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Eisenbahn Kleine Züge für große Kinder

In der Aula der Schönebecker Karl-Liebknecht-Schule haben in dieser Woche Diesel und Dampf das Sagen. Zumindest virtuell.

Von Jörn Wegner 06.02.2017, 02:02

Schönebeck l Kinderspielzeug? Auf gar keinen Fall, sagt Jürgen Krebs. Die Modelleisenbahnen, die er und sein Verein Eisenbahn-Club Schönebeck seit Sonnabend in der Aula der Karl-Liebknecht-Schule fahren lassen, ziehen zwar besonders kleine Jungs und Mädchen an. Dahinter steckt aber viel Arbeit, und die kann durchaus ernsthaft sein, wie der Club-Chef erzählt.

Die Anlage der Schönebecker Modellbahner zeigt Szenen aus den 70er- und 80er-Jahren. Die umgebene Landschaft ist Fantasie, aber bei den Bahnen geht es realistisch zu. „Es fahren nur Züge, die es damals auch gegeben hat“, erklärt Krebs. Die Epoche haben sich die Eisenbahn-Freunde wegen der Vielfalt der Wagen und Lokomotiven ausgesucht. Damals waren sowohl moderne Reisezugwagen unterwegs, als auch mit Dampfloks bespannte Oldtimerzüge.

Nur eines werden die Besucher auf der Anlage nicht finden: E-Loks. Der Grund: So eine Modellbahnanlage sei „die Abbildung der Realität in 1:87“, wie Krebs erklärt. Wer mit E-Loks fahren will, muss für Oberleitungen sorgen, und das wäre eine ziemlich aufwendige Sache. Sonst geht es detailgetreu zu. Beschriftungen entsprechen der Zeit, ebenso Autos und Gebäude.

Viele kleine Geschichten hält die rund zehn Meter lange Platte bereit: Da gibt es zum Beispiel einen Badeunfall einschließlich Wasserleiche, als Reminiszenz an Schönebeck pflügt ein ZT-Traktor an prominenter Stelle einen Acker. Besonderes gibt es auch bei den Bahnen. Neben einem Städteexpress der Reichsbahn und diversen Regionalzügen ist auch das Prunkstück der DDR-Bahn unterweg: der Elite-Zug der Reichsbahn, die Baureihe 175. Der aerodynamische Triebzug erreichte in den 60er-Jahren Spitzengeschwindigkeiten und wurde auf internationalen Strecken eingesetzt. Auf der Schönebecker Modellanlage fährt er in seiner späten Funktion als rollender Jugendclub „Ernst Thälmann“, der in diversen Kleinstädten Halt machte.

Seit Mitte der 80er-Jahren arbeiten die Schönebecker Eisenbahner an der Anlage. Die Spurweite war von Anfang an HO. Das für die DDR besondere Format TT sei eher etwas für beengte Neubauwohnungen und für den Privatbereich gewesen, erklärt Krebs. Mit der Anlage ist es ein wenig wie bei der „richtigen“ Bahn, erklärt Krebs: „Wir machen das wie die großen Bahnbetreiber. Die Infrastruktur gehört dem Verein, die Züge sind privat.“ Sprich: Auf den Gleisen fahren zumeist Loks und Wagen aus dem privaten Besitz der Eisenbahner, während die Anlage Clubsache ist.

Sich selbst hat Krebs auch auf der Anlage verewigt: Wer genau hinschaut, findet eine kaum daumennagelgroße Figur, die mit Kamera im Anschlag auf einer Böschung auf ein gutes Eisenbahnmotiv wartet. Gestört wird die Szenerie lediglich von einem Volkspolizisten, der sich von hinten anschleicht, denn Fotografieren von Bahnanlagen war verboten. Die Szene habe sich so tatsächlich ereignet, sagt Krebs.

Die Ausstellung ist bis 12. Februar in der Aula der Liebknecht-Schule, Pestalozzistraße, zu sehen. Werktags von 16 bis 18 und am Wochenende von 10 bis 12 und von 14 bis 18 Uhr. Eintritt: 3, bis 14 Jahre 1,50 Euro.