1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. „Immer noch unser Paradies“

Auswanderin „Immer noch unser Paradies“

Die Eggersdorfer Auswandererin Sabrina Davis und ihre Familie halten nach Buschbränden in Australien endlich wieder Tiere auf ihrer Farm.

Von Bianca Oldekamp 17.11.2020, 00:01

Kangaroo Island/Eggersdorf l Nichts war mehr so wie zuvor. Nichts ist der Familie geblieben. Weder ihr Haus, noch persönliche Gegenstände und auch ihre Tiere nicht. Nicht die Schafe, nicht die Bienen.

Der 3. Januar 2020 war der Tag an dem Familie Davis in Australien alles verloren hat – durch die schweren Buschfeuer, die das Festland und die Insel, die vor dem Festland des Bundesstaates South Australia liegt, zu dieser Zeit in die weltweiten Medien brachte. Berichte, auf die die Betroffenen gern verzichtet hätten, genau wie auf die Brände, die ihnen alles nahmen.

Mittlerweile sind fast 11 Monate vergangen seit Familie Davis, das sind die gebürtige Eggersdorferin Sabrina Davis ihr Mann Ben und die Kinder Jordan und Kerily, ihr Hab und Gut den Flammen überlassen musste. Doch seit ein paar Tagen herrscht wieder Betrieb auf der Farm im Westen der Insel Kangaroo Island.

Über 500 Schafe weiden wieder auf dem Grund und Boden der Familie. Doch bis dahin, dass das jetzt wieder möglich ist, war es ein langer Weg – der noch nicht beendet ist. Ihren Alltag hat die Familie noch lange nicht zurück, denn die Familie lebt derzeit getrennt voneinander. Es geht nicht anders. Sabrina Davis berichtet: „Ich wohne zur Zeit immer noch mit den Kindern in der Inselhauptstadt Kingscote und mein Mann in einem gespendeten Container allein auf der Farm – 100 Kilometer weg von uns.“

Das sei nicht ideal und sehr hart für die gesamte Familie. Doch die Räumliche Trennung soll sich bald ändern. „Wir haben jetzt einen alten Wohnwagen gekauft und ziehen in den Sommerferien, genauer gesagt Mitte Dezember zu ihm raus auf die Farm für den Sommer“, erzählt die gebürtige Eggersdorferin – auch, um die Bauanfänge für das neue Haus der Familie zu überwachen. Die Bodenplatte für dieses soll im neuen Jahr gegossen werden. „Und hoffentlich beginnt dann auch bald der Hausbau.“

In den vergangenen Monaten hatte die Familie durchweg Zäune gebaut. Ohne die könnten die Schafe schließlich nicht gehalten werden. „Und das wird auch noch einige Monate so weitergehen“, blickt Sabrina Davis voraus.

Dass sich die Familie die Schafe überhaupt kaufen konnte – eigentlich verlassen Schafe die Farm zum Verkauf – haben dutzende Spender möglich gemacht. Um der Familie zu helfen, hatte eine Freundin von Sabrina Davis nur kurze Zeit nach den verheerenden Geschehnissen am 3. Januar ein Spendenseite im Internet eingerichtet. Der Aufruf zu Spenden erreichte auch ihre alte Heimat. Und so kamen letztlich insgesamt 35 122 Euro zusammen. Geld, das die Davis jetzt für den Kauf der Schafe verwendet haben.

Denn: „Die Farm muss langsam wieder profitabel werden, damit wir uns weiter Dinge leisten können“, sagt Sabrina Davis. Schließlich habe die Familie nicht „nur“ ihr Haus verloren, sondern auch Ställe, Zäune, Maschinen und mehr. „All das lässt sich nicht innerhalb von knapp einem Jahr wieder aufbauen“, merkt sie an und erklärt: „Ein Wiederaufbau nach Buschfeuer ist weitaus langsamer als man denkt und man benötigt extrem viel Geduld, um durch diesen Prozess zu gehen.“

Ein Prozess, den anderen Farmer-Familien auf der Insel nicht durchmachen wollen. Wie Sabrina Davis berichtet, seien viele Nachbarn älter gewesen und haben ihr Land nach dem Brand verkauft, da der Wiederaufbau einfach nicht nur teuer, sondern auch hart sei. Wieder andere Familien seien zu jung, „sie hatten kein Geld und waren nicht versichert“. Auch sie hätten ihr Land verkauft, seien jetzt auf Reisen oder in die Stadt gezogen. Doch ihre Familie habe keine Wahl.

