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Dialog im Boot Die güterschifflose Elbe

Bei der „Dialog im Boot“-Fahrt haben Teilnehmer aus Kunst, Wissenschaft und Politik einen touristischen Blick auf den Fluss geworfen.

Von Andreas Pinkert 15.07.2016, 18:47

Breitenhagen l So ganz idyllisch ist die sommerliche Reise auf der Elbe dann doch nicht gewesen. Eigentlich sollte das graue Schlauchboot mit seinen Teilnehmern bei seiner Fahrt am Donnerstag von Steutz/Aken über Steckby bis zur Barbyer Fähre schippern. Bei Flusskilometer 287 bei Breitenhagen/Tochheim war dann vorzeitig Schluss. Starker Wind und vereinzelte Schauer erschwerten ein Weiterkommen.
Iris Brunar und Dr. Ernst Paul Dörfler, die Initiatoren des Dessauer Elbeprojektes vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), sind seit nunmehr schon 15 Jahren auf verschiedenen Flussabschnitten unterwegs. Rund 100-mal haben sie sich dazu Gäste eingeladen, um mit ihnen über die Zukunft des Flusses ins Gespräch zu kommen: Viele Teilnehmer landen regelmäßig mit neuen Erkenntnissen am Ufer an.
Der Grundtenor der Reisegesellschaft: Da die Güterschifffahrt auf der Elbe immer mehr abnimmt, eröffnen sich zunehmend Möglichkeiten für touristische Nutzungen des Flusses, die der Region direkt zugute kommen könnten. Passt gut: Auf der gesamten Kurzreise wurde bei Fahrtiefen unter einem Meter nicht ein einziges Güterschiff gesichtet.
„Die naturnahe Flusslandschaft der Elbe ist in Deutschland einzigartig. Schon jetzt ist der Elberadweg der beliebteste touristische Radweg Deutschlands, und es gibt noch viel Potenzial für weitere naturbezogene Angebote entlang des Wegs, wie etwa Kanutouren“, erklärt Martin Pusch vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB). „Allerdings muss der Fluss dringend saniert werden, um die ständige Sohlerosion zu stoppen und die Auen-Landschaft auch für die Zukunft zu erhalten. Dazu müssen vor allem die Buhnen zurückbaut werden.“
Seine Kollegin Simone Beichler ergänzt: „Gerade Stadtbewohner suchen immer stärker Erholung in natürlichen Lebensräumen. Diese Nachfrage wird oft stark unterschätzt.“
Wolfgang Aldag, umweltpolitischer Sprecher der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt sei bei dieser Fahrt auf der Elbe mehr und mehr deutlich geworden, wie wichtig es ist, die Natur an den Ufern und den Fluss zu schützen. Es gelte zu erkennen, dass der naturnahe Tourismus ein enormer Wirtschaftsfaktor sein kann, der Ökologie und Ökonomie in einem Gleichgewicht hält und nicht gegeneinander ausspielt, meint der Grüne.
Während der Gütertransport per Elbeschiff seit Jahrzehnten stetig zurückging und mit weniger als 0,4 Millionen Tonnen im vergangenem Jahr ein historisches Tief erreicht hat, sei die naturnahe Flusslandschaft zu einer touristischen Attraktion geworden, sagt Iris Brunar. Wie der Tourismusverband Elbe-Börde-Heide dieses Frühjahr bekannt gab, schaffen allein die rund 290 000 Fernradler, die in erster Linie von Landschaft und Natur begeistert sind, einen Umsatz in dreistelliger Millionenhöhe.
Die einhellige Meinung der Naturschützer: Die über zwei Jahrzehnte getätigten Baumaßnahmen zur Herstellung einer ganzjährig befahrbaren Wasserstraße haben ihr Ziel – die Verlagerung des Verkehrs auf die Elbe – verfehlt. Im Gegenteil, je mehr gebaut wurde, desto weniger werde transportiert. Die Prioritäten im Umgang mit der Elbe müssen sich verschieben, um den einzigartigen Schatz – die Flusslandschaft Elbe – zu bewahren.
Das sehen bekanntlich nicht alle so. Die Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung in Sachsen-Anhalt (MIT) fordert beispielsweise eine bessere Schiffbarmachung der Flüsse, genau wie die Interessengemeinschaft zur Förderung der Schifffahrt im Einzugsgebiet von Elbe und Saale. Auch das Nachbarland Tschechien drängt ebenfalls seit Jahren auf eine ganzjährige Befahrbarkeit der Elbe und plant den Bau einer neuen Staustufe bei Decin. Prag verspricht sich davon mehr Schiffsverkehr, denn bislang fließt die Elbe oberhalb Sachsens eher flach.
Grund genug für die Organisatoren, künftig weiter mit „Dialog im Boot“ für das Gegenteil zu werben.