Elbe-Saale-Camp Polit-Talk in Barby

Zu einem Polit-Talk hatte das Elbe-Saale-Camp eingeladen. Thema: „Was sind frei fließende Flüsse wert?“

Von Thomas Linßner 30.07.2017, 09:00

Barby l Um es vorweg zu nehmen: Alle vier Vertreter der Parteien SPD, Grüne, FDP und Linke waren sich beim Elbe-Saale-Camp einig: Die Elbe ist etwas Besonderes, sie muss geschützt, die Landschaft erhalten werden.

Moderatorin Iris Brunar fragte zu Beginn nach „Lieblingserinnerungen“ der Politiker. Steffi Lemke, Parlamentarische Geschäftsführerin (B90/Grüne), berichtete von einer romantischen Paddeltour, die im krassen Gegensatz zu den giftigen Schaumkronen auf dem Fluss zu DDR-Zeiten stand. Jörg Schindler (Linke): „Wenn ich an der Elbe stehe, fällt der Stress ab. Sie beruhigt mich.“ Franziska Kersten (SPD) erinnert sich noch an den beißenden Geruch, den der Elbeschlamm früher verbreitete und die schönen, hellen Sandstrände heute. Der aus dem Saarland stammende Karl-Heinz Paqué (FDP) sprach von einer „wunderbaren Flusslandschaft in einem Kulturland“.

Doch damit war die Harmonie erstmal vorbei, als Steffi Lemke an ihre Politkollegen einen mahnenden Appell richtete: „Wenn wir als Gesellschaft nicht anders begreifen als bisher - damit meine ich die Parteien, die mit mir heute am Tisch sitzen - dass Ökologie und Ökonomie nicht voneinander zu trennen sind, dann werden wir diesen Wettlauf gnadenlos verlieren.“ Denn Ökonomie sei nichts anderes, als ökologische Lebensgrundlagen zu erhalten. „Wir sind stärker als vor 10, 20 oder 100 Jahren dazu verdonnert, auf Natur anders Rücksicht zu nehmen, als wir es in der Vergangenheit getan haben.“ Das beweise der Wetterbericht täglich.

Sachsen-Anhalts ehemaliger Finanzminister Karl-Heinz Paqué wollte das so nicht stehen lassen: „Es ist in den letzten 30 Jahren ein massiver Fortschritt erreicht worden. Denken Sie doch nur mal an die Wasserqualität früher.“ Für Paqué dienen Instandsetzungsarbeiten an der Elbe der Infrastruktur, da es sich um eine Wasserstraße handelt. Man sei national dazu verpflichtet - allein wegen der Tschechen - die Schiffbarkeit zu gewährleisten. Im weiteren Verlauf der Diskussion präferierte der FDP-Politiker „vernünftige Kompromisse“ zwischen Ökonomie und Ökologie.

Steffi Lemke hielt an ihrer Position fest. Nach ihrer Überzeugung sei die Elbepolitik der letzten Jahrzehnte gescheitert. „Wir haben einen Fluss, der sich eingetieft hat: zwei Zentimeter pro Jahr seit etwa 100 Jahren. In einzelnen Flussgebietsabschnitten wie bei Barby, seien es fast zwei Meter in den letzten Jahrzehnten.“ Der Fachmann nennt das Sohlerosion.

Dazu kam der Steckbyer Umweltaktivist Ernst Paul Dörfler zu Wort. „Die Sohlerosion ist erst durch die Schiffbarmachung der Elbe entstanden, durch den Bau von Buhnen und die Begradigung, bei der die Elbe rund 100 Kilometer verloren hat.“ Dadurch ist der Fluss schneller und enger geworden. Weil der Fluss ein Sandbett hat, vertieft er sich von Jahr zu Jahr. „Das ist ein sich selbst beschleunigender Prozess, den selbst das Bundesamt für Gewässerkunde so beschrieben hat“, sagte Dörfler. Die Folge: Der Fluss gräbt sich immer mehr ein. „Doch der Schifffahrt nützt das nichts. Die Schiffe fahren nur ein bisschen tiefer durch die Landschaft und haben nicht mehr Wasser unter dem Kiel.“ Das Dramatische sei: Die Auen trocknen immer mehr aus. Man sehe es vor allem an den alten Bäumen der Streuobstwiesen oder in Eichenhainen, die viel schneller absterben würden. „Es ist ein schleichendes Absterben der Auenlandschaft“, fasste Paul Ernst Dörfler zusammen. Sein Fazit: Entweder wir retten die Landschaft oder wir wollen eine Schiffbarkeit haben.

Karl-Heinz Paqué darauf sarkastisch: „Wenn das wirklich so ist, dass es keine Möglichkeit mehr gibt, dann haben Sie recht. Buhnen weg, dann sollte die Elbe renaturiert werden.“ Doch dies glaube er nicht. Das Problem müsse intensiv erforscht und der Konflikt ernst genommen werden. An die Adresse von Steffi Lemke und Paul Dörfler gewandt, sagte Paqué: „Man sollte da nicht so ignorant sein und sagen: Wir wissen alles schon: Schifffahrt und Buhnen weg - und Naturschutz.“ Paqué blieb dabei: Die Elbe brauche Kompromisse, das Thema Sohlerosion eine fundierte wissenschaftliche Untersuchung.