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Bäreneck Für Sehende fast unsichtbar

Eigentlich sollte die neue Ampelanlage am Bäreneck eine Verbesserung für Blinde und Sehbehinderte bringen. Doch es gibt ein Problem.

Von Andre Schneider 01.12.2020, 23:01

Schönebeck l Baudezernent Guido Schmidt staunte im Bauausschuss nicht schlecht, als Frank Brehmer sein Problem schilderte. Denn eigentlich, so dachte der städtische Mitarbeiter, sollte die neu gestaltete Kreuzung am Bäreneck eine Verbesserung für Blinde wie Frank Brehmer werden. Doch es gibt Konfliktpotenzial.

Genauer gesagt macht die Fahrradampel Frank Brehmer zu schaffen. Das Problem ist für Blinde – pardon – offensichtlich, für Sehende liegt es allerdings im Verborgenen. Verkehrte Welt. Die Fahrrad-ampel, wenn man aus Richtung Marktplatz in die Salzer Straße fahren will, hängt auf etwa 1,80 Meter Höhe. Für Radfahrer, die auf Grün warten, auf Augenhöhe. Der Schalter, der die akustischen Zeichen in Gang setzt, befindet sich wenige Zentimeter darunter. Und genau das ist das Problem.

Blinde sind auf die Orientierung mit ihrem Stock, ihrem Gehör und ihrem Tastsinn angewiesen. Wenn Frank Brehmer die Ampel und den Schalter finden will, muss er der Ampel unweigerlich ziemlich nahe kommen. Meist steht er frontal vor dem Pfeiler. Und damit vor der Lichtzeichenanlage. Nun hängt diese direkt vor seinem Kopf. Das birgt Konflikt- und auch Verletzungspotenzial. „Zunächst bin ich natürlich sehr dankbar, dass es hier jetzt eine Lichtanlage mit Signalgeber für Menschen mit Sehbehinderungen gibt“, sagt Brehmer. Vorher war an der Stelle eine normale Ampel. Aber man könne an der Situation halt noch etwas ändern.

„Die Fahrradampel ist doch relativ weit unten angebracht“, meint der Sehbehinderte. „Wenn ich nun den kleinen Taster darunter finden will, komme ich der Ampel sehr nahe.“ Wenn Blinde nun „ein bisschen forsch sind“, so Brehmer, könnte es passieren, dass sie die Ampel mit dem Gesicht berühren würden. Eine zumindest unfreiwillige, wahrscheinlich sogar unschöne Berührung.

Aber wie könnte es vermieden werden? Die Lösung liegt auf der Hand. Brehmer: „Wenn es möglich wäre, wäre es schön, wenn die Ampel etwas höher angebracht werden würde.“ Auf den ersten Blick ist zwischen der Lichtzeichenanlage und dem obligatorischen Stoppschild noch ausreichend Platz, um die Ampel höher anzubringen. Etwa zwei Meter, sagt Brehmer, seien in Ordnung.

„Man muss die Ampel auch erst mal suchen und finden“, sagt Brehmer aus der täglichen Praxis. Denn an der viel befahrenen Kreuzung gibt es für Blinde noch ein ganz anderes Problem. Der Boden ist noch nicht mit Bodenindikatoren bestückt, „so dass man die Anlage auch gut erreichen kann“. An der Söker Straße ist dies indes anders. Hier gibt es diese Bodenbeläge bereits. „Dort findet man den Ampelmast und weiß, wie man hinübergehen muss.“

Aber Brehmer hat Hoffnung, dass auch am Bäreneck im Zuge von Gehwegsanierungen dieser Missstand behoben werden kann. Eine Kleinigkeit, die Blinden im Alltag enorm weiterhilft.

Schönebeck habe für Blinde noch so einige Tücken auf Lager. Die Gehwege zum Beispiel. „Die sind aber nicht nur für uns Blinde ein Problem, sondern zum Beispiel auch für Frauen mit Kinderwagen“, weiß Brehmer. Oder Menschen mit Gehbehinderungen und Rollatoren. „Das habe ich schon vor längerer Zeit bei der Stadt angesprochen. Dort gibt es auch einen Sanierungsplan“, weiß Frank Brehmer. „Wenn finanzielle Mittel vorhanden sind, ist die Stadt natürlich dran, dort nachzubessern.“ Neben den Gehwegen gebe es auch noch einige alte Ampeln, die ausgetauscht werden müssen. „Auf der Friedrichstraße weiter oben oder Am Randel gibt es noch Ampeln älteren Typs“, erklärt Brehmer. Er weiß aber auch, dass nicht „alles von heute auf morgen gemacht werden könne“. Aber, so gibt er zu Protokoll, die Stadt habe sich Barrierefreiheit „auf die Fahnen geschrieben“. Das macht Hoffnung.

Trotzdem wird es sie immer wieder geben – die schwierigen Stellen. Doch wie geht Frank Brehmer damit um? „Da erarbeitet man sich als Sehbehinderter Strategien und kleine Kniffe und Tricks, wie man erkennt, wo man rüber kommt oder man aufpassen muss.“ Er merkt sich Hindernisse. „Wenn man die Wege regelmäßig geht, weiß man, wo die Gefahrenstellen liegen.“ So wie an einem großen Parkplatz an der Söker Straße zum Beispiel.

„Wenn man dort den Gehweg aus Richtung Stadt kommend entlangläuft, gibt es eine knifflige Stelle“, erklärt der Sehbehinderte. Dort gebe es ein schmales Beet. Wenn er mit dem Stock dort entlangläuft, rutscht er mit seinem Orientierungswerkzeug häufig in das Beet. „Im Herbst bleibt man dann mit dem Stock im Laub stecken.“ Auch die Erde des Beetes sei ein schwieriges Hindernis. Außerdem steht ein Schild an der Seite des Gehweges auf der Fläche. Er muss diesen Mast umschiffen. „Darüber habe ich mit der Stadt schon gesprochen. Das Verkehrszeichen darf nicht auf dem Stück Beet stehen, da das ein Privatgrundstück ist.“