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Busverkehr 120 Haltestellen, zehn barrierefrei

Bis 2022 sollen laut Gesetz alle Bushaltestellen barrierefrei sein. Das wird Schönebeck nicht einhalten können.

Von Paul Schulz 24.10.2019, 16:33

Schönebeck l Der Bus bleibt an der Haltestelle stehen, die Türen öffnen sich mit einem leichten Schmatzen. Ein Rollstuhlfahrer rollt mit seinem Rollstuhl in den Bus. Die Fahrt wird fortgesetzt. Was sich so einfach anhört, bedarf vor allem einer Sache: einer barrierefreien Bushaltestelle.

In Schönebeck gibt es derzeit zehn davon. Bei insgesamt 120 Bushaltestellen entspricht das 8,3 Prozent. In der Moskauer Straße sollen zwei weitere Haltestellen noch dieses Jahr barrierefrei gestaltet werden. „Wenn wir es zeitlich hinbekommen und das Wetter mitspielt“, sagt Detlev Lorbeer, Leiter der Stabsstelle Wirtschaftsförderung der Stadt Schönebeck.

Perspektivisch ist geplant, alle Bushaltestellen barrierefrei beziehungsweise barrierearm zu gestalten, so Lorbeer. Die Vorgabe dazu liefert die Neufassung des Personenbeförderungsgesetzes, die am 1. Januar 2013 In Kraft getreten ist. Darin heißt es: „Der Nahverkehrsplan hat die Belange der in ihrer Mobilität oder sensorisch eingeschränkten Menschen mit dem Ziel zu berücksichtigen, für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs bis zum 1. Januar 2022 eine vollständige Barrierefreiheit zu erreichen.“

„Diese Vorgabe werden wir nicht einhalten können. Bis zum Januar 2022 schaffen wir es nicht, alle Haltestellen umzubauen“, sagt Detlev Lorbeer. Der barrierefreie Ausbau soll aber Stück für Stück weiter vorangetrieben werden. Im kommenden Jahr will die Stadt mithilfe von Fördermitteln 24 Bushaltestellen umbauen. Bevorzugt werden dabei Haltestellen in der Nähe von öffentlichen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Schulen oder Kitas umgebaut, erklärt Lorbeer.

Doch was sind überhaupt die Anforderungen an eine barrierefreie Bushaltestelle? Frank Schiwek, ehrenamtlicher Geschäftsführer des Allgemeinen Behindertenverbandes in Sachsen-Anhalt (Abisa), teilt dazu mit, dass die Haltestellen grundsätzlich barrierefrei auffindbar und zugänglich sein müssen. Zudem müssen die Haltestelle und das öffentliche Verkehrsmittel so aufeinander abgestimmt sein, dass eine barrierefreie Nutzung möglich ist.

Um beim Beispiel des Rollstuhlfahrers zu bleiben, muss der Bordstein also so hoch sein, dass der Behinderte ohne Probleme in den Bus gelangen kann. Schiwek teilt dazu mit: „Der Höhenunterschied zwischen Bahnsteig und Fahrzeugeinstieg darf maximal fünf Zentimeter betragen, sollte aber deutlich geringer ausfallen.“

Diese Bedingung erfüllen die barrierearmen Bushaltestellen Schönebecks. Auf einer Länge von acht Metern ist nämlich ein 18 Zentimeter hoher Hochbord verbaut. Und dieser ist beispielsweise für die Busse der Kreisverkehrsgesellschaft Salzland (KVG) bestens geeignet, wie Bill Bank, Leiter der KVG-Verkehrsplanung, mitteilt. 92 Prozent der Busse lassen sich nämlich mit einer „Kneeling-Einrichtung“ mehrere Zentimeter anheben und absenken, um Höhenunterschiede auszugleichen. „Somit ist zum Beispiel beim ‚Kassler Bord‘, welcher eine Höhe von 18 Zentimeter aufweist, ein stufenloser Übergang möglich“, informiert Bill Bank.

Aber nicht nur die hohen Bordsteinkanten machen eine barrierearme Haltestelle aus. Laut Abisa ist für Menschen mit Sehbehinderungen die Installation eines Leitsystems, bestehend aus Aufmerksamkeitsfeldern und Leitstreifen, erforderlich. Auch diese Bedingung erfüllen die zehn umgebauten Haltestellen. Sie sind mit einem rund sieben Meter langen Leitstreifen ausgestattet, der parallel zur Bussteigkante verläuft. Die verbauten Rippenplatten können von sehbehinderten Menschen mit ihrem Gehstock anhand der geriffelten Oberfläche erkannt werden.

Außerdem ist laut Frank Schiwek das Zwei-Sinne-Prinzip zu beachten. Mindestens zwei der drei Sinne Sehen, Hören und Tasten müssen dabei angesprochen werden – zum Beispiel optisch (Anzeigetafel) und akustisch (Lautsprecheransage). Solche Lautsprecheransagen gibt es beispielsweise an Haltestellen in Magdeburg.

Diese zu installieren ist allerdings nicht vorgesehen. „Das würde den finanziellen Rahmen sprengen“, so Detlev Lorbeer. Die Stadt hat sich nämlich pro Haltestellenausbau ein Limit von 10 000 Euro gesetzt. Überdies werden die Umbau-Maßnahmen von Land und Kreis gefördert. Bis zu 80 Prozent der Bau- und Planungskosten übernimmt das Land. Die übrigen 20 Prozent entfallen auf die Stadt, wovon aber wiederum bis zu 75 Prozent der Baukosten vom Kreis getragen werden können.