1. Startseite
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Schönebeck
  6. >
  7. Feuerwehren geraten an ihre Grenzen

Brandschutz  Feuerwehren geraten an ihre Grenzen

Als Retter in der Not sind die Feuerwehrleute immer da. Doch sie geraten an ihre Grenzen. Überblick über den Brandschutz in Schönebeck.

Von Kathleen Radunsky-Neumann 22.11.2017, 20:20

Schönebeck l „Das Personalproblem ist relativ groß“, sagt Joachim Schulke. Als Dezernent für Sicherheit und Ordnung in der Stadtverwaltung unterliegt das Thema Brandschutz seinem Aufgabengebiet. Dabei ist die Mitgliederzahl insgesamt in den vergangenen fünf Jahren relativ stabil geblieben. Zählten die acht Stadt- und Ortsteilwehren im Jahr 2012 insgesamt 208 aktive Kameraden, so sind es mit Stand 31. Dezember 2016 204. Wo liegt demnach das Problem?

Es ist nicht nur ein Problem, das macht Joachim Schulke deutlich. So gehe es momentan um zwei Aspekte: Und zwar einerseits um die verschiedenen Posten, für die spezielle Lehrgänge nötig sind. Und es geht andererseits um die Einsatzbereitschaft. Also die Bereitschaft an sich liegt bei den Kameraden vor – keine Frage, versichern die Verantwortlichen in Verwaltung und Wehren. Doch können nicht alle 204 aktiven Kameraden aus Berufsgründen zu jeder Uhrzeit in den Einsatz fahren. Von den acht Stadt- und Ortsteilwehren sind nur die Gruppen Bad Salz-elmen, Felgeleben sowie Pretzien 24 Stunden einsatzbereit.

Also was tun? Die Hände in den Schoß legen? Nein. Das entspricht nicht dem Kodex der Brandschützer in der Elbestadt. Da sind sich Joachim Schulke von der Verwaltungsseite und Uwe Tandler als ehrenamtlicher Stadtwehrleiter einig. „Momentan kompensieren wir das mit der Alarm- und Ausrückordnung“, sagt Uwe Tandler. Soll heißen: Zu einem Einsatz wird nicht nur eine Feuerwehr gerufen. Inzwischen gebe es sogar Kooperationen über die Stadtgrenzen hinaus, zum Beispiel mit Gommern.

Und wo drückt am meisten der Schuh? „Bei den Führungskräften sind wir ganz gut aufgestellt“, sagt der Stadtwehrleiter. Ein Problem stellen derzeit die Atemschutzgeräteträger dar. Diese Funktion birgt enorme Anforderungen an den Körper. Hat man die Ausbildung geschafft, muss man jährlich zur Tauglichkeitsübung. Daran stört sich keiner der Ehrenamtlichen an sich, ein extra Zeitaufwand bleibt diese Untersuchung trotzdem. Und das neben der Zeit, die man für die eigene Fitness überhaupt aufbringt. So sagt Uwe Tandler in diesem Zusammenhang, dass er selbst nicht mehr als Atemschutzgeräteträger zur Verfügung stehe. „Ab einem gewissen Alter“, sagt er, sei diese Funktion einfach enorm anstrengend – das gehe derart auf die Kondition, dass ein Atemschutzgeräteträger maximal 30 Minuten im Einsatz sein darf, zitiert er das Regelwerk.

Grundsätzlich, das hebt Uwe Tandler hervor, verfügen die Schönebecker Wehren über zahlreiche Mitglieder, die mehrere Funktionen in sich vereinen. Deshalb sei das Defizit auf dem Papier auch noch nicht so schlimm. „Doch im Falle eines Einsatzes kann jeder nur eine Funktion ausüben“, nennt der Stadtwehrleiter die Krux.

Seiner Meinung nach spielt bei der Angelegenheit der funktionalen Besetzung innerhalb der Wehren die Ausbildung an sich eine große Rolle. Sie ist wichtig – das ist unbestreitbar. Doch der Zeitaufwand sei enorm. Allein der Grundlehrgang, so der Stadtwehrleiter, umfasse 70 Stunden, die an sechs bis sieben Wochenenden absolviert werden müssen. Für den Sprechfunker müssen dann zusätzlich 16 Stunden, für den Atemschutzgeräteträger 25 Stunden und für den sogenannten Truppmann II 80 Stunden Lehrgangzeit erfüllt werden – meist am Wochenende oder im Urlaub. „Hinzu kommen dann noch die Einsätze an sich“, sagt Uwe Tandler. Bei seiner Heimatwehr in Salz-elmen seien das an die 100 pro Jahr. Das alles ist Zeit, die die Ehrenamtlichen neben Beruf und Familie von ihrer Freizeit abknüpfen.

