EIL

E-Autos Saftlos im Salzland

E-Autos werden in Schönebeck und im Kreis von Privatpersonen so gut wie nicht gefahren. Warum ist das so?

Von Emily Engels 24.10.2018, 06:00

Schönebeck/Calbe/Bernburg l Wenn Pfarrer Johannes Beyer tanken geht, muss er nur ein paar Schritte vor die Haustür machen und einen Stecker in sein Auto stecken. Denn unter seinem Carport befindet sich eine private Ladestation für sein E-Auto.

Johannes Beyer fährt eines von insgesamt fünf E-Autos, die der Kirchenkreis Egeln seit Februar 2018 zur Verfügung gestellt hat. „Der Kirchenkreis setzt damit Impulse einer Machbarkeitsstudie um, die 2016 vom ‚Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Würtemberg (ZSW)‘ im Auftrag des Kirchenkreises und des Lothar-Kreyssig-Ökumenezentrums erarbeitet wurde“, erklärt Pressesprecher Holger Holtz. Die Standorte der Autos sind neben Schönebeck auch Hötensleben, Egeln, Gatersleben und Aschersleben. In Schönebeck teilt sich Johannes Beyer das Auto in Schönebeck mit Pfarrer Götz Beyer, einem Gemeindepädagogen und dem Kantor Carsten Miseler.

„Als es um die Bewerbung für die E-Autos ging, gab es definitiv mehr Interessenten als Autos“, sagt Johannes Beyer. Während viele seiner Kollegen, die sich beworben haben, viel im ländlichen Bereich unterwegs sind, habe er sich gerade aus dem Grund für das Projekt gemeldet, weil er viele Kurzstrecken in der Stadt fährt. „Da man beim Bremsen oder Ausrollen mit dem E-Auto über die Rekuperation Energie zurückgewinnen kann, lohnt sich das gerade hier“, findet der Pfarrer.

Doch obwohl er, sobald er von der Fahrt mit seinem E-Auto erzählt, geradezu ins Schwärmen gerät („Das Fahrzeug ist so leise, dass man nachts sogar die Nachtigall singen hört.“), würde er sich das Auto privat vermutlich eher nicht anschaffen. Sein Grund: „Durch die begrenzte Reichweite und die wenigen Auflademöglichkeiten ist man im Kreis manchmal schon eingeschränkt.“ Wie schwer es mit dem Aufladen werden kann, zeigt ein Überblick über die Ladestationen im Kreis (siehe Grafik). Während es laut Peter Mennicke, Pressesprecher beim Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr, bisher in Sachsen-Anhalt 210 öffentliche Ladepunkte gibt (ein Ladepunkt ist eine „Steckdose“, Ladesäulen haben mehrere Anschlüsse), sind es im Salzlandkreis bisher nur elf.

Diese Tatsache scheint Menschen im Salzlandkreis noch immer davor abzuschrecken, sich privat ein E-Auto anzuschaffen. Hinzu kommen die hohen Anschaffungskosten. So kostet ein E-Auto im Schnitt gut 10.000 Euro mehr als die Benziner-Variante, eine eigene Aufladestation kostet noch einmal etwa 100 Euro – natürlich exklusive Strom. Auch eine Nachfrage der Volksstimme bei drei großen Autohäusern in Schönebeck ergibt jedes Mal eine ähnliche Antwort: Entweder sie bieten überhaupt gar keine E-Autos an oder es ist einfach kein Interesse da, heißt es auf Nachfrage.

Dementsprechend übersichtlich ist auch die Zahl der im Salzlandkreis gemeldeten E-Autos. Eine aktuelle Statistik des Kraftfahrt-Bundesamtes zeigt, dass im Salzlandkreis von insgesamt 100.000 angemeldeten Autos nur 19 (0,02 Prozent) reine E-Fahrzeuge und 30 Steckdosen-Hybride (eine Mischung aus Hybrid und E-Auto) sind.

Zu diesem geringen Prozentsatz gehört auch die Stadtverwaltung aus Calbe. Seit Ende vergangenen Jahre nutzt die Stadtverwaltung ein E-Auto. „Nach erster Zurückhaltung ist das Fahrzeug mittlerweile sehr beliebt“, sagt Bürgermeister Sven Hause (parteilos). Da damals klar gewesen sei, dass sie eine Ladesäule auf dem Markplatz bekommen würden, wollten sie als Vorbild dienen, so Hause. Von der Firma Avacon, von der auch die Ladesäule stammt, bekommen sie derzeit 100 Euro Förderung im Monat. Man habe das in Wirtschaftlichkeitsberechnung mit aufgenommen. Jetzt sei die Gegenüberstellung der Kosten eines Benziners gegenüber denen eines E-Autos zumindest kostenneutral, so Hause.

Er stellt folgende Rechnung auf: Bei den Gesamtkosten für Leasing, Sprit/Strom, Versicherung sowie abzüglich der Bezuschussung von 100 Euro belaufen sich die Kosten über drei Jahre bei insgesamt 7478 Euro für das Elektroauto. Dem gegenüber stehen 7527 Euro bei einem Benziner.

Die Berechnung berücksichtige ebenso eine Laufleistung von 10.000 Kilometer jährlich und alle dafür anfallenden Kraftstoff- beziehungsweise Stromverbräuche. Für das E-Auto sei die Stadt steuerbefreit und müssen auch etwas weniger Versicherung bezahlen. Unberücksichtigt in dieser Rechnung sei die Tatsache, dass die Stadt derzeit auch noch kostenlos die Stromabnahme an der E-Säule auf dem Marktplatz vornehmen darf. Hause: „Für uns erhöht sich der finanzielle Vorteil also noch.“

Jedoch sorge auch in der Stadtverwaltung die Reichweite für Verunsicherung. „Vor allem jetzt, wo es wieder kälter wird, kann es schon mal eng werden mit der Reichweite“, sagt der Bürgermeister. Denn das E-Auto verbraucht schließlich nicht nur Strom fürs Fahren, sondern auch für die Heizung – beziehungsweise im Sommer die Klimaanlage.

Auch Holger Holtz sagt: „Wie sich die Fahrzeuge im Kirchenkreis in der Realität bewähren, wird sich in den kommenden Jahren zeigen.“

Im nächsten Teil der Serie geht es um die Frage: Wie fahrradgerecht ist Schönebeck?