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Dübener Ei Olaf Arndt campiert in der Kuschelkugel

Zur Sammlung von Olaf Arndt zählt neben einem „Hühnerschreck“ auch das Wohnmobil des kleinen DDR-Mannes, das „Dübener Ei“.

Von Thomas Linßner 03.08.2016, 01:01

Calbe l „Jetzt kann man‘s ja sagen“, grinst Olaf Arndt, „früher habe ich zwei Stempelkarten besessen.“

Stempelkarten?

Um diese schwergewichtige Offenbarung zu verstehen, müssen wir zum Verständnis für jüngere Leser erstmal eine Klammer auf machen: (Stempelkarte wurde vor 1990 volkstümlich der Berechtigungsschein genannt, auf dessen Rückseite die Verkehrspolizei bis zu fünf Stempel für schwerwiegende Verkehrsverstöße drückte. Je nach Art des Verstoßes konnte die Ordnungswidrigkeit mit ein, zwei, drei, vier oder fünf Stempeln bestraft werden. Bei Nummer fünf war Feierabend, sprich Fahrverbot.)

Jeder normalsterbliche Fahrerlaubnisbesitzer besaß eine Stempelkarte. Ganz Clevere und die, mit guten Beziehungen, auch mehr. So einer war Olaf Arndt. Als NVA-Unteroffizier kutschierte er drei Jahre lang die „hohen Tiere“ im „Lada 2107“ durch die DDR. Was ihm als „Militär“ zu einer zweiten Karte verhalf, die er bei Entlassung in das zivile Leben „vergaß“ abzugeben. Damit war der Calbenser in der komfortablen Lage, nach der Maximal- und Schreckenszahl fünf Stempel munter weiter fahren zu können! Denn die Stempelei war ja nicht - wie heute in Flensburg - zentral irgendwo hinterlegt.

Machte Olaf nicht, aber hätte er gekonnt.

Dieser kleine geschichtliche Exkurs hat nur indirekt etwas mit Olaf Arndts Leidenschaft zu tun, alte Fahrzeuge zu sammeln. Sein Prachtstück oder sagen wir, das mit dem größten Komfort, ist sein Campinganhänger. Der heißt „Dübener Ei“ und konnte infolge seines Fliegengewichts von 280 Kilogramm sogar vom Trabant bewegt werden.

Die Geschichte dieses Mobils geht bereits in das Jahr 1938 zurück. Damals präsentierte Dreiradwagenkonstrukteur Max Würdig Wochenendanhänger, deren „Wandernieren-Form“ sich in den nachfolgenden Jahrzehnten kaum verändern sollte. Wegen der Leichtbauweise war sein „Caravan“ gut für Kleinwagen geeignet und zu DDR Zeiten als ein gemütlicher Campinganhänger sehr beliebt. Ein weiterer Spitzname war auch „Kuschelkugel“. Was den Intentionen des Erfinders wohl am meisten nahe kommt. Es geht die Geschichte, dass der junge Max Würdig und dessen Freundin wegen eines fehlenden Trauscheins kein Nachtquartier in einem Gasthof erhielten. Daraufhin sei ihm die Idee für ein unabhängiges Reisezuhause gekommen, heißt es.

Der Campinganhänger wurde in kleiner Serienfertigung gebaut. Das geschah zu einer Zeit, als man in Deutschland zwar weltweit unterwegs war, aber nicht mit friedlichen Zielen und schon gar nicht in der Freizeit. Im Zweiten Weltkrieg wurde Würdigs Hänger von der Wehrmacht requiriert.

Als wieder friedlichere Zeiten kamen, übernahm Karl-Bernhard Würdig, der Sohn des Erfinders, den väterlichen Betrieb. Er baute in Handwerkermanier 90 Wohnwagen pro Jahr. 1972 wurde die kleine Firma verstaatlicht und firmierte fortan unter VEB Campingwohnwagen.

Solche Geschichten kennt Olaf Arndt, der im Jahr an rund 20 Treffen von Gleichgesinnten teilnimmt. Mit seiner „Kuschelkugel“ hat er dann immer ein Dach über dem Kopf. Seit 1997 ist er Mitglied der „Calbenser Schrauber“, wie sich die Maulschlüssel-User nennen.

Manchmal erschreckt der 48-Jährige in grüner Volkspolizei-Uniform auch die (älteren) Leute. Dann fährt er in einem 353er Wartburg zu Oldie-Treffen, der blaue Rundumleuchten auf dem Dach und schrilles „Tatü-Tata“ unter der Haube hat. Das alles darf Olaf allerdings im öffentlichen Straßenverkehr nicht benutzen.

Wäre ja noch schöner, dass einer, der früher zwei Stempelkarten besaß, nun einen auf Verkehrspolizei machte ...