Hier müsste man umdenken, moderner werden. Vielleicht gewisse Theorieblöcke in einer Art Internet-Lehrgang erledigen? Und nicht nur aufeinanderfolgende Wochenenden nutzen? Oder oder oder. In jedem Fall müsse etwas geschehen. Denn nicht jeder Feuerwehrmann beziehungsweise -frau komme über den klassischen Weg, also von der Jugendwehr zur aktiven Wehr. Auch über Quereinsteiger könne man sich freuen. Könnte man. „Doch gerade für die ist der Weg sehr beschwerlich“, sagt Uwe Tandler mit Fingerzeig auf die aufwendigen und zeitraubenden Lehrgänge.

Demnach bleibt also vorerst das Problem: Tagsüber, zwischen 6 und 18 Uhr, haben es die Schönebecker Feuerwehren schwer, genügend „Manpower“ zusammenzubekommen. „Noch können wir das kompensieren, aber ehrlich gesagt: Langfristig kommen wir nicht um Hauptamtliche drumherum“, sagt der Stadtwehrleiter. Das muss auch Joachim Schulke einsehen. Aber: Was das kostentechnisch für die Stadt ausmacht, „das haben wir noch nicht berechnet“, sagt der Dezernent. Tandler und Schulke können sich eine Kombination aus Ehren- und Hauptamt vorstellen. Doch das ist noch Zukunftsmusik. Bislang, so Joachim Schulke, habe es sich zumindest schon einmal als positiv erwiesen, dass einige Stellen innerhalb der Verwaltung durch ehrenamtliche Feuerwehrkameraden besetzt wurden. In Summe seien es derzeit sieben Mitarbeiter der Verwaltung, die gleichzeitig in der Feuerwehr aktiv sind. Ihr Vorteil: Sie müssen nicht nach außerhalb pendeln, sind also tagsüber in der Stadt und können von der Arbeit für den Einsatz befreit werden.

„Das ist in Summe aber auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, schätzt der Dezernent ein. „Wir müssen uns darauf einstellen, über kurz oder lang neue Wege zu gehen“, sagt er deshalb. Wie jedoch genau diese Wege aussehen, das ist noch offen. In jedem Fall halten Stadtwehrleiter und Dezernent nichts von einer Pflichtfeuerwehr. „Ausreden gibt es doch immer“, sagt Uwe Tandler dazu. Und Joachim Schulke ergänzt: „Die Feuerwehr funktioniert nur durch die Leidenschaft für das Ehrenamt.“ Dem stimmt Tandler zu mit dem kurzen Hinweis auf das „Herzblut“, mit dem er und seine Kameraden dabei sind.

Genau dieses Herzblut versuchen die Brandbekämpfer schon früh der Jugend mitzugeben. Bis auf Frohse und in Plötzky bilden alle anderen sechs Wehren ihren eigenen Nachwuchs aus. Mit den Jugendwehren, in denen Mädchen und Jungen ab zehn Jahren die Feuerwehrarbeit kennenlernen, fahren die Stadt- und Ortsteilwehren gut. Insgesamt zählen die sechs Jugendwehren momentan 86 Mitglieder. Nur an das Thema Kinderwehr hat sich noch keiner herangetraut. Ist diese Abteilung für Mädchen und Jungen ab sechs Jahren andernorts – zum Beispiel in Staßfurt und Bördeland – inzwischen gang und gebe, tun sich die Schönebecker schwer damit. 2015 hatte der Stadtrat den Weg freigemacht mit einem entsprechenden Beschluss.

 „Bauliche Voraussetzungen, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, sind in der Regel gegeben“, sagt Joachim Schulke dazu. Vielmehr hapert es bislang an dem geeigneten Personal. „Schon die Betreuung der Jugendwehr ist ein zeitintensives Unterfangen“, schätzt Uwe Tandler ein und fügt an: „Eine Kinderwehr ist noch zeitintensiver.“ Davon einmal abgesehen, bedarf es hier ebenfalls einer extra Ausbildung des Kinderwarts. „Wir machen uns schon Gedanken, aber wie wir das am Ende leisten können, das wissen wir noch nicht“, sagt Uwe Tandler zu diesem Thema.

Fazit: Das Personalproblem der Freiwilligen Feuerwehr Schönebeck wird sich nicht von allein lösen. Und auch mit den Anstrengungen der Ehrenamtlichen – mit Jugendwehren den eigenen Nachwuchs heranziehen oder Quereinsteiger für sich gewinnen – wird sich die Personalstärke nicht wesentlich ändern.

Aus Sicht der Stadt, so Joachim Schulke, sollten unterstützende Angebote wie finanzielle Zuschüsse zur Kameradschaftspflege weiter getätigt werden. Das Allheilmittel sind sie trotzdem nicht. „Eine grundsätzliche Lösung kann nur durch entsprechende Regelungen des Gesetzgebers erfolgen“, hebt der Dezernent hervor.