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Coronavirus Politiker verzichten auf Homeoffice

Das Innenministerium schlägt vor, dass Stadträte während der Pandemie schriftlich entscheiden.

Von Jan Iven 02.04.2020, 01:01

Schönebeck l Dass die jüngste Sitzung des Stadtrates wegen Corona ausfallen musste, ist vermutlich nur wenigen Bürgern aufgefallen. Selten kommen mehr als ein Dutzend Schönebecker, um an der Sitzung teilzunehmen und den Diskussionen über den Haushalt oder andere Beschlüsse zuzuhören. So richtig gravierende Themen standen auf der Tagesordnung der ausgefallenen Sitzung nicht. In Zeiten von Corona verblasst vieles andere.

Zumindest die von der SPD vorgeschlagene Satzungsänderung für die Kitagebühren hätte sofort finanzielle Auswirkungen für Familien gehabt, wenn die Kosten für Geschwister rückwirkend bis August erlassen worden wären. Doch wegen Corona machen sich Eltern eher Gedanken darüber, ob sie die Gebühren für die geschlossenen Kitas in Zukunft weiter bezahlen müssen. Immerhin: Das Land will einspringen. Die Stadt verzichtet nun auf den Einzug der Gebühren.

Doch wie geht es mit dem Stadtrat in Zeiten von Corona weiter? Können 38 Kommunalpolitiker im Dr.-Tolberg-Saal dauerhaft zwei Meter Abstand voneinander halten? Früher oder später braucht die Verwaltung Entscheidungen des Stadtparlamentes. Das Innenministerium hat nun eine Ausnahmeregelung erlassen, damit kommunale Gremien wie Stadträte arbeiten können. „Dringende Angelegenheiten, die keinen Aufschub dulden, können aufgrund der dynamischen Pandemielage ausnahmsweise in einem vereinfachten schriftlichen Verfahren beschlossen werden“, heißt es darin. Sprich: Die Stadträte sollten sich schriftlich äußern und abstimmen.

Doch im Rathaus hat man offenbar rechtliche Bedenken gegen dieses Vorgehen. Zumindest berichten das die Vorsitzenden der Fraktionen, die am Montag an einem Treffen mit Oberbürgermeister Bert Knoblauch (CDU) teilgenommen haben, bei dem Alternativen zu Sitzungen besprochen wurden. So bestehe etwa die Gefahr, dass schriftlich gefasste Beschlüsse möglicherweise in einigen Jahren ungültig würden. Der Oberbürgermeister habe in dieser Frage eine andere Rechtsauffassung als Innenminister Holger Stahlknecht, ebenfalls CDU. Beide Politiker sind Juristen. Doch wie heißt es so schön? Zwei Juristen, drei Meinungen. Im Rathaus weiß man es offenbar besser als im Innenministerium. Aus dem Presseamt der Stadt heißt es, dass sich ein schriftliches Verfahren auf einzelne dringende Punkte anwenden lasse, nicht auf ganze Sitzungen.

Tatsächlich stellt sich die Frage, wie die Öffentlichkeit bei so einem schriftlichen Umlaufverfahren sicher gestellt werden könnte. Wie könnten Bürger und Journalisten einbezogen werden, wenn die Stadträte schriftlich diskutieren?

Immerhin bereitet man sich im Rathaus weiter vor. Die Tablet-Computer der Stadträte wurden aktualisiert, damit sie Video-Konferenzen veranstalten könnten. Eine Sitzung per Video ist zwar nicht geplant und würde vermutlich ebenfalls rechtliche Problem verursachen. Doch zumindest steht schon mal die Technik.

Ansonsten könnte Corona vom Stadtrat ausgesessen werden. So ist die nächste planmäßige Sitzung für den 14. Mai angesetzt. In sechs Wochen, so die Hoffnung, sind die Ausgangsbeschränkungen vielleicht gelockert worden. Dann könnte der Stadtrat in kleiner Besetzung tagen. Zwar sieht das Kommunalverfassungsgesetz kein Notparlament vor. Doch die Fraktionen wollen prüfen, ob sie mit weniger Vertretern antreten. Von 38 Stadträten müssen 20 teilnehmen, damit das Gremium beschlussfähig ist. Eine neue Sitzordnung könnte für Abstand zwischen den Politikern sorgen.

Die Fraktionen können der Argumentation des Oberbürgermeisters folgen und würden von schriftlichen Abstimmungen absehen. „Ich bin zwar kein Anwalt, aber ich kann die Bedenken nachvollziehen“, sagte Torsten Pillat, Fraktionsvorsitzender der CDU. Ähnliches hört man von den Linken: „Wir können nicht riskieren, dass Beschlüsse nicht rechtssicher sind“, sagte Vorsitzende Sabine Dirlich. Die SPD würde gern nach der Krise über Umlaufbeschlüsse und Videokonferenzen diskutieren. „Derzeit gibt die Satzung des Stadtrates solche Maßnahmen aber nicht her“, sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Schiwek. Und Thoralf Winkler von Grüne/FDP/Kowolik/Below hätte es zumindest interessant gefunden, die Videotechnik auszuprobieren. Die AfD war nicht zum Treffen mit dem Oberbürgermeister erschienen.

Bei einer verkleinerten Sitzung des Stadtrates müsste auch die Zahl der Besucher beschränkt werden. Doch deren Ansturm hält sich normalerweise sowieso in Grenzen.