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Buchvorstellung Tübke-Kennerin besucht Schönebeck

Der Schönebecker Maler Werner Tübke hat einst ein Tagebuch geführt, das nun veröffentlicht wurde. Die Herausgeberin stellt es vor.

Von Ulrich Meinhard 29.10.2017, 01:00

Schönebeck l Er hat also Tagebuch geführt, der Werner Tübke (1929-2004). Unter dem Titel „Mein Herz empfindet optisch“ sind diese Aufzeichnungen jetzt erschienen, sie beinhalten Eintragungen aus den Jahren 1954 bis 2001.

Einen Eindruck dieser Erinnerungen hat der ehemalige Schönebecker Pfarrer Johannes Schulz bereits gewinnen können. Er besuchte kürzlich das Panoramamuseum Bad Frankenhausen in Thüringen. „Zur Museumsnacht stand in diesem Jahr in besonderer Weise das von Tübke vor 30 Jahren vollendete Bauernkriegspanorama im Blickpunkt“, schreibt Schulz in einer E-Mail an die Volksstimme.

Als „äußerst spannend“ empfand er, anhand der Tagebücher ganz neue Einblicke in das Wirken „dieses außergewöhnlichen Künstlers vermittelt zu bekommen, vor dessen Monumentalwerk ich mehrfach in fassungslosem Staunen gestanden hatte“, versichert Schulz. In den Tagebüchern spreche Werner Tübke immer wieder von den Mühen der Ebene, häufig vor dem Hintergrund seiner Gratwanderung zwischen Anpassung und Selbstbehauptung als Künstler im DDR-System. Fazit: „Ich bin Künstler, ich habe nur die Kunst zu verteidigen, ich darf sie nicht in den Dienst einer Partei stellen.“

Diese und andere Äußerungen in den Tagebüchern werden so manchen Kritiker, der Werner Tübke nach der Wende in die Ecke des „willfähigen Staatskünstlers“ gestellt hatte, zu einer neuen Beurteilung kommen lassen, meint Johannes Schulz. Er fügt hinzu: „Hoffentlich!“

Beeindruckend, ja auch bewegend, war für den Theologen bei der Präsentation der Tübke-Tagebücher, in die Zwiesprache eines ständig auf der Suche befindlichen, sehr empfindsamen Menschen mit sich selbst hineingenommen zu werden. Werner Tübke bezeichnet sich als einen Gottlosen, wobei er die Gottesferne durchaus als schmerzhaften Verlust empfindet. Zugleich spricht er im Rückblick auf die Arbeit am Bauernkriegspanorama von der „Gnade, die nicht menschlich ist“ und die ihn sein Werk vollenden ließ: „Das war ich nicht! Das Bild habe ich nicht gemalt… Ich war in der Gnade. Kein Verdienst.“

Johannes Schulz dazu: „Mir ist eine Wortverbindung in den Sinn gekommen, wie sie widersprüchlicher nicht sein kann: Werner Tübke – ein gläubiger Gottloser?“

Werner Tübke ist in Schönebeck geboren und hat hier seine Kindheit und Jugend verbracht. „Auch deshalb habe ich die Mitherausgeberin seiner Tagebuchaufzeichnungen nach Schönebeck eingeladen. Sie hat zugesagt“, informiert der Alt-Pfarrer weiter.

Die Kirchengemeinde St. Laurentii werde voraussichtlich im Frühjahr 2018 zu einem Themenabend mit Annika Michalski, einer ausgewiesenen Tübke-Kennerin, in die Frohser Kirche einladen. Eine genaue Information soll folgen.

Der ARD hat unter dem „Titel, Thesen, Temperamente“ ein Beitrag über Tübkes Tagebücher produziert. Dieser kann noch bis zum 23. Okotober 2018 unter diesem Link angeschaut werden.