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Coronavirus Schweinestau auch im Salzland

Auch im Salzlandkreis haben Bauern Probleme, ihre Tiere an Schlachtbetriebe zu verkaufen.

Von Bianca Oldekamp 23.10.2020, 01:01

Trabitz l Durchschnittlich 1900 Schweine mit einem Gewicht zwischen 25 bis 120 Kilogramm sind es, die Landwirt Jochen Strötker aus Trabitz hält. Schweine, die der 39-Jährige Landwirt als Jungtiere bei einem Züchter kauft, rund 100 Tage lang füttert und dann an einen Viehhandel verkauft. Denn nach dieser Zeit sind sie schlachtreif. „Die Einstallung aller Tiere erfolgt innerhalb von vier Wochen. Die Ausstallung, daher auch in dem engen Zeitraum von vier Wochen“, erklärt Jochen Strötker. Ein, wie der 39-Jährige schon sagt, enger Zeitraum, der ihm aktuell bei dem Verkauf über einen Viehhandel im Westharz, über den die Schweine wiederum an einen Schlachthof nach Emstek (Niedersachsen) gebracht und geschlachtet werden, bleibt.

Und dieser enge Zeitraum wird dem 39-Jährigen jetzt zum Verhängnis. Indirekt.

Immer wieder kommt es zu Corona-Ausbrüchen in Schlachtbetrieben. Der wohl bekannteste Fall von Corona-Infektionen in einem Schlachtbetrieb war deutschlandweit gesehen der bei der Firma Tönnies im Kreis Gütersloh (Nordrhein-Westfalen). Aufgrund hoher Infektionszahlen musste der Betrieb heruntergefahren werden, konnte weniger Tiere als gewöhnlich schlachten. Der sogenannte Schweinestau entstand. Auch bei Tönnies in Weißenfels (Burgenlandkreis) wurde weniger geschlachtet.

Halter, die ihre Tiere verkaufen wollen, werden die Tiere über Händler an Schlachtbetriebe durch den „Schweinestau“ nicht mehr los, weil diese einfach weniger schlachten.

„Bisher gab es keine Schwierigkeiten, die Schweine zu verkaufen, da wir bisher nicht an die Firma Tönnies nach Weißenfels geliefert haben. Jetzt ist allerdings der von uns belieferte Schlachthof der Firma Vion in Emstek teilweise gesperrt und schlachtet coronabedingt circa 50 Prozent weniger Schweine“, berichtet Jochen Strötker von der aktuellen Situation seines Landwirtschaftsbetriebes. Der zwischengeschaltete Viehhändler habe dem 39-Jährigen bereits signalisiert, dass er die wöchentlich aus Trabitz angemeldeten Schweine nicht abnehmen kann.

Ein Problem, das auch dem Bauernverband Sachsen-Anhalt umtreibt. Dorit Nyenhuis, Sauenhalterin und Vorsitzende des Fachausschusses Schwein im Bauernverband Sachsen-Anhalt, fordert: „Die Schweinehalter in Sachsen-Anhalt brauchen jetzt ein deutliches Signal der Politik, dass Landwirtschaft, Tierproduktion und Verarbeitung im Land gewünscht sind. Andernfalls wird es der nachfolgenden Generation nicht vermittelbar sein, dass sie weiterhin regional erzeugen. Die Produktion wird dann in anderen Ländern stattfinden.“

In einer aktuellen Mitteilung des Bauernverbandes Sachsen-Anhalt heißt es zudem, dass die laufende Tierproduktion ein Kreislauf sei, der nicht kurzfristig angehalten werden kann. Zuletzt seien in Deutschland coronabedingt rund 50.000 Schweine weniger pro Woche geschlachtet worden.

Jochen Strötker sucht derzeit nach Alternativen, um seine Schweine zu verkaufen. Doch das gestaltet sich schwierig, da natürlich auch andere Schlachthöfe in Deutschland coronabedingt weniger schlachten. Deshalb ist er gezwungen, sich auch abseits des deutschen Marktes umzuschauen – was allerdings nicht ohne finanzielle Einbußen einher geht. „Ich versuche zur Zeit Kontakt aufzunehmen, um meine Schweine außerhalb von Deutschland zum Beispiel in Polen oder Italien zu verkaufen. Dies ist jedoch nur zu einem geringeren Preis möglich, da die Transportkosten sehr hoch sind. Weiterhin, weiß man nicht, ob man auch den vereinbarten Betrag je Schwein erhält“, erklärt er die Misere.

Sollte es Jochen Strötker nicht gelingen, andere Abnehmer zu finden, muss er seine Schweine natürlich weiterhin mit Futter versorgen. Die Kosten dafür liegen zur Zeit bei 1200 Euro pro Tag. Und: Die Schweine werden, dadurch dass sie beim zu späten Verkauf zu schwer sind, schlechter bezahlt. Er rechnet mit circa 40 Prozent weniger Erlös pro Schwein. Und die Schweine müssen dann auch noch in zu engen Buchten stehen, wenn Jochen Strötker die Tiere nicht verkaufen kann.

Eine Situation, die er Jochen Strötker gar nicht erst eintreten lassen möchte. Deshalb sagt er: „Um dies zu verhindern, werde ich, wenn die ersten Schweine verkauft werden können, aus jeder Bucht zunächst nur ein paar Tiere zur Schlachtung geben, dadurch haben die anderen Schweine mehr Platz. Durch diese Vorgehensweise kann ich allerdings nicht so schnell wieder Ferkel kaufen und mein Ferkellieferant hat das Platzproblem. Ich werde also alles daran setzen, meine Schweine möglichst zeitnah zu verkaufen.“ Zu welchem Preis das dann auch immer sein wird.

Wirtschaftlich bedeutet das für den 39-Jährigen hohe Einbußen. „Ich rechne mit mindestens 100.000 Euro Schaden für meinen Schweinebetrieb“, sagt er. Auf staatliche Hilfen setzt er nicht, sondern erklärt: „Ich muss für mich das Risiko einschätzen, ob ich während der folgenden ‚Coronajahre‘ wieder Ferkel kaufe oder nicht.“

Theoretisch muss Jochen Strötker – und das weiß er selbst – das Risiko eines schlechten Schweineabsatzes etwa 100 Tage im Voraus abschätzen. Ein Sauenhalter – er muss die Zeit von der Besamung der Sau bis zum schlachtreifen Schwein bedenken – muss die Situation in etwa 300 Tagen „voraussagen“ können.

Auch deshalb kritisiert Jochen Strötker, dass sich die Coronaregeln wöchentlich ändern würden. „Ich erwarte mehr Flexibilität und kreative Zusammenarbeit der Politik in dieser Krise. Da wäre zum Beispiel die Möglichkeit, es zu erlauben, sonntags zu schlachten oder positiv auf das Coronavirus getestete Schlachthofmitarbeiter, die keine Symptome haben, in einer extra Schicht arbeiten lassen zu dürfen.“