie erringen mit ihren schneeweißen Pommerngänsen und Zwerg­enten den begehrten Kreismeistertitel.

Vorsitzender Richard Weingarte ist stolz auf seine 34-köpfige Gemeinschaft. „Wir sind im besten Sinne des Wortes Zuchtfreunde. Hier hilft einer dem anderen.“

Was aber nicht zuletzt auch am freundlichen, ausgleichenden Wesen des Vorsitzenden liegen dürfte ...