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Bürgerbeschwerden Laster auf Parkplatz, der keiner ist

Laster, die das Unternehmen Schirm beliefern und auf der Freifläche an der Schollstraße in Schönebeck parken, rauben Bürgern den Schlaf.

Von Heike Liensdorf 23.03.2017, 04:09

Schönebeck l Mit dieser Situation will und kann sich Ronald Boden nicht anfreunden. „Die Freifläche ist fast immer vom Lieferverkehr für Schirm belegt. Manchmal ist es ein Laster, manchmal sind es fünf, fast immer auch am Wochenende“, erzählt Ronald Boden am Lesertelefon. „Wenn sie nachts die Kühlaggregate laufen lassen, kriegt man kein Auge zu, so laut ist das. Dazu kommt der Müll, der einfach liegen gelassen wird.“ Sein Haus - oben Wohn- und Geschäftsgebäude - grenzt direkt an die besagte Freifläche an der Geschwister-Scholl-Straße an.

In der Stadtverwaltung ist das Problem bekannt. „In letzter Zeit sind dazu mehrere Beschwerden eingegangen, Anrufe und Hinweise in der Bürgersprechstunde“, beginnt Oberbürgermeister Bert Knoblauch das Gespräch, um das die Volksstimme gebeten hat.

Er atmet tief durch und erklärt: „Das ist ein komplexes Problem. Die alteingesessene Firma wird logistisch gut unterhalten.“

Knackpunkt: Das dortige Gebiet sieht eine gemischte Nutzung von Wohnen und Gewerbe vor, somit müsse ein gewisses Maß an Beeinträchtigung hingenommen und toleriert werden. Schließlich könnte auf der Freifläche auch ein Betrieb gebaut werden.

Das sei nicht neu, doch das Problem habe sich früher so nicht gestellt. „Es kann sein, dass sich der Betrieb vergrößert hat und nun mehr Anlieferungen erfolgen. Die Firma sieht aus sicherheitstechnischen Gründen nicht vor, einen Parkplatz auf dem eigenen Gelände zu stellen“, weiß das Stadtoberhaupt. Und Ordnungsdezernent Joachim Schulke ergänzt: „Was sonst noch hinter der Schranke gestanden hat, darf jetzt nicht mehr rein.“

Kurzum: Wenn Lieferfahrzeuge ankommen, aber noch Zeit bis zur Abfertigung haben, suchen sich die Fahrer einen Warteplatz. Sie stehen dann, sorgen für Lärmbelästigung durch laufende Motoren und Kühlaggregate, lassen ihren Müll vor Ort liegen.

Der Umstand ärgert nicht nur die Anwohner, sondern auch die Stadt. Doch weder die eine, noch die andere Seite kann direkt etwas daran ändern, denn: „Wir sind nicht Grundstücksbesitzer“, sagt Baudezernent Guido Schmidt.

Die Freifläche gehöre zum Teil der Deutschen Bahn AG (Zufahrt Bahnstrecke) und einem Privatmann. Die Stadt habe bereits den Kontakt vermittelt zwischen Schirm AG und Bahn/Privatperson, ob der Platz nicht mit Sanitäranlagen, Mülleimern ausgestattet werden könnte, um ein Teil des Problems anzugehen. Inwieweit es Gespräche untereinander gab - da ist die Stadt außen vor, betonen Stadtoberhaupt und Dezernenten.

Ein Parkplatz außerhalb von Schönebeck würde weitere Brummifahrer anlocken.

Die Überlegung, einen Parkplatz etwas außerhalb von Schönebeck für den Lieferverkehr anzulegen, wurde schnell verworfen. „Wir würden uns nicht nur die Brummis, die zu Schirm wollen, von der Autobahn 14 holen. Sondern noch weitere anlocken. Und das wollen wir nicht“, so Bert Knoblauch. Zudem: Wer sollte diesen Parkplatz finanzieren?