„Es ist unser Zuhause, wir haben Kinder und bauen eine neue Zukunft auf.“ Und sie fügt an: „Ziemlich einsam ist es jetzt da draußen, aber immer noch unser Paradies.“ Und das soll schon bald wieder nicht nur von den Schafen bewohnt werden, sondern auch dauerhaft von der vierköpfigen Familie, sobald das Haus fertig ist. Das hatte die Familie glücklicherweise versichert und die Versicherung habe „gut gezahlt“.

Während es in Deutschland immer kälter wird, der Winter naht, steigen die Temperaturen in Australien. Steht doch auf der Südhalbkugel der Sommer in den Startlöchern. Und somit auch die nächste Buschbrandsaison. „Jetzt kommt der Sommer und wir hoffen dass es keine Feuer geben wird“, sagt Sabrina Davis.

Wenn es doch erneut zu Buschbränden auf der Insel kommen sollte, rückt die Feuerwehr aus – und die Farmer selbst. „Hier gibt es auf der Insel nur neun Feuerwehr-Trucks aber über 160 Farmer, die mit ihren eigenen Einheiten rausfahren. Die können weitaus mehr Fläche abdecken als die neun Trucks“, erklärt Sabrina Davis. Auch Ehemann Ben ist einer dieser Farmer, der beim CFS (Central Fire Service) registriert ist und Brände bekämpft. Während andere „nur“ registriert sind und freiwillig auf Feuertrucks gehen, um überall dort Feuer zu löschen, wo es gerade brennt, ist Ben Davis mit einer eigenen Einheit registriert. Sprich er ist in Besitz eines Pickups mit Wassertank und -pumpe auf der Ladefläche. „Leider ist es aber so, dass diese selbst organisierten Farm-Einheiten weder Versicherung noch Schutzkleidung zur Verfügung gestellt bekommen“, erklärt die gebürtige Eggersdorferin. Das will Sabrina Davis jetzt aber ändern, will die „Jungs und Mädels, die ihr Leben für ihre Freunde, Familien und Nachbarn jeden Sommer riskieren“ mit genau diesen Dingen ausstatten und bittet daher um Spenden. Dafür hat sie eine Spendenseite im Internet eingerichtet.

Parallel dazu hat Sabrina Davis auf den sozialen Netzwerken Facebook und Instagram Seiten erstellt, auf denen sie die Geschichten von Bewohnern von Kangaroo Island im Rahmen ihres Projektes „Humans of Kangaroo Island“ erzählt. Denn sie findet: „Menschen machen einen Ort aus.“ Und über den November verteilt stellt sie mit Blick auf die anstehende Feuersaison eben zehn Feuerwehrleute vor. „Im November werden zehn KI-Feuerwehrleute ihre Erfahrungen und ihr Wissen teilen, um unsere Community-Mitglieder zu inspirieren und ihnen zu helfen. Wir hoffen, einige Spenden sammeln zu können, um diese wunderbaren, selbstlosen Menschen auszurüsten, denen die Sommer- und Feuersaison 2020/21 bevorsteht.“

Mit den gesammelten Mitteln werden Schutzkleidung wie feuerfeste Jacken, Hosen, Lederhandschuhe und Schutzbrillen gekauft. Denn die Farm-Feuerwehreinheiten rüsten sich normalerweise komplett selbst aus, was enorme Kosten verursacht.

