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Heimatfest Ein armenischer Backofen für Zuchau

Zum Heimatfest im August soll Zuchau um eine kleine Attraktion reicher sein. Es wird derzeit ein armenischer Lehmbackofen gebaut.

Von Thomas Linßner 26.07.2017, 03:03

Zuchau l Nur gut, dass Zuchaus Ortsbürgermeister Jörn Weinert (40) einer Generation entstammt, die in der Schule Russisch lernte. Denn sein Gast, der für fünf Wochen unter Weinerts Dach lebt, spricht nur zwei Sprachen: armenisch und russisch. Sonst nichts. Kein Wort Deutsch, kein Wort Englisch.

Als ich mich vorstelle und radebreche: „Ja korrespondent gasetö Narodnö Golos“, was soviel wie „Ich bin Korrespondent der Zeitung Volksstimme“ heißt, lächelt Ara schwach. Er ist es gewöhnt, dass man sich auf ihn einstellt. Denn der 48-Jährige ist ein Fachmann. In Armenien formte er schon dutzende dieser Öfen, wenn er nicht gerade bei minus 40 Grad Häuser in Sibirien baut. Wie Jörn Weinert übersetzt, habe „jeder auf dem Dorf und in der Stadt, wo Häuser einzeln stehen“, so einen Backofen.

Nun also auch Zuchau. Auf dem Festplatz.

Warum?

Weil das Dorf im südlichen Zipfel der Einheitsgemeinde Barby eine Partnerschaft mit Armenien pflegt. Man feierte Advent zusammen, probierte Spezialitäten aus dem „Land der Aprikosen“ und prostete sich mit leckerem Cognac bei der Aufstellung einer „Armenischen Bank“ vor der Kirche zu. Wozu sogar der Botschafter kam.

Der Spiritus rector dieses gedeihlichen Miteinanders ist Dr. Jörn Weinert, der in seiner Zeit an der Martin-Luther-Universität zu Halle die Kooperation mit der Universität Eriwan aufbauen half. (Weinert hielt sich als Gastdozent zwei Monate lang in Armenien auf.)

„Einerseits werden wir die traditionellen Festlichkeiten wie das alljährliche Heimatfest fortführen und weiter ausgestalten“, kündigte der 40-Jährige Anfang dieses Jahres an. „Andererseits ergeben sich aus internationalen Kontakten neue Möglichkeiten des Miteinanders.“

Dazu zählt der Backofenbau. Die Zuchauer Initiative wird vom Aktionsfonds des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ unterstützt, wozu auch jetzt der Aufenthalt von Ara Awagjan zählt.

Die Einweihung des typisch armenischen Lehm-Backofens soll beim Heimatfest am 20. August stattfinden. Er wird auch Tonir genannt, ist rund und wurde im Unterschied zu den hierzulande üblichen Öfen in die Erde eingelassen.

„Dazu mussten wir eine mannstiefe Grube ausheben“, erklärt der Ortsbürgermeister. Wie so oft bekam er Hilfe von Bürgern und Vereinen. Dann kam Maurer Ara ins Spiel, dessen Liste der Material-Rezeptur erstmal für Stirnrunzeln sorgte. „Wir sollten Lehm besorgen. Aber den gibt es nicht im Baumarkt“, erinnert Weinert. Aber warum eigentlich kaufen …? Die Zuchauer erinnerten sich einer alten Abriss-Scheune, deren Gefache mit Lehm ausgefüllt waren. Nachdem man dieses Problem geklärt hatte, tat sich das nächste auf. Ara brauchte ein Kilogramm Ziegenhaare.

„Ziegenhaare? Wieso habt ihr in Deutschland, wo es alles gibt, wo sogar die Leute beim Fahrradfahren einen Sturzhelm aufsetzen, keine Ziegenhaare!?“, wird Ara Awagjan gebrummelt haben. „Dieser Wunsch verursachte einen zweiwöchigen Baustopp“, lächelt Jörn Weinert gequält. Schließlich konnten sie besorgt werden, die aber nicht ausreichten.

Maurer Ara schlenderte nun doch durch einen deutschen Baumarkt, um adäquates Material zu finden. Verwendet wurde zudem Stroh und Bindegarn von Strohballen.

Wozu?

Der Lehm würde ohne diese „Armierungen“ im Zuge der Trocknung reißen.

Nun ist er fast fertig, der Tonir. Er wurde von Ofen-Ara bereits mehrfach angeheizt, um auszutrocknen. Die Grube soll demnächst verfüllt werden.

Derweil die mitteleuropäischen Lehmöfen überirdisch stehen, demzufolge als solche gut wahrgenommen werden, verschwindet der Ara-Ofen komplett in der Erde. Was zwar einen thermischen Vorteil hat, aber einen bauphysikalischen Nachteil. Denn der Lehm kann unter Feuchtigkeitseinwirkung zerfallen. „Deswegen werden wir ein Schutzdach darüber bauen“, kündigt der Ortsbürgermeister an.

Den Geschichtswissenschaftler hört man heraus, wenn Jörn Weinert witzelt: „Die Archäologen werden sich in ein paar hundert Jahren mal wundern, wenn sie Zuchau ausgraben und einen armenischen Backofen finden …“

Das würde dann unter das Thema Globalisierung fallen.