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Bodo Kotzur Erinnerungen an Lehrer Mitrasch

Kurt „Bodo“ Kotzur stammt aus Zuchau. Kürzlich bekam aus dem Nachlass von Lehrer Bernhard Mitrasch Schulfotos.

Von Thomas Linßner 23.01.2017, 16:55

Zuchau l Den Barbyern wird Bernhard Mitrasch als Deutsch- und Staatsbürgerkundelehrer, vor allem aber als Faustballtrainer in Erinnerung sein. Er war auch Leiter der Barbyer GST-Sektion (Gesellschaft für Sport und Technik), die hinter dem Schützenhaus einen Schießstand hatte.

Der groß gewachsene Mann begann seine Lehrer-Karriere in Zuchau. Das beweisen auch eine Reihe von Fotos, die Bodo Kotzur kürzlich von Mitraschs Witwe bekam. Sie stammen aus den 1950er Jahren, zeigen junge Männer beim Faustballsport oder bei der 1.-Mai-Demonstration.

Der Lehrer hatte sie alle detailreich beschriftet, man erfährt das Aufnahmedatum, den Ort sowie die Namen der Akteure. So ist festgehalten, dass es am 1. Mai 1954 sogar in so kleinen Dörfern wie Zuchau Umzüge gab.

Bernhard Mitrasch grinst mit seinen Kameraden fröhlich, die Kippe lässig im Mundwinkel. Zu seinen Sportfreunden gehörten der Calbenser Fotograf Wurbs und der spätere Werkleitzer Faustball-Motor Marx. Ein Bild zeigt „Mitrasch, Rembitzki, Knopf, Radatz, Wurbs und Marx“ als Bezirksmeister 1957.

„Damals war schon eine Menge los in Zuchau“, schwelgt Bodo Kotzur in Erinnerungen. In einer Zeit ohne Fernsehen bot der neue Sportplatz Abwechslung für die Jugend. Es war die Zeit, als Zuchau, Gramsdorf und Dornbock ein gemeinsames „Schulkombinat“ hatten.

Diese merkwürdige Bezeichnung eines Schulverbundes resultierte aus der organisatorischen Zusammenlegung mehrerer Schulstandorte. Die Unterrichtsräume waren auf die Orte verteilt, je nach Klassenstufe mussten die Schüler in das jeweilige Dorf laufen.

„Ich weiß noch, wie wir nach Gramsdorf mussten und es hatte 30 Zentimeter Neuschnee gegeben", erzählt der 73-Jährige. Der Feldweg war nicht geräumt und die Kinder kamen kaum vorwärts. An Schulbusverkehr war zu jener Zeit nicht zu denken.

„Jeder sah zu, wie er dort hin kam. Das hat uns aber nicht geschadet“, ist der Zuchauer überzeugt. Einmal habe Bernhard Mitrasch dem „kleinen Kotzur“ das Fahrrad durch den Schnee getragen. „So was vergisst man nicht: Das war ein feiner Kerl!“

Mitrasch unterrichtete in Zuchau Russisch, Kunst und Astronomie. „Er hat im ,Schwarzen Adler‘ auch unsere Laienspielgruppe angeleitet“, weiß Kotzur und hält zum Beweis Fotos von der Schulweihnachtsfeier 1954 hoch. „Die Kleinen (Klasse 1 bis 4) von Koll. Zirpel zeigen was sie können“, steht darunter.

Es gab nicht nur den geschmückten Weihnachtsbaum, sondern auch eine liebevoll gemalte Waldkulisse, vor der sich Rotkäppchen und der Wolf tummelten. Der zeichenbegabte Lehrer Mitrasch hatte an die Tafel einen Weihnachtsmann karikiert, was der Szene die schulische Strenge nahm.

„Es war bitterkalt. Jeder Besucher hat ein, zwei Kohlen von Zuhause mitgebracht, damit die Kneipe, in der wir das aufführten, warm wurde“, erzählt Bodo Kotzur. Und es sei „knackevoll“ gewesen. Die Menschen waren dankbar, wenn ihnen die Kinder etwas vorspielten und wenn es auch nur ein Grimmsches Märchen war. Von Bernhard Mitrasch besitzt er noch heute einen Linolschnitt, der die romanische Kirche des Dorfes zeigt.

Vor allem Barbyer, die den „langen Mitrasch“ nur von anderen pädagogischen Feldern kennen, werden sich wundern, wie gut er zeichnen konnte.

Um nochmal auf die Zuchauer Faustball-Episode zurückzukommen. Weil die Wettkämpfe in der gesamten DDR und sogar in Westdeutschland stattfanden, hatten die Spieler sonnabends schulfrei. (Bis zum Schuljahr 1989/1990 war der Sonnabend ein regulärer Schultag.) „Das war natürlich für uns eine große Motivation, Sport zu treiben“, lächelt Kotzur.

Der 73-Jährige wird eine Episode nicht vergessen, deren Hintergrund bis 1990 ein Thema war: Westgeld! „Wir durften ja noch in den Westen reisen, aber keine Devisen ausführen.“ Kurz vor einer Fahrt nach Frankfurt (Main) hatte sich der halbwüchsige Bodo D-Mark besorgt.

Um damit nicht vom Zoll an der Grenze erwischt zu werden, belegte er seine Klappstulle neben Butter und Wurst auch mit ein paar Geldscheinen. „Als die Zöllner kamen, habe ich demonstrativ vom vorderen Teil abgebissen“, grinst Kotzur. Alles sei gut gegangen.

Diese Verschlagenheit kam ihm später in seinem Bürgermeister-Job zugute. Wie sagte doch einst ein weiser Politiker: Als Bürgermeister muss man zu ein paar Prozent auch Schlitzohr sein.

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