Er weist darauf hin, dass nicht nur das Belegen der Freifläche ein Problem sei. Der wartende Lieferverkehr stehe an der gesamten Schollstraße. Viele Anwohner hätten sich schon beschwert, dass die Laster vor ihren Häusern parken und damit das Tageslicht rauben. Einige, die etwas gesagt haben, mussten sich auch schon beschimpfen lassen. Ganz zu schweigen von dem Müll, der hinterlassen wird, und dem Verrichten der Notdurft. Joachim Schulke muss einräumen: „Durch Bestreifung kriegen wir es nicht geregelt.“

Während die Freifläche in Privatbesitz ist, sind die Nebenanlagen in Stadt-Hand. Deshalb plant diese im Zuge der grundhaften Erneuerung der Schollstraße auch, die Parklücken auf den Nebenanlagen nacheinander so mit Pollern-Hindernissen zu gestalten, dass nur noch Personenkraftwagen dort parken können, aber keine Laster mehr hinein passen.

Dennoch will die Stadt den „Schwarzen Peter“ nicht der Schirm AG zuschieben. „Die Logistikfirma hat ganz klare Lieferzeiten. Diese sind den Speditionen bekannt. Schirm kann also nicht beeinflussen, wann welcher Laster ankommt oder weiterfährt, weil vielleicht Lenk- und Ruhezeiten beachtet werden müssen“, erklärt Joachim Schulke. Und Guido Schmidt ergänzt: „Die ideale Lösung wäre: Ankommen, reinfahren, rausfahren, zurückfahren. Aber das ist logistisch fast nie möglich.“

Die Schirm AG kann den Unmut der Anwohner über Lärm und verschmutzte Flächen nachvollziehen. Unternehmenssprecher Claus Grimm zur Anfrage der Volksstimme: „Allerdings werden Laster, die den Produktionsstandort von Schirm oder den Standort von Imperial Chemical Logistics anfahren, nicht von uns, sondern von unseren Kunden beauftragt und disponiert. Die von ihnen erwähnte Fläche an der Geschwister-Scholl-Straße gehört nicht zu unserem Betriebsgelände. Von daher haben wir auch keine Verfügungsgewalt über diese Fläche und weisen den Fahrern diese Fläche auch nicht als Parkplatz zu.“

Es ist zu vermuten, so der Sprecher weiter, dass die Lasterfahrer auf der besagten Fläche ihre gesetzlich vorgeschriebene Ruhezeit verbringen. „Dies könnten wir wegen gesetzlich vorgeschriebener Sicherheitsmaßnahmen auf unserem Betriebsgelände nicht ermöglichen. Eine Alternative bestünde darin, dass sie ihre Warte- oder Ruhezeit auf einem Autohof oder eigens dafür eingerichteten Parkplätzen verbringen. Wo es uns möglich ist, werden wir die Lasterfahrer darauf hinweisen, auch auf der nicht zu unserem Unternehmen gehörenden Fläche Lärmschutz- und Abfallregeln einzuhalten.“

Und was heißt das nun für die Anwohner? Was kann der Einzelne tun, wenn er sich gestört fühlt? „Kennzeichen und Uhrzeit notieren. Bei Ruhestörung die Polizei rufen. Bei Verunreinigungen den allgemeinen Ordnungsdienst informieren“, erklärt Joachim Schulke das Prozedere. Geht es aber um die Freifläche, sei die Stadt machtlos. Sie kann diese auch nicht verbarrikadieren. „Die Stadt darf kein Geld für ein Privatgelände ausgeben, um Privatinteressen zu schützen“, erläutert Bert Knoblauch.

Einzige Möglichkeit: Anwohner, die sich gestört durch die Umstände auf der Freifläche fühlen, müssen persönlich gegen den Grundstücksbesitzer vorgehen. Seine Adresse kann über das Grundbuchamt herausgefunden werden. „Bei berechtigtem Interesse werden diese Daten herausgegeben“, weiß Joachim Schulke. „Dann kann man den ,Nachbarn‘ auffordern: Auf deinem Grundstück gibt es ein Problem, kümmere dich mal.“

Die Erfolgschancen? Schulterzucken. Dazu der Hinweis vom Ordnungsdezernenten: „Wir hatten diesbezüglich auch schon mit dem Privateigentümer Kontakt aufgenommen, er lebt ja nicht hier in der Region. Aber er sieht keinen Grund, warum er die Zufahrt auf seine Fläche einschränken soll.“

Eine Lösung scheint schwer zu finden ...