Erst wenige Tage online sind über die Internetseite so bereits 12.780 Dollar (10.778 Euro) von 16 Spendern zusammengekommen (Stand Montag). Sabrina Davis Ziel ist es, 15.000 Dollar (12.708 Euro) zu erreichen.

Dass Sabrina Davis mit der Insel Kangaroo Island, der Insel auf die sie der Liebe wegen vor über zehn Jahren gezogen ist, eng verbunden ist merkt man ihr und ihrem Engagement an. „Kangaroo Island ist eine enge Gemeinschaft fleißiger, positiver und motivierter Menschen aus allen Teilen der Welt, die sich jeden Tag aufs Neue inspirieren. Hier leben Menschen, die sich leidenschaftlich für Landwirtschaft, Ernährung, Kunst, Tiere und Natur interessieren. Man fühlt sich sofort zu Hause, wenn man in diesen warmen und einladenden Ort aufgenommen wird.“

Familie und Freunde besucht die Familie in Deutschland aber eigentlich regelmäßig. Doch an einen Deutschland-Urlaub ist zur Zeit aufgrund des Coronavirus nicht zu denken. Allerdings nicht, weil nach dem Feuer das Virus auf der Insel wütet. „Hier merkt man auf Kangaroo Island eigentlich nichts von Corona. Wir tragen weder Masken, noch haben wir sonst irgendwelche Einschränkungen aber es steht natürlich überall Handdesinfektionsmittel zur Verfügung. Wir hatten jetzt schon monatelang keine Fälle in Südaustralien mehr. Und auch australienweit gab es kaum welche. Hier auf Kangaroo Island hatten wir im März mal drei Fälle die sofort in Quarantäne waren.“ Die Insel sei für Sabrina Davis zur Zeit der sicherste und beste Platz der Welt wenn es um Corona geht. „Wir gehen in Cafés, Kinder zur Schule, es wird Sommer, alles hat auf, keine Beschränkungen und wir gehen täglich zum Strand.“

Gemeinsame Strandbesuche als Familie gab es für die Davis in diesem Jahr zumindest während eines kurzen Urlaubs. „Die Cousine meines Mannes hat da eine Strandhütte die sie uns zur Verfügung gestellt hatte als Urlaubsziel“, berichtet Sabrina Davis.

Aktuell darf die Familie zwar nicht nach Deutschland und Deutsche in Australien nicht einreisen, aber „wenn sich das ändert, planen wir einen Urlaub“, sagt Sabrina Davis. Doch sie weiß auch: „Aktuell haben wir auch erstmal ein Haus zu bauen. Das hat Vorrang.“ Und die vom Spendengeld finanzierten Schafe wollen schließlich auch versorgt werden.

Um allen Leuten, die seit dem Feuer für die Familie gespendet haben Danke zu sagen, haben die Davis die Ankunft der Schafe filmen lassen und Sabrina und Ehemann Ben, für den sie ausgewandert ist, haben sich auch selbst vor die Kamera gestellt.

Auf deutsch wendet sich Sabrina Davis unter Tränen im Arm von Ehemann Ben an alle Unterstützer und sagt mit zittriger Stimme: „Wir wollten uns heute nochmal persönlich bedanken bei allen, die an uns gespendet haben und uns in einer schwierigen Zeit geholfen haben. Es sind jetzt elf Monate seit dem Feuer, seitdem wir unser Haus und die Farm und die Schafe verloren haben. Heute ist ein großer Tag. Heute wurden uns 540 Schafe angeliefert. Wir hatten jetzt elf Monate lang gar keine Schafe auf unserem Grundstück und haben jetzt dank der Gofundme-Seite endlich wieder Schafe hier, die uns die nächsten Jahre sehr sehr regelmäßig Einkommen einbringen werden. Wir hatten ja dieses Jahr überhaupt kein Einkommen von der Farm und darüber sind wir extrem glücklich, wie man mir ja anmerkt, und extrem dankbar. Das macht einen riesen Unterschied für uns und dafür wollten wir uns persönlich bedanken.“